Dienstag, 23. April 2024

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Freihandelsabkommen
"Abschaffung des Vorsorgeprinzips bei CETA verankert"

Die EU und Kanada haben sich auf das umstrittene Freihandelsabkommen CETA verständigt. Heike Moldenhauer vom Umweltverband BUND kritisierte im DLF, dass dadurch das Vorsorgeprinzip abgeschafft werde. Durch dieses Prinzip können Produkte, die eine Gefahr darstellen, in der EU beschränkt oder verboten werden.

Heike Moldenhauer im Gespräch mit Jule Reimer | 01.10.2014
    Containerschiffe liegen kurz nach Sonnenuntergang im Hafen in Hamburg am Terminal Burchardkai.
    Mit den Freihandelsabkommen sollen auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden (Daniel Reinhardt, dpa)
    Jule Reimer: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Bundesregierung aufgefordert, das zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Freihandelsabkommen CETA nicht zu unterzeichnen, und die Regierung soll auch die Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP stoppen. Beide Abkommen gefährdeten bestehende Umwelt- und Verbraucherschutzstandards in der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion, der Energieversorgung und beim Schutz von risikobehafteten Chemikalien. - Am Telefon begrüße ich Heike Moldenhauer vom BUND. Versuchen Sie doch mal, diese Vorwürfe mit drei Sätzen zu begründen.
    Heike Moldenhauer: Wir haben eine Abschaffung des Vorsorgeprinzips bei CETA jetzt schon verankert. Vorsorgeprinzip ist einer der Grundsätze des EU-Rechts. Vorsorgeprinzip bedeutet, dass Produkte, deren Schädlichkeit noch nicht vollständig erwiesen ist, wo aber Risiken bestehen, verboten oder eingeschränkt werden können. Das ist etwas, was durch CETA auf jeden Fall aufgehoben wird für Gentechnik und für Chemikalien. Das steht jetzt schon im CETA-Vertrag drin.
    Reimer: Die EU-Kommission sagt aber wiederum ihrerseits, sie habe ganz viele Fehler vergangener Abkommen berücksichtigt, zum Beispiel beim Investorenschutz auch die Fehler vergangener Investorenschutz-Abkommen, und es gebe ganz detaillierte Regelungen, die gewährleisten, dass die Gesetzgebung in der Europäischen Union so weiterbestehen kann wie sie ist.
    Moldenhauer: Das ist Unfug. Wir haben wirklich ganz klar eine Abschaffung des Vorsorgeprinzips, ausgehandelt von der EU-Kommission, wo die EU-Kommission Verrat an den eigenen Verträgen begangen hat, und wir haben natürlich überhaupt keine Verbesserung beim Investorenschutz. Da haben wir überhaupt nicht gesehen, dass es Verbesserungen gegeben hat. Auch selbst wenn es Verbesserungen geben würde, würden wir immer noch sagen, Investorenschutz durch Sonderklagerechte für Konzerne dürfen in diesem Abkommen nicht stehen. Wir wollen keine Paralleljustiz für Konzerne haben und wir wollen auch nicht, dass mit diesem Begriff der indirekten Enteignung Druck ausgeübt wird auf jede zukünftige Gesetzgebung. Der Druck würde dadurch ausgeübt werden, dass natürlich immer, wenn strengere Verbraucher- oder Umweltstandards erlassen werden sollten in der EU, die ganzen Parlamente jedes Mal einen Check machen würden, ob sie mit diesen strengeren Standards nicht doch vor ein Investorenschutz-Gericht gezerrt würden.
    Alten Investorenschutzverträge kündigen
    Reimer: Die osteuropäischen Staaten haben wiederum in den 90er-Jahren bereits bilaterale Investitionsschutzabkommen mit den USA abgeschlossen und in denen wird deren Souveränität weit stärker eingeschränkt, als das durch die geplanten Abkommen CETA oder TTIP passieren würde. Das heißt, zumindest die osteuropäischen Staaten sind sozusagen weiterhin einem Druck in diesem Bereich Investorenschutz sehr stark ausgesetzt. Wäre es dann nicht doch sinnvoll, das neue Abkommen zu schließen und ordentlich nachzuverhandeln?
    Moldenhauer: Nein. Es wäre viel sinnvoller, wenn diese ganzen alten Investorenschutzverträge gekündigt werden, und das ist ja auch etwas, was schon in einigen Staaten auf dieser Welt passiert, dass Staaten wie Südafrika und Ecuador sagen, die sehr negative Erfahrungen gemacht haben mit den Investorenschutzklauseln, sagen, wir streichen das ersatzlos.
    Reimer: Das sorgt allerdings dann für erhebliche Verstimmung und die Investoren bleiben weg.
    Moldenhauer: Nicht unbedingt. Ich glaube nicht, dass irgendwelche Investoren dann in osteuropäischen Staaten nicht investiert hätten wegen der Investorenschutzklauseln. Das sind einfach immer Mythen, die gerne gepflegt werden, aber für die es keine Belege gibt.
    "Höhere Standards für Verbraucher und höhere Standards für die Umwelt"
    Reimer: Könnten Sie sich in anderer Form ein Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA vorstellen?
    Moldenhauer: Ja! Wenn es höhere Standards geben würde, natürlich schon. Wir haben ja vor allen Dingen in der EU einige Sachen, die wirklich gut sind, zum Beispiel das Vorsorgeprinzip. Wir haben außerdem stärkere Standards bei gentechnisch veränderten Organismen, nämlich eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt worden sind. Wenn Kanada und die USA das annehmen würden, wäre das natürlich wunderbar. Aber für uns ist natürlich nur eine Richtung akzeptabel: höhere Standards für Verbraucher und höhere Standards für die Umwelt.
    Reimer: Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zu den geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.