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Frauenquote in der Chefetage

Der Bundesrat tritt für eine gesetzlich festgelegte Frauenquote in den Chefetagen der großen Unternehmen ein. Die Länderkammer stimmte heute für eine entsprechende Gesetzesinitiative. Demnach soll die Einführung in zwei Schritten erfolgen und bis 2023 eine Mindestquote von 40 Prozent erreicht werden.

Von Michael Braun | 21.09.2012
    Es gibt sie, aber sie sind selten, die Frauen in den Vorständen der größten deutschen börsennotierten Unternehmen: Bei Siemens sind gar zwei Frauen im insgesamt zehn Mitglieder umfassenden Vorstand, ein Anteil also von 20 Prozent. Daimler beschäftigt eine ehemalige Verfassungsrichterin mit den Ressorts Recht, Integrität und Datenschutz: Sie ist eine von sieben Vorständen, die Quote liegt also bei knapp 15 Prozent. Auch die weiblichen Vorstände bei SAP, E.On und BASF reißen es nicht heraus. Bei den größten börsennotierten Geldhäusern, bei Deutscher Bank und Commerzbank, ist die Geschäftsleitung ausschließlich Männersache. Aber man will das ändern, wenn auch nicht Gleichberechtigung, sondern in erster Linie absehbare Personalnot der treibende Motivator zu sein scheint. Commerzbank-Vorstandschef Martin Blessing:

    "Wir haben ein ureigenes ökonomisches Interesse daran. Wir haben nämlich sonst einfach nicht die Führungskräfte, die in zehn, 15 Jahren brauchen. Und wahrscheinlich schon in fünf Jahren wird es enger."

    In einem Statusbericht "Frauen in Führungspositionen" hatten sich die 30 DAX-Unternehmen im Oktober vorigen Jahrs verpflichtet, sich realistische und messbare Ziele zur Steigerung des Frauenanteils in Führungsfunktionen setzen. Der Frauenanteil in Führungspositionen ist in nahezu allen DAX-Unternehmen gestiegen. Bei Adidas liegt er mit 25 Prozent am höchsten, bei Volkswagen mit knapp fünf Prozent am niedrigsten. Heinz-Gerhard Wente, der Personalvorstand des künftigen DAX-Mitgliedes Continental, hat die niedrige Frauenquote in der Autoindustrie einmal so erklärt:

    "Der Entwicklungsprozess hin zu mehr Frauen in Führungspositionen wird in einem von Technologiekompetenz geprägten Unternehmen unseres Erachtens naturgemäß noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber je mehr Absolventinnen von Naturwissenschafts- und Ingenieurwissenschafts-Studiengängen es gibt, desto mehr können wir einstellen und auch in Führungspositionen entwickeln."

    In der Tat legen zwar immerhin 40 Prozent alle naturwissenschaftlichen Hochschulabschlüsse Frauen ab, aber bei den ingenieurwissenschaftlichen Fächern sind es nur 15 Prozent.

    Auch in den Aufsichtsräten ist der Frauenanteil niedrig. Nach der Zahl der Mandate beherrschen Männer die führenden Positionen. Auf Rang acht findet sich mit der Allensbacher Meinungsforscherin Renate Köcher die erste Frau: Sie hilft, den Versicherungskonzern Allianz, BMW und den Speichertechnologiekonzern Infineon zu beaufsichtigen. Insgesamt ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten nach einer Untersuchung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz seit 2006 von 11,7 auf 19,4 Prozent gestiegen. Sie sitzen aber vor allem auf der Arbeitnehmerbank, weiß DSW-Geschäftsführerin Jella Benner-Heinacher:

    "Der Blick auf die Aktionärsseite fällt allerdings ernüchternd aus. Und das ist dann auch ein bisschen die schlechte Nachricht. Denn der überwiegende Anteil weiblicher Vertreter im DAX 30 wird mit zwölf Prozent weiterhin von der Arbeitnehmerseite gestellt. Auf Anteilseignerseite sind es lediglich 7,4 Prozent."

    Der Aufsichtsratsvorsitz wird nahezu vollständig von Männern eingenommen. Nur der Waschmittel- und Klebstoffkonzern Henkel hat mit Simone Baghel-Trah eine Vertreterin der Eigentümerfamilie an die Spitze des Aussichtsgremiums gewählt.