Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Freihandelsabkommen Ceta
Wirtschaft hält Kritik für unbegründet

Notwendig und sinnvoll - so bewerten viele Wirtschaftsverbände das Freihandelsabkommen Ceta, über dessen Zustandekommen gerade am Bundesverfassungsgericht entschieden wird. Warum die Wirtschaft die meiste Kritik an dem Abkommen für unbegründet hält, erklärt Jule Reimer im Wirtschaftsgespräch.

Jule Reimer aus der DLF-Wirtschaftsredaktion im Gespräch mit Ursula Mense | 12.10.2016
    Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt über Klagen gegen das Freihandelsabkommen Ceta.
    Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt über Klagen gegen das Freihandelsabkommen Ceta. (pa/dpa/Deck)
    Ursula Mense: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute und morgen darüber, ob die Bundesregierung dem Freihandelsabkommen mit Kanada, Ceta, zustimmen darf oder nicht. Die Linke und zahlreiche Gegner des Abkommens wollen in Karlsruhe erreichen, dass das Zustimmungsverfahren gestoppt wird. Ceta, hat ebenso wie TTIP, das Abkommen zwischen der EU und den USA, viele Menschen auf die Straße getrieben. Die Angst, manchmal auch Wut vor diesem unkontrollierbar scheinenden Regelkoloss ist groß und auch laut. Von Seiten der Wirtschaft hat man vergleichsweise wenig dazu gehört. Was hält sie eigentlich von Ceta?
    Jule Reimer: Inzwischen – muss man sagen- hört man mehr dazu, zumindest von Seiten der Verbände und auch von Wirtschaftsforschungsinstituten. Sie vor allem wenden sich gegen den weltweit zunehmenden Protektionismus, also der zunehmenden Tendenz, sich abzuschotten und mit immer mehr Hürden den Handel weltweit zu erschweren. Die Angst vor Freihandelsabkommen ist für sie ein Indiz dafür. Und sie sagen natürlich, das ist eine gefährliche Tendenz, wir brauchen den Welthandel, Deutschland braucht ihn ganz besonders. Die Wirtschaftsverbände begrüßen das Freihandelsabkommen mit Kanada. Der VDMA beispielsweise– der Maschinenbauerverband – bewertet Ceta als gut und essenziell für die Branche. Der BDI kommt sogar zu dem Schluss, dass die meiste Kritik daran unbegründet sei.
    Wirtschaft befürwortet Ceta
    Mense: Wir haben ja gehört: heute wird es in Karlsruhe vor allem, um den Investitionsschutz und die Schiedsgerichte gehen. Ist die Kritik daran aus Sicht der Wirtschaft auch unbegründet?
    Reimer: Ja und zwar vor allem deshalb, weil der ursprüngliche Entwurf in diesem Punkt ja nun geändert wurde und es statt eines traditionellen Schiedsverfahrens ein neuartiges Tribunal mit 15 ständigen Richtern geben wird. – Kleine Randbemerkung: die Kritiker bemängeln genau hier, dass es sich eben nicht immer um Richter handele, sondern um Juristen. Auch der BDI bezweifelt, dass es genügend qualifizierte Richter für viele Fälle geben wird und moniert außerdem, dass die Unternehmen bei deren Auswahl nicht einbezogen werden. So hat natürlich jede Klientel wieder ihre eigene Sicht auf die Sache.
    Grundsätzlich aber bewertet der BDI das Freihandelsabkommen als ambitioniert und umfassend und begrüßt vor allem, dass mit dem Inkrafttreten 99 Prozent der Zölle beseitigt werden. Man geht davon aus, dass mit Ceta die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU enorm steigt. Und insofern ist natürlich ein erfolgreicher Abschluss des Abkommens für die Wirtschaft wichtig.
    Richter in Karlsruhe wägen ab
    Mense: Ob es dazu kommt, darüber müssen nun die Verfassungsrichter entscheiden. Wie wird das Prozedere aussehen?
    Reimer: Heute wird voraussichtlich bis zum späten Nachmittag verhandelt. Die Richter werden sich einen Eindruck darüber verschaffen wollen, was nach der geplanten Unterzeichnung am 27. Oktober passiert, wenn Ceta vorläufig anwendbar sein soll. Denn möglicherweise könnte der Freihandel dann schon einmal in Gang kommen, ohne eine spätere Zustimmung des Bundestages und des EU-Parlaments. Es handelt sich also darum abzuwägen: ist es besser, wenn Deutschland jetzt nicht zustimmen darf, das Hauptsacheverfahren den Vertrag aber später für verfassungskonform erklären könnte oder wenn die Richter zunächst sagen, die Bundesregierung darf zustimmen