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Fraunhofer-Entwicklung
Neuartiger Schraubnagel muss nach OP nicht wieder entfernt werden

Ein Kreuzbandriss macht oft eine OP nötig, bei der Ersatzgewebe, oft eine körpereigene Sehne, mit Schrauben aus Metall oder Polymeren im Knochen fixiert wird. Nachteil: Metallschrauben müssen nach der Genesung wieder entfernt werden, Polymere lösen sich zwar auf, machen den Knochen aber instabil. Fraunhofer-Forschern aus Bremen haben nun eine Alternativmethode entwickelt.

Von Jochen Steiner | 15.11.2016
    Ein menschliches Kniegelenk mit Kreuzbandriss auf einem MRT-Schnittbild
    Ein menschliches Kniegelenk mit Kreuzbandriss auf einem MRT-Schnittbild (imago/blickwinkel)
    Die Ingenieurin Janne Haack vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in Bremen hält einen etwa zwei Zentimeter langen Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger, der an einen Hohlwanddübel erinnert:
    "Wir nennen das institutsintern Schragel, also eine Kombination aus Schraube und Nagel."
    Die Fraunhofer-Forscherin und ihre Kollegen haben den Schraubnagel zusammen mit mehreren Universitäten und Unikliniken entwickelt: "Man hat eben nicht wie bei einer Schraube diesen Vorgang mit einem Schraubendreher, um das einzubringen, sondern man hat zwar eine Schraubengeometrie, aber die muss eben mit einem Hammer wie ein Dübel ins Loch hineingebracht werden."
    Der "Schragel" besteht aus Hydroyxlapatit, das dem Knochenmaterial sehr ähnlich ist, aber brechen kann, wenn es mit dem Schraubendreher bearbeitet werden würde. Hammerschlägen hält es allerdings stand.
    Metall wird von manchen Körpern abgestoßen
    Der Schraubnagel könnte eines Tages zum Beispiel bei einer Kreuzband-Operation Verwendung finden: Das neu einzusetzende Stück Sehne würde dann an einem Ende um einen Schragel gewickelt und in einem Loch im Oberschenkelknochen fixiert. Das andere Ende der Sehne käme um einen zweiten Schragel, der in ein Loch im Unterschenkelknochen gehämmert würde. Durch sein steiles Gewinde gehe der Schraubnagel leicht ins Loch, so Janne Haack:
    "Es gibt ja schon Nägel oder Schrauben für Knochen, nur die sind zum einen entweder aus Metall und können von manchen Körpern abgestoßen werden. Menschen haben nicht so gern Metalle im Körper, die können nicht abgebaut werden."
    Und diese Metallschrauben müssen durch eine zweite Operation wieder entfernt werden, was die Patienten belastet.
    Schrauben aus Polymeren hinterlassen ein Loch im Knochen und machen diesen so instabil
    Zum anderen gibt es solche Schrauben aus Polymeren, die sich nach einiger Zeit im Körper auflösen. Doch dann bleibt ein Loch zurück, was den Knochen instabil werden lässt.
    Der Schragel der Fraunhofer-Forscher hingegen bleibt im Knochen und muss nicht wieder entfernt werden. Durch einen sogenannten Sintervorgang konnten Janne Haack und ihr Team aus dem Hydroyxlapatit ein sehr stabiles Tricalciumphosphat herstellen - ein Bestandteil des Knochens. Ein Schraubnagel aus diesem Material würde sich nach einiger Zeit vollständig mit dem Knochen verbinden.
    Die Wissenschaftler stellen ihren Schragel in einem Spritzguss-Verfahren her. Doch die große Herausforderung war der sich anschließende Sintervorgang:
    "Man hat ja eigentlich einzelne Keramikpartikel, die jetzt nur nebeneinander liegen, und dann müssen diese Keramikpartikel quasi wieder zusammengebacken werden, und das ist dann dieser Sintervorgang. Und bei diesem Sinterprozess, ja das ist nicht ganz so trivial, den so einzustellen, dass man eine gute Härte, Stabilität hat, die dann erforderlich ist, um diesen Schragel einbringen zu können in den Knochen."
    Mit diesem Verfahren könnten die Fraunhofer-Forscher aus Bremen Schrauben in beliebiger Form herstellen, so Janne Haack. Erste Tierstudien mit dem Schragel seien positiv verlaufen. Jetzt steht noch die Zulassung als Medizinprodukt aus, bevor das erste Kreuzband mit dem neuartigen Schraubnagel fixiert werden kann.