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Freizeitpark Alpen (1/5)
Mehr Chinesen und James Bond für Sölden

Sölden, einst ein Bergbauerndorf, ist mit einer Million Übernachtungen pro Winter einer der Top-Skiorte Österreichs. Doch allmählich bleiben die Deutschen aus. Sind die Grenzen des Wachstums erreicht? Ein hiesiger Seilbahnbetreiber sieht noch Potenzial. Er braucht dafür James Bond. Und mehr Chinesen.

Von Antonia Kreppel | 22.01.2018
    Daniel Craig, James-Bond-Darsteller im Film "Spectre", vor Tiroler Alpenkulisse im österreichischen Sölden
    James Bond (derzeit verkörpert von Daniel Craig) ist in Filmen immer wieder durch die Alpen gebrettert, zuletzt 2015 in Sölden für den Film "Spectre" (AFP / Joe Klamar)
    Im trüben Morgenlicht wirkt das Après-Ski-Restaurant "Die Alm" an Söldens vielbefahrener Hauptstraße fast ein wenig schäbig. Draußen schmutziggrauer Schneematsch, innen fahle Brauntöne. Die Kellnerin aus Berlin trägt abgewetzte Lederhosen. Der Küchenchef aus Wien hat Stress; es herrscht Personalmangel.
    "Es gibt immer weniger, die ins Gastgewerbe gehen, wegen die Arbeitszeiten, wegen Feiertag- und Wochenend-Arbeiten. Es san halt viele Ungarn, Tschechen da, und die Jugend von heute ist halt nimmer so, dass man solange arbeiten tut."
    220 Sitzplätze in Almkulisse, auf Barhockern "Modell stramme Bergsteigerbeine": "Am Abend brummt der Laden", sagt der Koch. Jetzt sind die Skifahrer auf der Piste.
    Man sollte die Natur mal ruhen lassen, sagt ein Skifahrer
    Die Talstation der Gaislachkogelbahn am Ende des Straßendorfs wirkt wie eine Mischung aus Bahnhofshalle und Einkaufszentrum. Rolltreppen führen zu den Gondeln; in nur zwölf Minuten geht es dann auf 3.000 Meter Höhe.
    Zwischen riesigen Stahlpfeilern, blinkender Pistentafel und Outlet-Einkaufscenter steht ein älteres Paar in Skimontur. Es stinkt nach Diesel. Noch einmal hinauf oder nicht, scheint sich das Ehepaar aus Zürich zu fragen.
    Mann: "Ich bin eigentlich zufrieden mit dem Angebot da. Aber was mich stört: In Sölden hat es sehr viel Verkehr."
    Frau: "Alle kommen mit dem Auto, da kann man nichts machen."
    Mann: "Als Gast ist es natürlich schon gut, wenn immer mehr und mehr, aber irgendwo muss eine Obergrenze sein. Man muss Skigebiete verbinden, und das sind immer teure Investitionen, und das macht's nicht billiger, das macht's immer nur teurer. Ich denke, es ist nicht unbedingt notwendig, man sollte mal einen Stopp machen und die Natur ruhen lassen. Das bringt mehr Qualität."
    Zwei Gletscherskigebiete, 146 Pisten-Kilometer, 40 Seilbahnen, fast zwei Millionen Übernachtungen jährlich – Sölden ist ein Tourismusort der Superlative. Und dabei soll es bleiben, selbst wenn die anderen nachziehen.
    James-Bond-Themenpark auf 3.000 Meter geplant
    Ein Plakat wirbt für das jüngste Tourismusprojekt Söldens: "007 Elements". Hoch oben auf 3.000 Meter soll eine James-Bond-Erlebniswelt entstehen; neben dem Bergrestaurant Ice Q, das 2015 als Kulisse für den Bond-Film "Spectre" diente. Seitdem kennen es hunderte Millionen Menschen.
    Der Mastermind des Söldener James-Bond-Fiebers, auch Herr der drei Söldener Seilbahnen, wohnt nur ein paar hundert Meter weiter im 5-Sterne-Etablissement seiner Schwester. Jakob Falkner, von vielen Jack genannt, empfängt in der dämmrigen Hotelbar: unkompliziertes offenes Auftreten, schlicht gekleidet in Jeans und Pullover. 1956 ist er hier geboren; zehn Jahre war er alt, als die Gaislachkogelbahn, damals die höchste Seilbahn Österreichs, feierlich eröffnet wurde. Jetzt soll die Marke James Bond Sölden weltweit toppen – so die Marketing-Sprache.
    "Die Kunden werden in die James-Bond-Welt eintauchen auf der einen Seite, aber andererseits auch lernen, wie manche Szenen entstehen und ein Hintergrundwissen dazu bekommen. Der Berg wird eigentlich größer, als wie er war: Wir sind auf zwei Ebenen mit 1.300 Quadratmetern. Ich glaub, das Gesamtpaket, schnelle Auffahrt mit zwei modernen Bahnen, eine sehr moderne Installation, ein wunderschönes Panorama, eine Weltmarke wird dafür sorgen, dass das für den Kunden unheimlich interessant sein wird."
    Die Chinesen lieben James Bond, sagt der Seilbahnbetreiber
    Jakob Falkner lehnt sich aus der Tiefe des Clubsessels jetzt weit vor. Er will Sölden für den asiatischen Markt öffnen; die Chinesen lieben James Bond, schwärmt der Vollblut-Touristiker. Deutschland war bisher der größte Markt, doch die Zahl deutscher Urlauber nimmt stetig ab:
    "In Deutschland gibt's immer wenige Deutsche, der Anteil der Migranten oder mit Migrationshintergrund ist immer höher. Also, das ist eigentlich eine ganz ganz logische Entwicklung neben gesellschaftlichen Veränderungen, dass heute vielleicht junge Leute nicht mehr wie früher selbstverständlich zum Skifahren oder Snowboarden kommen."
    Sölden ist bestens für Skifahrer erschlossen - und soll mit dem Gebiet um den Pitztaler Gletscher zum weltgrößten zusammenhängenden Gletscherskigebiet vereint werden
    Sölden ist bestens für Skifahrer erschlossen - und soll mit dem Gebiet um den Pitztaler Gletscher zum weltgrößten zusammenhängenden Gletscherskigebiet vereint werden (picture alliance / dpa / EPA / Christian Bruna)
    Wie viel Tourismus verkraftet Sölden noch, fragen Kritiker. Es ist noch nicht lange her, da verkauften drei angesehene Familienunternehmen ihre Hotels an russische Investoren, weil sie sich überfordert fühlten und ihre Kinder nicht mit dem arbeitsintensiven Tourismusgeschäft belasten wollten. Jakob Falkner kennt das Problem, was den Macher aber nicht aufhält:
    "Und vor allem wenn ich mir heut anschau, wie die Leute leben in den Tälern und wie's früher war, da muss man das schon mal schätzen. Also, ich bin sehr sehr dankbar, und sag' das mit innerer Überzeugung. Wir haben unglaublich viele Möglichkeiten noch vor der Haustüre, wo Gäste viel Geld bezahlen, dass sie bei uns sind."
    "Ich bin gezwungen, die Kundenerfordernisse zu erfüllen"
    So rüstet Sölden weiter auf: Getreu dem Motto Sport und Unterhaltung hat die Gemeinde unlängst den Betrieb eines Bordells genehmigt. Und noch mehr Pisten sollen erschlossen, Gipfel miteinander verbunden werden. Es ist geplant, die beiden Skigebiete Sölden und Pitztaler Gletscher zum weltgrößten zusammenhängenden Gletscherskigebiet zu vereinen. "Weitere sensibelste Gletscherflächen werden tiefgreifend verändert und der intensiven Tourismusnutzung preisgegeben werden" warnen WWF, Alpenverein und Naturfreunde Österreichs.
    Für Jakob Falkner scheint alles nur ein Spiel der Zahlen:
    "Wir haben Ende 2015 eingereicht, 7.500 Seiten, mit 650 Plänen und 32 Gutachtern, wir haben dann letztes Jahr 253 Seiten Nachforderungen bekommen, dann wird es in beiden Gemeinden aufliegen und dann sollte es innerhalb neun Monaten eine UVP, also Umweltverträglichkeitsprüfung geben. Und dann hoffen wir natürlich, dass wir einen positiven Bescheid bekommen. Die Schneesicherheit ist natürlich ein springender Punkt, und das wird uns für die Zukunft sicher sehr helfen."
    Ein Teufelskreis: Der Gast will Schnee und Ruhe; Unterhaltung und Natur. Mehr Gäste bringen mehr Geld und mehr Lärm. So ist eine verkehrsberuhigende Untertunnelung Söldens bereits angedacht. "Ich bin gezwungen, die Kundenerfordernisse zu erfüllen", resümiert Jakob Falkner am Ende des Gesprächs. Auf die Stopptaste drücken, das kann nur der Berg.