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Freund statt Berater

In den 90er-Jahren studierten beide gemeinsam an der Universität in Mainz Theologie. Seitdem sind Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz und Holger Schlageter, Leiter eines psychologischen Instituts in Wiesbaden, Weggefährten und Freunde.

Von Ludger Fittkau | 24.03.2011
    Die Uni Mainz – eine kaum genutzte Ecke der Bibliothek. Dort, wo dicke Bücher zum Kirchenrecht in den Regalen stehen, die selten jemand in die Hand nimmt. Dort kommen sie zum ersten Mal ins Gespräch, Anfang der 90er. Die beiden Theologiestudenten Julia Klöckner und Holger Schlageter. Die dicken Wälzer sind bald zweitrangig:

    "Und dann haben wir im Endeffekt mehr Kaffee getrunken als gelernt, was aber den Noten jetzt keinen Abbruch getan hat."

    Die Freundschaft, die damals begann, hält bis heute. Obwohl Julia Klöckner heute fast rund um die Uhr arbeite und mit ihrem Engagement an die Grenzen ihrer Kräfte gehe, vergesse sie nie einen Geburtstag ihrer Freunde, erzählt Holger Schlageter anerkennend.

    Er leitet heute ein psychologisches Institut in Wiesbaden.
    Wenn Julia Klöckner "Landesmutter" von Rheinland-Pfalz würde, würde die beiden nur eine Brücke über den Rhein trennen. Dennoch sähe er sie wahrscheinlich noch weniger als in den letzten Jahren, in denen sie in Berlin arbeitete, vermutet Holger Schlageter.

    Er wäre kein guter Freund, wenn er nicht auch ein bisschen Wahlkampf für die CDU-Spitzenkandidatin machen würde. Der smarte ehemalige Priesterseminarist, der eine Zeit lang in den USA lebte, ist medienerfahren.

    Er lobt ihre Offenheit, ihre Fähigkeit, in langen Gesprächen Dinge abzuwägen und dann klar zu entscheiden. Dass sie den zurückgetretenen Verteidigungsminister zu Gutenberg auch auf dem Höhepunkt der Plagiatsaffäre noch als "Freund" bezeichnete, zu dem man stehen müsse, findet Schlageter gut. Er berät selbst auch Politiker, aber Julia Klöckner, so betont er, gibt er keine Ratschläge. Sie sei eben eine Freundin, auch von ihr wolle er keine Ratschläge bekommen. Im Gespräch wird schnell klar: Was die beiden verbindet, ist unter anderem ihre streitbare Geschichte mit der katholischen Kirche. Er war in seiner Jugend Priesterseminarist, ist dann kein Pfarrer geworden, sie sitzt bis heute im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Julia Klöckner sei Anfang der 90er-Jahre oft bei den jungen Männern im Priesterseminar gewesen und habe mit ihnen über moderne Strömungen in der Theologie diskutiert, erinnert sich Schlageter:

    "Die feministische Theologie war ja zu unserer Studienzeit damals mit eine der heiß begehrten Neuentwicklungen in der Theologie. Das, was jetzt im gesellschaftlichen Diskurs angekommen ist, ist ja in den 70er, 80er, 90er-Jahren in der Theologie kultiviert worden. Vor 2000 war das Theologiestudium auch wesentlich liberaler und von Laientheologen mehr geprägt, als das heute der Fall ist. Wir haben ja heute eher wieder einen Schritt zurück. Und das freie Denken, auch die Befreiungstheologie, die ja aus den Armengebieten Brasiliens kommt und dort ne ganz andere Art von Theologie hat, damit sind wir beide, wir haben ja zur gleichen Zeit studiert, in der Marinade sind wir quasi gezogen, ja."

    Das Bild von der "Marinade" wirkt ein wenig merkwürdig in Schlageters blitzsauberem, schick eingerichteten Institut im Wiesbadener Jugendstil-Altbau.

    Der Psychologe und sein Arbeitsumfeld strahlen lässige Urbanität aus. Das Ambiente erinnert daran, dass Julia Klöckner auch angetreten ist, um junge Menschen in den Städten für die Union zurückzugewinnen. Sie versucht ein Spagat zwischen ländlicher Verwurzelung und postmoderner Stadtkultur, zwischen strammem Konservativismus und überraschend liberalen Zügen.

    Es sei authentisch, wenn sie im Wahlkampf genauso mit dem Herz-Jesu-Marxisten Heiner Geißler auftrete wie mit dem Bierdeckel-Steuer-Neoliberalen Friedrich Merz, unterstreicht er. Ein Problem hat er eher damit, dass Julia Klöckners Vergangenheit als deutsche Weinkönigin in der Öffentlichkeit bisweilen witzelnd kommentiert wird.

    "Die Leute sagen das manchmal so ein bisschen despektierlich. Und ich finde immer, das zeigt eigentlich, dass sie gar nicht wissen, was Deutsche Weinkönigin heißt. Also, ich war damals im Studium mit ihren, ich war auch bei der Wahl dabei, weil das sehr aufregend war für uns. Das ist das, was Unternehmen mit ihren Managern machen, als Schulung. Die ein Jahr durch die Welt zu schicken und in unterschiedliche Führungsämter. Und sie hat als Repräsentantin Deutschlands hat sie den Wein weltweit international populär gemacht. Sie hat auf Englisch gesprochen, sie hat in Japan gesprochen, überall war die. Das war eine Horizonterweiterung, da hätten wir uns damals im Studium die Finger danach geleckt. Also, von daher heißt Weinkönigin für mich ganz was anderes als für viele Leute, die das so mal hören."

    Am kommenden Sonntag will die einstige Weinkönigin "König Kurt" stürzen – den langjährigen rheinland-pfälzischen Landesvater Kurt Beck, der für pragmatische Politik steht, wirtschaftsfreundlich und gewerkschaftsnah, offen für neue Straßen- und Brückenbauprojekte und gleichzeitig den Weinbauern und der schönen Landschaft verbunden. Dafür steht seine Freundin Julia Klöckner aber auch, findet Holger Schlageter – und klingt schließlich doch wie ein Ratgeber und ganz stark wie ein Wahlkämpfer:

    "Inhaltlich muss man gar nicht so weit auseinanderliegen, weil wenn man ein bisschen vernünftig hinguckt, ist klar, was man machen muss. Weil mehr Schulden ist halt Quatsch und ein bisschen mehr Sanierung tut gut und vielleicht auch mal den Gürtel enger schnallen. Das weiß jeder, der einen Haushalt selbst führt, wenn ich halt Schulden mache, das kann ich eine Zeit lang machen und es geht mir gut, und dann kommt halt der tiefe Fall. Und das hat sie meiner Meinung nach sehr gut und sehr klar angesprochen, und dass so eine Polemik im Wahlkampf entsteht, von beiden Seiten, das gefällt mir nicht unbedingt, aber irgendwie gehört das zum Spiel."

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    Sammelportal Landtagswahlen 2011