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Freihandelsabkommen
TTIP in Bedrängnis

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält die Gespräche über das transatlantische Freihandelsabkommen für "de facto gescheitert". Frankreich setzt jetzt noch einen drauf und will die Verhandlungen stoppen. Die USA zeigten sich irritiert - sie wollen die Verhandlungen weiterführen.

30.08.2016
    Proteste gegen TTIP in Paris
    Wie in Deutschland stehen in Frankreich die TTIP-Verhandlungen schon lange in der Kritik (AFP / Betrand Guay)
    "Es gibt für diese Verhandlungen keine politische Unterstützung Frankreichs mehr", sagte Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl dem französischen Radiosender RMC. Frankreich wolle im kommenden Monat die EU-Kommission auffordern, die Verhandlungen zu stoppen; man sei für einen "Neustart", zitiert Reuters den Politiker.
    In Frankreich wachsen seit Monaten die Zweifel daran, dass TTIP zustande kommt; Präsident François Hollande hatte im Mai damit gedroht, das Abkommen abzulehnen. Sein Land werde "niemals akzeptieren, dass die Grundprinzipien für unsere Landwirtschaft, unsere Kultur, für die Gegenseitigkeit beim Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Frage gestellt werden", hatte der Präsident gesagt.
    Fekl erklärte damals bereits, ein Stopp der Gespräche scheine "die wahrscheinlichste Option" zu sein. Grund sei "die derzeitige Einstellung der USA". Europa schlage viel vor und bekomme im Gegenzug "kaum etwas".
    Irritationen in Washington
    Am Wochenende hatte auch der deutsche Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel die TTIP-Verhandlungen für "de facto gescheitert" erklärt. Im ZDF-Sommerinterview begründete auch er dies mit der Verhandlungslinie der USA. Man dürfe sich nicht "als Europäer den amerikanischen Forderungen unterwerfen".
    Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), hier bei einer Kabinettssitzung im Berliner Kanzleramt am 03.08.2016
    Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD): TTIP-Verhandlungen sind "de facto gescheitert" (imago stock&people)
    Heute bekräftigte Gabriel diese Haltung und gab die Schuld den Vereinigten Staaten. "Ich glaube, dass die Amerikaner TTIP aktiv beendet haben", sagte er in Berlin, ohne allerdings Motive zu nennen.
    Der Minister handelte sich mit seinen Äußerungen Kritik von Wirtschaftsverbänden ein. Die Verhandlungen seien "noch nicht gescheitert", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, im Deutschlandfunk. Gabriel sei gut beraten, sich für die Interessen der Wirtschaft einzusetzen.
    Italien will am Abkommen festhalten
    Auch die US-Regierung reagierte irritiert auf die in Deutschland und Frankreich geäußerten Zweifel. Der Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman sagte "Spiegel Online", die Verhandlungen machten "in Wahrheit ständig Fortschritte". Es liege in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart sei, bis alles vereinbart sei. Das Präsidialamt in Washington teilte mit, Froman werde Mitte September nach Europa reisen. Dabei würden hoffentlich weitere Fortschritte erzielt werden können.
    Auch Italien hält an TTIP fest. Handelsminister Carlo Calenda erklärte, die Verhandlungen dauerten zwar länger als geplant. Aber: "Das Abkommen wird geschlossen. Das ist unausweichlich."
    (bor/am)