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Freie Hand für Preußen

Vor 250 Jahren wurde die Westminsterkonvention unterzeichnet. Mit dem Vertrag gewann Preußenkönig Friedrich II. England als Bundesgenossen im Kampf gegen Österreich. Der Siebenjährige Krieg begann. An seinem Ende gehörte Schlesien endgültig zu Preußen.

Von Klaus Kühnel | 16.01.2006
    "Majestät, unser Widersacher ist und bleibt Frankreich, vor allem jetzt, da insgeheim die Österreicher mit ihm verhandeln, um es als Bundesgenossen zu gewinnen. Österreichs Gegner ist nach wie vor Preußen, denn Maria Theresia will den Hohenzollern das ihr geraubte Schlesien wieder entreißen und sucht Verbündete zu diesem Krieg. Wir sollten Friedrich Avancen machen, auch wenn wir ihn nicht sonderlich mögen. Die Umstände erfordern es."

    König Georg II. von Großbritannien verfolgte im Herbst 1755 gespannt die Ausführungen seines Ministers, denn der Monarch strebte nach uneingeschränkter Herrschaft auf den Weltmeeren – und Frankreich stand ihm dabei im Weg. Ein weiteres Ziel Englands war es, in Übersee Kolonien zu erobern. Auch hier kam es zu Kollisionen mit den Interessen Ludwigs XV. Krieg lag also in der Luft. Aber zwischen dem französischen König und Preußen gab es Beistands- und Bündnisverträge, die allerdings gerade ausliefen. Auch in Frankreich spürte man den Krieg schon und brauchte Hilfe, weshalb ein Sonderbotschafter mit dem Auftrag nach Berlin gesandt wurde:

    "Preußen ist zur Erneuerung seiner Bündnisse mit Frankreich zu bewegen."

    Aber der Feind stand in den eigenen Reihen und hieß: Marquise de Pompadour. Sie konnte nicht vergessen, dass der Preußenkönig Friedrich II. von ihr sinngemäß gesagt hatte:

    "Die Pompodour ist keine Marquise, sondern eine Hure und der König ihr Spielball."

    Die Mätresse setzte all ihre Reize ein, um die weitere Harmonie zwischen den Königen zu stören. Auch Ludwig XV. selbst war auf den Preußenkönig schlecht zu sprechen, denn der hatte bereits vor Jahren rundheraus ein gemeinsames Vorgehen gegen das Herzogtum Hannover abgelehnt, das damals zu Großbritannien gehörte. König Georg war zugleich Kurfürst von Hannover. Zu dem militärischen Abenteuer war Friedrich nicht einmal mit dem Versprechen zu locken gewesen:

    "Es gibt dabei etwas zu plündern. Die Schatzkammer Englands ist gut gefüllt. Der König von Preußen braucht nur zu nehmen."

    Vollkommen überraschend reiste im September 1755 Georg II. August nach Hannover. Das einzige Ziel seines Besuchs schien ein Galaessen zu sein, das der britische König mit dem Toast eröffnete:

    "Trinken wir auf des Wohl des Königs von Preußen. Seine Majestät leben hoch!"

    Der so umworbene Friedrich fühlte sich dennoch elend. Er sah Preußen von Gegnern umzingelt. Vollends in Panik geriet er, als ebenfalls im Herbst 1755 Großbritannien und Russland einen Bündnisvertrag unterzeichneten, dessen wichtigster Punkt lautete:

    "Für den Kriegsfall stellt der Zar seinem englischen Verbündeten 70 000 Soldaten."

    Das – wusste König Georg II. August – würde Preußen endgültig in seine Arme treiben. Mit der Riesenmacht Russland wollte Friedrich keineswegs in Konflikte geraten. Nicht umsonst kursierte der Satz:

    "Der Preußenkönig fürchtet Russland mehr als Gott. "

    Und in der Tat. Friedrich reagierte wie berechnet: Aus dem Umworbenen wurde ein Werbender. Nun drängte er seinen Unterhändler mit zwiespältigen Gefühlen zum Vertragsabschluss.

    "Die Engländer verlangen, dass ich Frankreich sitzen lasse und mich an dem Ruhm satt esse, ihnen ihr Hannover gerettet zu haben, das mich auch nicht das Mindeste angeht."

    Nun war die Katze aus dem Sack: Friedrich II. hatte erkannt, dass Georg nur deshalb mit ihm liebäugelte, um das verwundbare Hannover vor den Franzosen zu schützten, falls es der überseeischen Gebiete wegen zu einem Krieg mit Frankreich käme. Aber auch Friedrich würde von einem Bündnis mit Großbritannien profitieren:

    "Ein Beistandspakt mit England wird die Russen, meine möglichen Feinde im Osten, an die Kette legen."

    Diese Überlegung ließ Friedrich II. nach London schreiben:

    "Ich glaube, die Sache könnte sich machen, indem der König von England und ich für die Zeit der augenblicklichen bestehenden Wirren einen Neutralitätsvertrag abschlössen, ohne weder die Franzosen noch die Russen zu erwähnen."

    Am 16. Januar 1756 wurde die so lange ausgehandelte Konvention endlich unterschrieben.

    "Beide Staaten verpflichten sich, keiner fremden Macht den Ein- oder Durchmarsch für Norddeutschland zu gestatten."

    Damit schien Hannover vor Frankreich, Preußen vor Russland geschützt. Jetzt konnte es Friedrich wagen, einem österreichischen Angriff zuvorzukommen. Am 29. August 1756 überfielen preußische Truppen das mit Maria Theresia verbündete Sachsen. Der Siebenjährige Krieg hatte begonnen. An seinem Ende wird Schlesien endgültig Preußen gehören.