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Freistaat Sachsen
Musikalische Leuchttürme im Einsparungssturm

Gleich zwei Produktionen aus dem Freistaat Sachsen stehen für ausgezeichnete regionale Orchester, die bisher wie kleine, robuste Leuchttürme jeden Einsparungs-Sturm der Kulturpolitik überstanden haben. Die sächsische Bläserphilharmonie aus Bad Lausick und die Elbland Philharmonie Sachsen.

Von Georg Waßmuth | 25.01.2015
    Verschiedene Blechblasinstrumente
    Die Sächsische Bläserphilharmonie ist ein Solitär in der deutschen Orchesterlandschaft. (picture-alliance/ dpa / Patrick Seeger)
    Einmal tief Luft holen und dann geht es mit Verve durch das Vorspiel zum 3. Akt der Oper "Lohengrin" von Richard Wagner.
    Richard Wagner – "Lohengrin" Vorspiel zum 3. Akt
    Sehr gut durchlüftet und spielfreudig präsentierte die Sächsische Bläserphilharmonie unter der Leitung ihres Chefdirigenten Thomas Clamor das Vorspiel zum 3. Akt der Oper "Lohengrin" von Richard Wagner in einem Arrangement von Siegmund Goldhammer.
    Die Produktion "Saxony" ist beim Label Genuin in Leipzig erschienen und durchweg Komponisten aus diesem Kulturraum gewidmet. Neben Richard Wagner sind das Felix Mendelssohn-Bartholdy und Johann Sebastian Bach.
    Die Sächsische Bläserphilharmonie ist ein Solitär in der deutschen Orchesterlandschaft. Sie wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als "Rundfunk Blasorchester" in Leipzig gegründet und gehörte mit ihrem breiten Repertoire von der leichten Unterhaltung bis zur sinfonischen Bläsermusik schnell zu den Favoriten der Hörerinnen und Hörer. Das Aus für das Ensemble kam im Jahr 1991. Nach Wende und Wiedervereinigung wurde auch der Mitteldeutsche Rundfunk umstrukturiert und die Musiker erhielten ihre Kündigung. Doch die Sachsen ließen sich sprichwörtlich nicht den Wind aus den Segeln nehmen und suchten mit beispielhaftem Engagement neue Trägerstrukturen. Heute wird die Sächsische Bläserphilharmonie durch den Freistaat gefördert und hat neben Konzert- auch umfangreiche pädagogische Aufgaben übernommen.
    Was ist nun das ganz Besondere an diesem Ensemble? Außer einem einzigen Kontrabass sind nur Bläser in der großen Windmaschine beschäftigt. Beginnend mit zwei Querflöten und einer Oboe über ein halbes Dutzend Klarinetten, einem Fagott und dem gesamten Blech jeweils in Quartett-Formation geht es über Flügel- und Tenorhörnern hinunter im Klangspektrum zum Baritonhorn und den zwei großen Tuben. Eine kleine Schlagwerkbatterie rundet die Besetzung ab. So kommt die Sächsische Bläserphilharmonie auf 34 professionell besetzte Positionen, die äußerst differenziert und harmonisch miteinander agieren. Die Sachsen können aber auch den Lautstärkeregler bis zum Anschlag aufdrehen und den großen Hammer aus der Instrumenten-Kiste ziehen.
    Brünnhilde und ihre sieben Schwestern jagen so im wilden Walkürenritt vorbei.
    Richard Wagner –" Walkürenritt"– Finale
    Die Sächsische Bläserphilharmonie spielte unter Thomas Clamor einen Ausschnitt aus dem "Walkürenritt" von Richard Wagner in einer Fassung, die Siegmund Goldhammer mit feinem Gespür für die reizvollen Möglichkeiten dieser Besetzung realisiert hat. Die CD mit dem Titel "Saxony" ist beim Label Genuin in Leipzig erschienen und von dem kleinen Team ganz ausgezeichnet produziert worden.
    Mit einem weiteren Silberling macht die Elbland Philharmonie Sachsen auf sich aufmerksam. Das Ensemble formierte sich erst Anfang 2012 unter neuem Namen und ist geradezu ein Paradebeispiel für die Umwälzungen in der deutschen Orchesterlandschaft. Die Bevölkerung im Freistaat Sachsen ist seit der Wiedervereinigung um mehr als 15 Prozent gesunken. Die Politik reagierte auch mit einem "Kulturraumgesetz" und gab strenge Vorgaben. So kam es unter anderem dazu, dass aus drei ehemals eigenständigen Orchestern die Elbland Philharmonie Sachsen geformt wurde. Viele Planstellen gingen unwiederbringlich verloren. Nicht ganz freiwillig musste man auch auf Teile des Gehalts verzichtete und zähneknirschend einem Haustarifvertrag unterschrieben.
    Die Töne die man vom neuen Fusionsorchester hört klingen zwar etwas verhalten, aber sie sind eben auch betörend schön.
    Richard Wagner "Träume" aus den Wesendonck-Liedern
    Die Elbland Philharmonie Sachsen spielte unter der Leitung von Christian Voß die "Träume" aus den "Wesendonck-Liedern" von Richard Wagner. Solist war der vorzügliche Geiger Jacob Meining.
    "Ein Wagner-Abend in Graupa" hat die Elbland Philharmonie Sachsen ihre Produktion überschrieben. Für die Aufnahmen hat sich das Orchester ins Jagdschloss Graupa begeben. Dort ließ Richard Wagner seinen kreativen Prozess gerne von frischer Landluft anregen. Neben der sehr schönen Klangrede des Orchesters nimmt noch ein weiterer Aspekt für diese Aufnahme ein. Kaum jemand kennt noch die Wagner-Bearbeitungen des Komponisten Engelbert Humperdinck.
    Der Schöpfer des Opern-Dauerbrenners "Hänsel und Gretel" war ein bedingungsloser Wagnerianer. Er assistierte dem Meister lange Zeit in der Villa Wahnfried und schuf lange vor der Erfindung von Grammphon und Schallplatte einige sehr schöne Wagner-Bearbeitungen für kleinere Besetzung, um das Oeuvre in den unterschiedlichsten Zusammenhängen vorführen zu können. So entstand auch eine Spezial-Fassung des Bühnenweihfestspiels "Parsifal" für zwei Klaviere und kleines Orchester, um zumindest die Schönheit der Orchestervor- und Zwischenspiele zu präsentieren. Humperdinck verneigt sich tief vor dem Denkmal "Richard Wagner" zeichnet jedoch durchaus mit eigener Handschrift seine Fassung.
    Richard Wagner / Engelbert Humperdinck – Parsifal – Vorspiel zum 3. Aufzug
    Die Elblandphilharmonie Sachsen unter der Leitung von Christian Voß spielte einen Ausschnitt aus dem Vorspiel zum 3. Aufzug aus dem Bühnenweihfestspiel "Parsifal" von Richard Wagner in einer Fassung von Engelbert Humperdinck.
    Die CD "Ein Wagner-Abend in Graupa" ist bei Ton & Bild digital erschienen und wird über die Homepage der Elbland Philharmonie Sachsen vertrieben.
    Ein herrlich auf der grünen Wiese ausgeführtes "Siegfried-Idyll" von Richard Wagner und als Weltersteinspielung eine exzellente "Tristan und Isolde-Bearbeitung" von Engelbert Humperdinck runden diese
    Produktion ab.
    Die Spielkultur der sächsischen Musikerinnen und Musiker zu loben bedeutete geradezu "Eulen nach Athen" zu tragen. In ihrem ureigenen Repertoire bewegen sich die Künstler mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit. Auch wenn die Ensemble in den letzten beiden Jahrzehnten durch zahlreiche Kultur-Gewitter ziehen mussten, ihren künstlerischen Anspruch haben sie keineswegs verloren. Regional ist ja manchmal auch Trumpf – das kann man bei diesen beiden Produktionen durchweg behaupten.
    Zum Abschluss spielt die Sächsische Bläserphilharmonie "ihren" Bach.
    Der barocke Meister aus Leipzig hätte mit Sicherheit seine Freude an dem herrlichen Gebläse.
    Johann Seb. Bach – Orchester Suite NO. 3 (BWV 1068) – Bourrée
    CDs:
    "Saxony", Sächsische Bläserphilharmonie, Thomas Clamor, Dirigent
    Label: Genuin, Labelcode: 12029, Bestellnummer: 6586200
    "Ein Wagner Abend in Graupa", Elbland Philharmonie Saschen, Christian Voß, Dirigent
    Label: Ton & Bild digital, Labelcode: 05699