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Freilandhaltung von Schweinen in Ostfriesland

Es sieht aus wie pures Schweine-Glück: Zehn propere Ferkel springen auf der Wiese neben der Muttersau her. Zwanzig rosa Ohren wippen in der kalten Wintersonne. Landwirt Johannes Erchinger:

Von Annette Laug | 14.02.2005
    Alle Ferkel werden jede halbe Stunde gesäugt, die machen jetzt Terror, wollen, dass die Mutter sich hinlegt und sie säugt.

    Zur Zeit leben etwa 500 Ferkel sowie 150 Sauen und 13 Eber auf den Wiesen im ostfriesischen Leer. Sie haben Platz zum Suhlen und Wühlen. Nur: Ställe gibt es nicht. Allein Sauen mit neugeborenen Ferkeln bekommen eine Hütte. Eine graue Spanplatten-Konstruktion, so groß wie ein Ein-Mann-Zelt.

    Wenn Sie die Hand in die Hütte reinhalten merken Sie, wie schön warm das ist. Die ist unten mit Stroh ausgestreut und isoliert, die Seitenwände sind mit Styropor verstärkt. Und die Sau weiß, dass sie die Hütte auf Temperatur halten muss. Und im Winter sind die fast nur in der Hütte, um das Ding warm zu halten.

    Doch die Eber - und die Sauen, die gerade keine Ferkel großziehen - haben keinen Wetterschutz. Das kann ein Problem sein, sagt Dr. Hans-Gerd Brunken, Referent für Schweinehaltung bei der Landwirtschaftskammer Weser Ems:

    Jede Sache hat auch zwei Seiten: Wenn wir eine Außenhaltung haben, dann haben wir viele Monate im Jahr, wo es sehr tiergerecht für das Hausschwein ist. Aber im Winter oder bei sehr hoher Feuchtigkeit gibt es auch Phasen, die nicht so tiergerecht sind.

    Johannes Erchinger aber hat die Erfahrung gemacht, dass seine Schweine gesünder sind als Stalltiere. So gesund, dass er weniger für Tierarzt und Medikamente ausgeben muss. Vor allem Atemwegserkrankungen und Durchfall seien seltener. Erchinger hat sich vor acht Jahren für die Außenhaltung der Schweine entschieden, weil er sich wirtschaftliche Vorteile versprach: Für ihn war vor allem günstig, dass er zwar stabile Zäune, aber keine teuren Ställe bauen musste:

    Der große Vorteil besteht darin, dass wir bei den Baukosten nur 20 Prozent der üblichen Kosten haben. Der größte Kick steckt in den Investitionskosten und der Flexibilität bei diesem System. Die weiteren Vorteile liegen für uns in der Arbeitsqualität. Wir lieben es, draußen in der freien Natur zu arbeiten. Und es ist auch ein bisschen Spannung dabei, wie das Jahr so wird, denn man muss sich doch den Unbilden der Natur aussetzen. Aber das ist auch ein Reiz für uns.

    Diesem Reiz erliegen nur wenige Schweinehalter. In Niedersachsen setzt beispielsweise nur etwa ein Prozent der Betriebe auf Freilandhaltung - Tendenz eher sinkend, sagt Dr. Brunken

    Die Frage nach dem warum ist unter anderem mit dem Bedarf der Fläche zu beantworten. Wir haben eine Düngeverordnung die vorschreibt, dass bestimmte Nährstoffgehalte pro Hektar nicht überschritten werden dürfen. Und die schränken auch die Zahl der Sauen pro Hektar ein. Im Durchschnitt geht man heute von einer Zahl von 15 Sauen pro Hektar aus.

    Viel Fläche ist eine Voraussetzung, damit sich Freilandhaltung rechnet. Die zweite: Billige Arbeitskräfte. Bei der Freilandhaltung kann kaum etwas automatisiert werden. Schon allein das tägliche Füttern ist aufwendige Handarbeit, weil die Schweine auf verschiedenen Weiden stehen. Auf Außenstehende wirken die Schweine auf den Wiesen wie eine längst vergessene Bauernhof-Idylle. Doch es herrschen die knallharten Gesetze des Marktes: Zehn Wochen bleiben die Ferkel auf der Weide, dann haben sie die 30-Kilo-Marke erreicht und werden an einen herkömmlichen Mäster weiterverkauft. Turnusgemäß ferkeln alle drei Wochen 25 Sauen ab.

    Die älteste Sau hat 16 Mal geworfen. Das Kriterium ist: Wer zweimal weniger als acht Ferkel großzieht, der hat sein Leben verwirkt. Das ist die ökonomische Realität.

    Bis es soweit ist, führen die ostfriesischen Freiland-Schweine ein friedliches Leben in der Großfamilie. Johannes Erchinger kennt seine Tiere - und sie ihn. Sobald er über den Weidedraht steigt und auf die Wiese steht, kommen sie neugierig näher, schnüffeln und grunzen.

    Wir müssen jeden Tag rein um zu zählen, ob alle okay sind. Und da gibt es ein, zwei Sauen, die müssen einen eben kurz rüffeln und gehen dann zurück. Das ist so der Kontakt nach dem Motto: Du hast uns Futter gebracht, dann kriegst Du auch einen kleinen Knutscher zurück.