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Freiheit für die Forschung

Das Wissenschaftsfreiheitsgesetz soll außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen "deutlich mehr Eigenständigkeit und Flexibilität in ihrer Wirtschaftsführung" ermöglichen und überflüssige Regularien abschaffen. Doch nicht alle Fraktionen sind mit der Vorlage zufrieden.

Von Jürgen König | 29.06.2012
    Das "Wissenschaftsfreiheitsgesetz" sei nötig, um Deutschland zum international wettbewerbsfähigen Wissenschaftsstandort zu machen, sagte Bundesbildungs- und -forschungsministerin Anette Schavan, CDU. Mit dem Prinzip der "Globalhaushalte" könnten außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zukünftig ihre Finanzmittel im Haushaltsplan auf Folgejahre übertragen, Baumaßnahmen in größerer Selbstständigkeit durchführen, Gehälter frei aushandeln, sie auch mit privat finanzierten Drittmitteln aufstocken – all dies sei wichtig, um internationale Spitzenwissenschaftler nach Deutschland zu locken und die Abwanderung hoch qualifizierter Forscher zu verhindern, gleichzeitig werde das Gesetz Beteiligungen von Wissenschaftseinrichtungen an Unternehmen im In- und Ausland unkomplizierter machen. Sagte Frau Schavan und appellierte an die Länder, sich von dem neuen Gesetz inspirieren zu lassen.

    "Auch die Länder sollten keine Angst haben vor mehr Selbstständigkeit, mehr Eigenverantwortung ihrer Hochschulen: Das wird die Voraussetzung dafür sein, dass das, was öffentlich zu Recht gefordert wird, auch tatsächlich möglich wird, dass auch die Internationalisierung in den Hochschulen in Deutschland positiv sich entwickeln kann in den nächsten Jahren."

    Sprecher der SPD und der Grünen sprachen sich für das Gesetz aus, mahnten aber Korrekturen an. Die parlamentarische Kontrolle der öffentlichen Mittel müsse gewährleistet werden, wandte Klaus Hagemann, SPD ein und warnte auch vor einem "Niedriglohnsektor in der Spitzenforschung", ein Gedanke, den auch sein Parteifreund Swen Schulz aufgriff.

    "Gemeinsam wollen wir den außeruniversitären Einrichtungen mehr Handlungsfreiheit ermöglichen, damit sie nicht durch Bürokratisierung und Vorschriften unnötig eingebremst werden. Ein Beispiel ist die Möglichkeit, Spitzenwissenschaftler auch außerordentlich gut zu bezahlen. Das ist soweit in Ordnung. Doch wir sagen auch, dass die Freiheit nicht so weit gehen darf, dass etwa Nachwuchswissenschaftler schlecht behandelt werden dürfen."

    Gerade den jungen Wissenschaftlern müsse nach ihrer Qualifikationsphase eine Perspektive geboten werden, um Familie und Beruf vereinbaren zu können; die öffentlich finanzierten Einrichtungen, so Swen Schulz, müssten "immer gute Arbeitgeber" sein.

    "Wir fordern die Erhöhung des Anteils unbefristet beschäftigten Personals, Zielvereinbarungen mit den Forschungseinrichtungen und die Aufhebung der Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz."

    Petra Sitte von der Linkspartei kritisierte das Verschwinden von Stellenplänen, Globalhaushalte seien im übrigen nicht neu, mit den solcherart "deregulierten Hochschulen" hätte man schlechte Erfahrungen gemacht. .

    "Dort ist Autonomie eingeräumt worden, allerdings nicht mit einem Mehr an Demokratie. Und das hat zu intransparenten und einseitigen und ungerechten Entscheidungen über die hochschulinterne Ressourcenverteilung geführt. Und hat sich nicht auch gezeigt in diesem Zusammenhang, dass es damit eben auch zur Beschneidung von Wissenschafts- und Lehrfreiheit kam? Und dass umgekehrt sich auch die Situation von Lehrenden und Studierenden verschlechtert hat? Studierende oder wissenschaftlicher Nachwuchs haben so gut wie keine Stimme in den gewählten Gremien."

    Den Vorwurf mangelnder parlamentarischer Kontrolle mochte Eckhardt Rehberg von der Unionsfraktion nicht gelten lassen. Es ginge ja gerade darum, Kontrolle abzugeben.

    "Wir übertragen, wir vertrauen den Forschungseinrichtungen, dass sie mit dieser Freiheit auch verantwortlich umgehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn hier jetzt gefordert wird an verschiedenen Stellen, dass bestimmt Dinge jetzt normiert werden müssten, dann muss ich sagen, dann kann man sich das Thema Globalhaushalt, Überjährigkeit, keine Stellenpläne – dann kann man das lassen! Ich kann nicht auf der einen Seite sagen: Ich will Freiheit und auf der anderen Seite gleich mit dem Finger auf die Forschungseinrichtungen zeigen und ihnen unterstellen, dass sie das nicht verantwortlich tun wollen."

    Es war alles andere als eine hektische Debatte. Dass der Bundestag das Wissenschaftsfreiheitsgesetz verabschieden wird, gilt als sicher.