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Freihandel mit Kanada
Warum CETA an Parmigiano scheitern könnte

CETA, das EU-Handelsabkommen mit Kanada, steht auf der Kippe. Italien hat angekündigt, es nicht zu ratifizieren. Nach Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio bekräftigte nun Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio das Nein. Traditionelle italienische Produkte würden nicht ausreichend geschützt.

Von Sarah Zerback | 19.07.2018
    Der Schriftzug CETA (Abkürzung für Comprehensive Economic and Trade Agreement, Canada-EU Trade Agreement) wird am 25.10.2016 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) mit einem Beamer auf Container einer Modellbahn-Anlage projiziert.
    Nicht alle Bauern in Italien erfüllen die Auflagen für lokale Spezialitäten, die Exportschutz garantieren. Sie bekommen nun Unterstützung von der Regierung. (dpa / Jens Büttner)
    Prima gli italiani - Italiener zuerst! Das ist das Motto der neuen Regierung, und es soll auch für diejenigen gelten, die all jene Spezialitäten herstellen, auf die das Land so stolz ist. Schon seit Monaten schimpft Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio deshalb auf allen Kanälen über das Abkommen, das den Freihandel zwischen der EU und Kanada neu regeln soll:
    "Welche Vorteile hat Italien letzten Endes von CETA? Ich bin jedenfalls noch nicht überzeugt. Jedes Mal, wenn sie mir gesagt haben, Italien wird sehr profitieren, dann sagen die offiziellen Daten, die bei uns im Ministerium landen, das Gegenteil. Unsere Landwirtschaft wird mit solchen Abkommen bestraft. Und ich als Landwirtschaftsminister kann dazu nicht Ja sagen."
    So Centinaio zu Beginn der Woche im italienischen Fernsehen. Im Blick hat der Minister von der rechten Lega besonders kleine Produzenten traditioneller Klassiker wie Parmesankäse und Parmaschinken. Eigentlich könnten die sich zwar freuen, denn CETA schützt geografische Herkunftsbestimmungen wie Parmigiano Reggiano und Prosciutto di Parma sehr streng.
    Der Schutz lokaler Spezialitäten
    Das Problem: Nicht alle Bauern stellen ihre Spezialitäten auch nach den strengen Voraussetzungen her. Für sie fällt der besondere Schutz beim Export also in Zukunft weg. Ihr Protest wird nun erstmals auch im Palazzo Chigi unterstützt - von Luigi Di Maio, stellvertretender Ministerpräsident und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung.
    "CETA muss noch durchs Parlament, um ratifiziert zu werden, und diese Mehrheit werden wir verweigern. Wir werden es nicht ratifizieren."
    Auch die Weizenexporte Kanadas sind ihm ein Dorn Auge. Obwohl italienische Pastahersteller darauf angewiesen sind. Im Publikum gab es dafür vor einigen Tagen viel Applaus. Geladen hatte die Landwirtschaftsvereinigung Coldiretti. Di Maios Stimme hat Gewicht. Zusammen mit der Lega hat seine Partei die Mehrheit im italienischen Parlament. Schließt er die Reihen hinter sich, wäre das Abkommen damit erst einmal gestoppt. Denn: CETA ist zwar schon seit fast einem Jahr provisorisch, in weiten Teilen in Kraft, muss aber noch von allen 28 Mitgliedsstaaten gebilligt werden.
    "Die anderen Länder machen ihre Arbeit. Es sind wir, die die italienische Wirtschaft verteidigen müssen. Deshalb will ich euch ganz offen sagen: Wenn auch nur einer der italienischen Staatsdiener, die Italien im Ausland repräsentieren, damit weitermachen, unsägliche Verträge wie CETA zu verteidigen, wird er aus seinem Amt entfernt."
    CETA hat italienische Exporte angekurbelt
    "Einen Riesen-Fehler" nennt diesen Kurs der Industrieverband Confindustria. Vizepräsidentin Licia Mattioli fordert die Regierung auf, ihre Entscheidung auf Basis von Wirtschaftsdaten zu treffen und nicht von Gefühlen. Sie rechnet vor: Italien hat im vergangenen Jahr Waren im Wert von 3,7 Milliarden Euro nach Kanada exportiert. Nicht mal ein Prozent davon wäre in Zukunft betroffen. Prominente Unterstützung bekommt sie vom ehemaligen Landwirtschaftsminister Carlo Calenda, inzwischen Mitglied des Partito Democratico:
    "Sie sagen: Wir ratifizieren es nicht. Aber das Abkommen mit Kanada ist doch jetzt schon in Kraft und es funktioniert. Unser Export ist im letzten Jahr um acht Prozent gestiegen. Welchen Sinn macht es, das zu beenden?"
    Fragen, die Calenda in seinem Video bei Facebook auch ganz direkt an Di Maio adressiert. Und keinen Zweifel daran lässt, war er von ihm hält - dem Populisten an der Macht, der auch Arbeits- und Industrieminister ist:
    "Die Dinge müssen angesehen, verstanden, studiert werden. Sie sind hier nicht bei der Truman Show oder einem Wettbewerb für Facebook-Nutzer. Sie sind Minister. Das ist was Anderes, etwas komplizierter. Da muss man entscheiden und nicht nur eine Show machen. Und die Staatsbediensteten, das sind auch nicht Ihre Angestellten, sondern das sind die Angestellten des Staates. Über die können Sie nicht verfügen."
    Ob Di Maio seine Drohung wahrmacht und wann das Abkommen zur Abstimmung ins Parlament kommt - beides ist bislang offen. Der Landwirtschaftsminister hat aber bereits verkündet: Wir haben es nicht eilig.