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Freiburger Stadtteil kommt fast ohne Autos aus

Wer das Auto abschaffen und alle Wege zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn erledigen will, gilt leicht als Phantast. In Freiburg gibt es einen ganzen Stadtteil, der weitgehend ohne Auto auskommen will. Die Planer des Quartiers auf dem Gelände der früheren französischen Vauban-Kaserne mussten sich anfangs viele skeptische Kommentare anhören - inzwischen kann man das Ergebnis besichtigen.

Von Ludger Fittkau | 06.01.2004
    Der Freiburger Stadtteil Vauban ist tatsächlich ein Kinderparadies: Hier gibt es mehr Spielplätze und vor allem weniger Autos als anderswo. Das Viertel ist eines der größten deutschen Neubaugebiete, in dem die Autos weitgehend aus dem Straßenbild verschwunden sind:

    Der Bundesdurchschnitt an Autos pro tausend Einwohnern liegt bei ungefähr rund 500, und wir hier im Vauban haben lediglich 150 Autos pro tausend Einwohner.

    Jörg Lange vom Verein Forum Vauban ist von den Vorteilen des neuen, von Autos entlasteten Stadtteils in Freiburg überzeugt. Gemeinsam mit dem Ökoinstitut hat er die Entwicklung der Verkehrsplanung im Viertel wissenschaftlich begleitet. Sein Fazit: Das Vauban hat bereits drei Jahre vor der endgültigen Fertigstellung eine verkehrspolitische Erfolgsgeschichte:

    57 Prozent derjenigen, die sich entschieden haben, auf dem Vaubangelände ohne Auto zu leben und auch die Vorteile zu genießen, haben erst mit Einzug im Vauban das Auto abgeschafft.

    Doch wer sich bisher nicht dazu durchringen konnte, sein Auto ganz abzuschaffen, hat im Vauban Probleme - auch das ist ein Ergebnis der Begleitforschung. Die Parkhäuser am Rande des Viertels, in denen die Autos abgestellt werden müssen, bereiten vielen Neubürgern des Vauban wenig Freude. Vor allem die langen Wege und das Manövrieren in den Parkhäusern empfindet man als beschwerlich, stellt Planer Jörg Lange fest:

    Deswegen hatten wir auch nicht diese herkömmliche Art von Parkhäusern damals vorgeschlagen, sondern so eine automatische Parkgarage. Damit wäre einiges gelindert worden, weil man nicht erst viermal da hochgurken muss und wieder viermal zurückparken muss, wenn man im obersten Stockwerk seinen Parkplatz hat.
    Automatische Parkgaragen müssen sie sich vorstellen wie ein automatisches Hochregallager, das heißt, man fährt unten auf eine Bühne und dann wird das Auto automatisch dahin, wo noch Platz ist, hin verfrachtet, das bedeutet im Endeffekt, dass man noch viel weniger Fläche und Raum braucht, weil es eben keine Zufahrt mehr gibt zu den einzelnen Parkplätzen, als in einem herkömmlichen Parkhaus.


    Doch dieser Vorschlag der Planer wurden Ende der neunziger Jahre vom Freiburger Gemeinderat abgelehnt - die Konsequenzen bekommen die heutigen Einwohner des Vauban zu spüren.
    Ein zweites Problem sind die fehlenden Parkmöglichkeiten für Menschen, die ihren Arbeitsplatz im Viertel haben. Wie die Erzieherin Katharina und ihre Kolleginnen, die in der Kindertagesstätte "Immergrün" arbeiten:

    Also auch wir haben im Moment schon Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden, wenn wir mit dem Auto arbeiten gehen.

    Der Weg zum Arbeitsplatz ist auch für die Stadtteilbewohner, die ganz aufs Auto verzichten, im Alltag das größte Problem:

    Zum Beispiel jetzt im Winter, mein Mann muss zur Arbeit fahren nach Steegen, das ist ziemlich weit. Es ist ziemlich beschwerlich, mit Zug und Bus.

    Trotz dieser Alltagsprobleme, die ein Leben ohne Auto so mit sich bringt, sollte das Beispiel Vauban bundesweit Schule machen – so das Ergebnis der Begleitforschung. Über Freiburg hinaus sollen auch andere Städte ermutigt werden, auch in Altbaugebieten das Auto wieder mehr und mehr aus dem Straßenbild zu verdrängen. Deshalb hat das Wissenschaftler-Team um Jörg Lange jetzt eine CD-Rom herausgegeben, die alles Wissenswerte über das Vauban enthält. Damit ist die professionelle Begleitung allerdings beendet. Was nun in Freiburg fehlt, sind weitere Gelder für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Forum Vauban:

    Ja, leider, unser Engagement ist im Wesentlichen ehrenamtlich, das heißt, alle Führungen, die wir durchführen, beruhen auf ehrenamtlichem Engagement. Und es ist auch nicht absehbar, dass uns irgendeine offizielle Stelle dafür Geld zur Verfügung stellt, die Ergebnisse von Vauban in die Welt zu tragen.

    Dabei ist das Interesse an den Ergebnissen des ökologischen und sozialen Experiments riesengroß - täglich werden Gruppen über das Gelände geführt. Und nichts ist letztendlich eine bessere Werbung für die Ideen der Planer des Vauban als spielende Kinder, die keine Angst vor Autos haben.