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Freihandelsabkommen CETA
Widerstand gegen Alleingang der EU-Kommission

Dass die EU-Kommission das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada ohne die Parlamente in den Mitgliedsstaaten abschließen will, sorgt für Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt sich dagegen, sie will den Bundestag einbeziehen. Die Grünen warnen vor Europaverdruss, wenn die nationalen Parlamente nicht mit abstimmen dürften.

Von Gudula Geuther | 29.06.2016
    Demonstranten mit Schildern, auf denen die Wörter TTIP und CETA durchgestrichen sind
    Protest gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA im Mai in Brüssel (picture alliance / dpa / EPA / Olivier Hoslet)
    Die Zustimmung der nationalen Parlamente zum europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen solle zumindest keine Pflicht sein. Auf diese Entscheidung des Rechtsdienstes der EU-Kommission, die Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mitgeteilt hatte, reagierte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch in der Nacht. Mit Widerspruch, was Deutschland betrifft, aber auch mit einem gewissen Verständnis für die Position der Kommission.
    "Ich hab heute in der Diskussion gesagt, dass es gute Gründe gibt, die nationalen Parlamente damit auch zu befassen, weil es eben auch eine politische Dimension gibt, aber die muss man dann wirklich auch von der rechtlichen unterscheiden. Und deshalb kann ich nicht die Kommission hier an den Pranger stellen und sagen, wenn sie eine Rechtsauffassung hat, dann ist das falsch."
    Die Kommission war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei CETA um ein sogenanntes "gemischtes Abkommen" handelt. Es liege also in der ausschließlichen Kompetenz der Europäischen Union. Das bedeutet, dass zwar in jedem Fall das Europäische Parlament zustimmen muss, aber weder nationale Parlamente noch – soweit innerstaatlich vorgesehen – die Bevölkerung über Referenden. Die Kommission habe viele Freihandelsabkommen abgeschlossen, so Angela Merkel, da sei nie die Frage nach gemischten Abkommen gestellt worden.
    Ein belgisches Parlament will CETA ablehnen
    Im Fall eines anderen Abkommens muss auch der Europäische Gerichtshof über die Frage entscheiden. Auch sonst muss die Kommission nicht das letzte Wort haben. Der Rat der Handelsminister könnte sie überstimmen, allerdings nur einstimmig. Sollte die Parlamentsbeteiligung verpflichtend sein, stünden die Chancen für CETA nicht gut. So hat eines der vier belgischen Regionalparlamente, die dann ebenfalls gefragt werden müssten, sich schon auf die Ablehnung festgelegt. Angela Merkel:
    "Für Deutschland kann ich erklären: Egal, wie das Ganze endet, wir werden den Bundestag um eine Meinungsbildung bitten, damit wir sozusagen auch die Partizipation des Bundestages haben, weil wir das als Unterstützung für unser Votum in Brüssel brauchen."
    Wie immer das dann aussehen könnte. Denkbar wäre etwa eine Entschließung des Parlaments.
    Auch Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte zuvor für den Fall einer solchen Kommissionsentscheidung verkündet, nur mit einem Ja von Bundestag und – in seinem Fall – auch Bundesrat zustimmen zu wollen. Der Opposition in Deutschland genügt das nicht. Sie kritisiert die Entscheidung der Kommission als solche.
    Kritik von Grünen und Linken
    "Herr Juncker hat offensichtlich den Schuss nicht gehört", sagt etwa im Deutschlandradio Kultur der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Die Rechte der nationalen Parlamente würden beschnitten. "Das ist nicht akzeptabel, da genügt auch nicht, wenn in Deutschland der Bundestag mit abstimmen darf. Worum es Herrn Juncker geht, ist offensichtlich: Der Widerstand gegen CETA ist so groß, dass er in vielen Mitgliedsländern sich einen Korb holen würde, und nur weil man sein Ziel durchsetzen will, demokratische Regeln auszuhebeln, erzeugt Europaverdruss."
    Mehr Politikverdrossenheit und Europaskepsis sagt auch Grünen-Chefin Simone Peter voraus. Und Linken-Chefin Katja Kipping twitterte: "Demokratie sieht anders aus." Dagegen hatte Kommissionspräsident Juncker laut Teilnehmern des laufenden EU-Gipfels gewarnt: Sollten EU-Abkommen aus politischen Gründen zur gemischten Zuständigkeit erklärt werden, sei das ein Rezept zur Lähmung der EU.