Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Freie Journalisten
Der getwitterte Arbeitsentzug

"Zeit online" trennte sich kurzerhand von einem freien Korrespondenten, weil dieser auch als PR-Journalist für das Medium "Russland heute" arbeitete. Die Redaktion argumentierte, dass interne Ethikrichtlinien dadurch verletzt würden - und gab es umgehend über Twitter bekannt.

Von Vera Linß | 15.03.2014
    Alles begann mit einem Dialog über Twitter. Am 6. März beklagte sich dort der Leiter des Investigativressorts bei der "WAZ", David Schraven, über den freien Journalisten Moritz Gathmann. Der berichtete unter anderem für "Zeit online" aus Kiew und würde, so die Kritik, nebenbei für "Putins Propagandaorgan Russland heute" arbeiten. Und dann ging alles ganz schnell.
    "Dann bekam ich am vergangenen Samstag, als ich gerade noch in Kiew war, einen Anruf vom stellvertretenden Chefredakteur, der mich darüber informierte, dass dieser David Schraven den CR angeschrieben hat auf Twitter und dass sie nun prüfen müssen, ob sie mit mir weiter zusammenarbeiten können und nach wenigen Stunden bekam ich eine E-Mail, dass unser Arbeitsverhältnis vorerst beendet ist."
    Selbiges ließ Chefredakteur Jochen Wegner auch umgehend die Twitter-Gemeinde wissen. Der Fall war erledigt – zumindest für "Zeit Online". Moritz Gathmann:
    "Ich bin der Meinung, dass es sich da um eine Kurzschlussreaktion handelt. Ich habe der Redaktion auch in einem Gespräch gesagt später, dass ich es für ein richtiges Vorgehen gehalten hätte, dass man mich darüber informiert, dass es dieses Problem gibt und dass man sich aber dann bei meiner Rückkehr nach Berlin mit mir trifft und dass wir dann das Problem besprechen. Ich bin nicht der Meinung, dass man Personalfragen über Twitter klären sollte."
    Anders als für Gathmann, der von der Geschwindigkeit des Prozesses überrascht war, gab es aus Sicht von "Zeit Online" jedoch keinen weiteren Gesprächsbedarf, meint deren Chef Jochen Wegner:
    "Ich wüsste jetzt nicht, was wir in wochenlangen persönlichen Gesprächen noch hätten klären sollen. Das tut mir jetzt persönlich für den Kollegen leid. In dem Fall war es auch auf keinen Fall möglich, die Füße stillzuhalten. Das ist ja das, was vielen Medien immer vorgeworfen wird, dass sie ihre eigenen Fehler nicht transparent machen, aber andere kritisieren. Das wollten wir nicht machen."
    Eigentlich ist die Redaktion von "Zeit Online" zufrieden mit den Artikeln von Moritz Gathmann, der seine Berichte auch an den Tagesspiegel und an Regionalzeitungen verkauft und einen guten Ruf als Journalist hat. Die Nebenbeschäftigung ihres freien Autors bei "Russland heute" wollte man jedoch nicht tolerieren – aus Prinzip.
    "Wir haben da sehr klare Richtlinien, die sind auch verschriftlicht und können wir auch oder wollen wir auch nicht diskutieren."
    Niedergeschrieben sind diese Richtlinien in einem Code of Ethics. Der besagt, dass ein Autor dann über Themen nicht berichten darf, wenn er im selben Bereich PR oder Marketing macht. Das Problem: Diese ethischen Grundsätze lagen bislang bei "Zeit Online" in der Schublade. Moritz Gathmann hat davon erst erfahren, als die Zusammenarbeit bereits beendet war. Deutlich zu spät, wie auch Chefredakteur Jochen Wegner selbstkritisch einräumt. Für Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten Union bei Verdi, weist dieser Konflikt auf das Dilemma hin, dass viele freie Journalisten auf PR-Aufträge angewiesen sind.
    "Die können von ihrer Arbeit schlichtweg nicht leben. Was sollen sie machen. Insofern ist das jetzt vielleicht insofern eine sinnvolle Debatte, als dass dieses Thema noch mal auf den Tisch des Hauses kommt. Weil es ist natürlich ganz einfach mit dem Finger in Richtung derer zu zeigen, die sich für Werbung verkaufen."
    Für Jochen Wegner ist das aber nicht der Punkt. Einzig und allein die inhaltliche Nähe zwischen den Texten sieht er als Problem.
    "Es ist ein Autor, der Geld vom russischen Staat bezieht und für uns über Themen schreibt, die mit dem russischen Staat zu tun haben. Das geht nicht. Es geht nicht darum, dass wir Herrn Gathmann vorwerfen, er hätte einen Spin in seinen Beiträgen gehabt, sondern wir wollen schon den Eindruck vermeiden, dass Redakteure beeinflusst werden durch Geldgeber."
    Seine Zusammenarbeit mit "Russland heute" hat Moritz Gathmann inzwischen beendet. Er selbst räumt ein, dass er dies schon eher hätte tun sollen – vorsorglich. Für "Zeit Online" dürfte er jedoch weiter schreiben, sagt Jochen Wegner, nur nicht über Russland und die Ukraine, das schließt der Ethik Code aus. Dennoch kann Gathmann sein Thema weiter beackern und davon zukünftig auch ohne seinen Job bei "Russland heute" leben, zumindest vorerst
    "Das Problem ist natürlich, dass nicht ständig Revolution in der Ukraine ist. Das heißt, ein freier Journalist, der sich mit diesen Ländern auf lange Zeit beschäftigten will, muss sich Gedanken machen, was macht er in der Zeit zwischen Georgienkrieg 2008 und Ukraine-Revolution 2014. Und da ist die Lage relativ schlecht, würde ich sagen."