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Fraunhofersche Linien als Fingerabdruck der Elemente

Ein tragischer Unfall machte aus Joseph von Fraunhofer überhaupt erst den berühmten Physiker und Optiker. Er erlangte zu Lebzeiten Berühmtheit wegen seiner präzisen Linsen und Teleskope. Am 6. März 1787 wurde er geboren.

Von Kay Müllges | 06.03.2012
    "Er hat eine Möglichkeit für uns eröffnet, dass wir Dinge erfahren über die Natur, insbesondere über die Natur der Sterne, der Galaxien, über die Stellung des Menschen letzten Endes im Kosmos, die wir sonst nicht erfahren hätten."

    So beschreibt Wolfgang Heckl, Direktor des Deutschen Museums in München, die Lebensleistung des Forschers und Erfinders.

    Geboren am 6. März 1787 in Straubing, verlor Joseph Fraunhofer schon früh seine Eltern und musste bereits im Alter von zwölf Jahren eine Lehre in München beginnen. Sechs Jahre sollte er hier bei einem Spiegelmacher und Glasschleifer eine Ausbildung machen, einem strengen Lehrherrn, der ihm den Besuch der Feiertagsschule und das Lesen von Büchern verbot. Doch ein tragischer Unfall brachte eine Wende in sein Leben: Am 21. Juli 1801 stürzte das Wohnhaus seines Meisters ein. Es gab Tote, auch Fraunhofer war verschüttet. Eine dramatische Rettungsaktion begann:

    "Hier erfuhr man, dass es der Lehrjung sei, der noch lebte, und anfangs einen Finger, dann die Hand, endlich einen Arm herausstreckte. Man steckte ihm Schnupftücher zu, die mit Wasser und Essig eingefeuchtet waren, um ihn zu laben. Und brachte ihn endlich nach vierstündiger, rastloser, lebensgefährlicher Arbeit ans Tageslicht."

    hieß es später im Polizeibericht. Ein Augenzeuge war der Unternehmer Joseph von Utzschneider. Der nahm sich des Jungen an und versorgte ihn mit Fachbüchern. Fraunhofer lernte wie besessen. 1806 stellte ihn sein Gönner in seiner optischen Fabrik in München ein. Wenig später machte er ihn sogar zum Teilhaber und Leiter der optischen Abteilung in der Glashütte Benediktbeuern. Napoleon hatte gerade die Kontinentalsperre verhängt, Europa war von der Versorgung mit den damals marktführenden optischen Geräten aus England abgeschnitten. Fraunhofer und Utzschneider erkannten ihre Chance, ebenso präzise Instrumente herzustellen.

    Wolfgang Heckl: "Das war bis dahin überhaupt nicht möglich, weil man das mehr oder weniger als schwarze Kunst betrachtet hat, wie man Glas schmelzen muss, wie man Prismen herstellt, wie man Linsen herstellt. Auf diesem Weg aber hat Fraunhofer etwas Großartiges geleistet. Es ist ihm nämlich gelungen, Glas – und das war sein Ziel – so gut zu vermessen, dass die bekannte problematische chromatische Aberration von Linsen verringert wurde, also der Farbfehler, den wir alle auch heute noch kennen."

    Dazu stellte er ausgefeilte Experimente mit Prismen an, durch die er das Sonnenlicht brechen ließ.

    Wolfgang Heckl: "Als er das getan hatte, hat er das Sonnenspektrum, wie wir es heute kennen, von Violett, Grün, Gelb, Rot aufgenommen, aber es ist ihm aufgefallen, dass dieses Sonnenspektrum nicht perfekt ist. Nicht perfekt in dem Sinne, dass es dort schwarze Linien gibt, die heute nach ihm benannt werden, die Fraunhoferschen Linien. Diese Linien waren für ihn Markierungspunkte, die immer an derselben Stelle mit derselben Farbe sozusagen verbunden waren. Die es also möglich machten, den Brechungsindex von Glas, Prismen, Linsen, Flintglas, Chromglas, was er alles selbst hergestellt hatte, exakt zu bestimmen und damit viel bessere optische Geräte herzustellen, als es zuvor möglich war."

    Fraunhofers Verbesserungen der Linsen, aber auch der Mechanik der Teleskope wurden ein großer Erfolg. Die Astronomen rissen sich regelrecht um seine Fernrohre. Mit einem dieser Instrumente gelang dem Astronomen Johann Gottfried Galle 1846 an der Berliner Sternwarte sogar die Entdeckung des Planeten Neptun. Doch Fraunhofer ahnte, dass seine Linien zu mehr gut sein mussten, als zum Bau besserer Teleskope. Nur ließ ihm seine Tätigkeit als Fabrikleiter keine Zeit, dies wissenschaftlich eingehender zu untersuchen. Heute wissen wir, dass die von Fraunhofer entdeckten schwarzen Linien sozusagen der Fingerabdruck der Elemente sind, die auf der Sonne und allen anderen kosmischen Objekten existieren.

    Wolfgang Heckl: "Und das ist etwas Ungeheures, denn es ist ja überhaupt nicht möglich, bis heute nicht möglich, etwas über unsere Sterne, über den Kosmos, über die elektromagnetische Strahlung, die er zu uns schickt, in Erfahrung zu bringen, außer eben diese Strahlung hier auf der Erde zu messen. Und Fraunhofer hat die Grundlagen dafür gelegt."

    Josef von Fraunhofer, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und vom bayerischen König in den Adelsstand erhoben, starb am 7. Juni 1826 nur 39-jährig an Tuberkulose. Seine Pionierleistungen als Wissenschaftler und Unternehmer machten ihn zum Namensgeber der größten Gesellschaft für angewandte Forschung in Deutschland.