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Fricke gibt Rösler Rückendeckung

Es sei nicht "alles toll" in der FDP, gibt Otto Fricke zu, fordert aber ein Ende der Fixierung auf die Führungsperson Philipp Rösler. Im Kampf um die Fünf-Prozent-Hürde müsse man zusammen anpacken, mahnt Fricke - und erwartet mehr Selbstkritik im Präsidium.

Das Gespräch führte Tobias Armbrüster | 07.01.2013
    O-Ton Philipp Rösler: "Ich glaube, wir sollten jetzt dieses Dreikönigstreffen dazu nutzen, um ein Signal zu senden, dass wir gemeinsam bereit sind, zu kämpfen für Niedersachsen, für den Bund, für eine freie Gesellschaft."

    O-Ton Dirk Niebel: "Wir spielen als Team für die Bundestagswahlen noch nicht in der besten Aufstellung. Das ist, als wenn Jogi Löw den besten Außenstürmer zum Torwart macht, den Torwart zum Libero und den Mittelstürmer zum Innenverteidiger. Wir brauchen eine Mannschaftsentscheidung, und das so schnell wie möglich. Darauf kann eine Regierungspartei mit Gestaltungsanspruch für Deutschland nicht länger warten."

    Tobias Armbrüster: Wir hörten da gerade Philipp Rösler und Dirk Niebel, beide waren gestern Hauptredner beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart – der eine mit einer Kampfansage an die FDP-Führung, der andere mit einem Appell zur Geschlossenheit. Zwei Beispiele, die sehr schön belegen, wie deutlich die Dissonanzen in der FDP inzwischen sind.

    O-Ton Rainer Brüderle: "Eine gebeugte Haltung ist schlecht. Guido Westerwelle hat kürzlich zurecht gesagt, wer sich klein macht, wird klein gemacht. Deshalb: aufrechter Gang in den Kampf hinein!"

    Armbrüster: FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gestern beim Dreikönigstreffen seiner Partei in Stuttgart. Es war ein Treffen, bei dem es wieder einmal nicht so sehr um politische Inhalte ging, sondern um den inneren Zustand der Partei. Zwei Wochen vor der wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen sind sich viele bei der FDP nicht mehr so ganz sicher, ob sich mit der aktuellen Parteiführung überhaupt noch eine Wahl gewinnen lässt.
    Am Telefon ist jetzt Otto Fricke, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Fricke!

    Otto Fricke: Einen schönen guten Morgen, und wenn man das noch ein letztes Mal darf, ein frohes neues Jahr.

    Armbrüster: Danke schön! Herr Fricke, war das gestern der Befreiungsschlag für Philipp Rösler?

    Fricke: Nein! Es war weder ein Befreiungsschlag, noch war es eine vollkommen zerstrittene Chaostruppe. Das sind die Versuche, die wir immer bei solchen Veranstaltungen haben. Ich erlebe jetzt den 6. Januar, das Dreikönigstreffen, seit über 20 Jahren. Das ist eine Darstellung dessen an vielen Stellen, was die FDP alles zu bieten hat. Das sind Individuen, das sind Leute mit unterschiedlichen Meinungen und das ist vor allen Dingen keine Stromlinienpartei. Das ist nicht immer angenehm und man hätte sich auch bei Manchem gewünscht, dass es, ich sage mal, besser rübergekommen wäre, aber in der großen ganzen Sache ist das eine Partei, so wie sie meine Partei als Liberaler immer noch ist. Wenn ich Stromlinienförmigkeit hätte haben wollen, dann hätte ich mir eine andere Partei ausgesucht.

    Armbrüster: Das heißt, alles ist gut bei der FDP?

    Fricke: Nein! Also erstens ist es in keiner Partei alles gut, und es ist auch ganz klar: Eine Partei, die in den Umfragen mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpft, die muss an der Stelle sagen, da müssen wir besser werden. Also jetzt nach dem Motto, jetzt sagt der Fricke, alles wunderbar, alles toll: nein. Da ist viel zu tun, da liegt es an uns, das zu verändern, und ich sage bewusst an uns. Demokratie ist kein Spiel von einer einzelnen Führungsperson, sondern ist eine Arbeit einer Gemeinschaftstruppe und die muss das gemeinsam schaffen, und das ist dann auch der Punkt, wo wir alle zusammen anpacken müssen, wo auch ich als Mitglied des Präsidiums anpacken muss und sagen muss, was mache ich falsch, wo kommt meine Argumentation, die ich für richtig halte, mein Verständnis davon, was Bürger ist, mein Verständnis davon, worauf sich der Staat beschränken muss, besser rüber, wo mache ich Fehler und auch an welcher Stelle bin ich menschlich in der Darstellungspflicht. Das muss sich jeder selber fragen.

    Armbrüster: Ja. Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen: Es geht in einer Partei immer auch um die Führung. Und da stellt sich die Frage: Ist Philipp Rösler noch der richtige Mann?

    Fricke: Ich glaube, ja. Ich glaube – und das hat die gestrige Rede auch gezeigt und das wurde jetzt ja auch im Bericht von Ihnen gesagt -, das ist dann doch mehr eine persönliche. Es ging weniger um Inhalte und mehr um Personen, und auch jetzt kommt die Frage wieder. Wenn wir dann aber genau gucken, was die Person Philipp Rösler auf dieser Kundgebung gesagt hat, was sie zur Frage gesagt hat, warum wir als einzige Partei in diesem Land noch in der Lage sind zu sagen, wenn es ein Problem gibt, dann sage ich nicht als Erstes, ich schaffe erst mal wieder eine neue Behörde, die Gerechtigkeit kontrolliert und vergleicht, sondern ich setze auf den Bürger, der das tut. Wenn dargestellt worden ist, warum wir die FDP auch in dieser Bundesregierung brauchen, dann ist das ganz klar von ihm dargestellt worden. Und ich muss noch mal sagen, ich habe das jetzt über Jahre auch erlebt: Es ist immer so, dass die Fixierung auf die Spitzenperson kommt. Übrigens – das kam ja auch gerade in dem Bericht ein bisschen raus – bei der SPD ist es dasselbe Spiel: Man hat eine Führungsperson und sofort geht der Druck auf die jeweilige Führungsperson raus. Nur diejenigen, die sich über lange Jahre halten – und das sehen wir bei der Bundeskanzlerin -, die sind da relativ sakrosankt, obwohl sie wie alle Menschen Fehler machen, und das tun wir alle.

    Armbrüster: Aber wenn wir uns noch mal Philipp Röslers Rede vor Augen führen – es war ja tatsächlich eine inhaltliche Rede. Aber es stand gar nicht so sehr im Vordergrund, was er gesagt hat, sondern wie er es gesagt hat. Es war einfach ein sehr schwacher Auftritt, schwach im Vortrag und auch schwach beklatscht vom Publikum.

    Fricke: Na ja, also ich habe ja nun selber da oben gesessen, und auch wenn ich nicht mit einem Lautstärkemesser da war und auch nicht mit dem Sekundenzeiger geguckt habe, wer wie lang, die Frage ist ja: Wenn ich eine Rede halte und ich gehe an den Kopf der Menschen, dann applaudieren sie bei gleichzeitigem Nachdenken. Wenn ich eine Rede halte und ich gehe an die Emotionen der Menschen, dann applaudieren sie, um die Emotionen wiederzugeben. Und da muss ich sagen, das habe ich anders wahrgenommen. Und noch mal: Jeder hat seinen Redestil und seine Art zu reden, und ich fand, es war ein sehr großer Applaus.

    Armbrüster: Aber muss Philipp Rösler in so einer Situation nicht eine Rede halten, die mitreißt, die die Leute denken lässt, ja, der Mann ist es, mit dem manchen wir weiter und mit dem gewinnen wir Wahlen?

    Fricke: Dann sagen Sie ja, muss Philipp Rösler dann jemand anders sein als der, der er ist, und als der, zu dem wir ihn gewählt haben vor eineinhalb Jahren.

    Armbrüster: Ich frage mich halt, warum sich viele Leute in der FDP nicht offener fragen, ob Philipp Rösler nicht ersetzt werden sollte durch jemanden und das tatsächlich.

    Fricke: Also erstens: Jeder muss bei der Frage als Demokrat, wenn er jemand in eine Position wählt, demjenigen für die Zeit, für die er gewählt ist, auch die Chance geben, das ordentlich zu machen. Und das Interessante ist ja auch, dass dieselben Journalisten, die jetzt sagen, oh, das ist aber alles kritisch und die Umfragen sind auch schlecht, jetzt muss das doch weg, wir müssen das schnell neu machen, denen sage ich dann auch, wenn das Ergebnis nach einer Landtagswahl dann anders ist als erwartet – und das haben wir in Schleswig-Holstein erlebt und das haben wir in Nordrhein-Westfalen erlebt -, dann auf einmal verstummt genau diese Frage wieder. Nein, ich glaube, es ist im Moment diese berühmte Sicht, es läuft etwas nicht gut, wir müssen ganz schnell etwas ändern und dann wird es besser. Und da sage ich immer, die SPD hat auch ganz schnell gesagt, oh, jetzt müssen wir die Personalfrage klären. Dann hat sie sie geklärt, wie sie dachte, und seitdem hat die SPD ein Personalfrage-Problem. Nein! Als Team, als Partei in der Demokratie, vor allen Dingen auch gegenüber den Kollegen in Niedersachsen um Stefan Birkner herum klar die Unterstützung geben, Wahlkampf machen, Leute überzeugen und eben auch klar sagen, das ist unser Mann. Und übrigens: in Niedersachsen, wo ich schon Wahlkampf gemacht habe, da sagen die Leute auch, das ist unser Philipp Rösler, wir Niedersachsen sind eben nicht die Haudraufe, sondern wir sind diese Art von nachdenklichen, klare Linie fassenden, geradlinigen Menschen. Und das ist jemand und so etwas erwarte ich im Übrigen auch von einem Parteivorsitzenden und nicht, dass er draufhaut.

    Armbrüster: Aber kann es sich Ihre Partei jetzt leisten, mit dieser Führungsdebatte, die sich ja ganz offensichtlich nicht so einfach stoppen lässt, mit dieser Führungsdebatte noch zwei Wochen heißen Wahlkampf in Niedersachsen zu machen?

    Fricke: Ja! Ausdrückliche Antwort: ja! Und noch mal: Die Frage der Führung wird auf dem Bundesparteitag, wann auch immer der dann sein mag, geklärt. Das sind dann die üblichen Ladungsfristen mit dem üblichen Schema, mit den üblichen Abstimmungen, mit den Delegierten, die vorher gewählt worden sind, und das wird man dann auch machen. Aber der Glaube nach dem Motto, das ist so ähnlich wie die Diskussion beim Fußball, oh, da steht ein Verein nicht ganz so gut in der Tabelle da, wir wechseln mal den Trainer aus, ja da können viele Bundesligavereine Ihnen von was erzählen, wie wenig das gebracht hat.

    Armbrüster: Das heißt, Dirk Niebel soll lieber mal den Mund halten?

    Fricke: Nein, auch da wieder! Das ist dann das Typische, das ist dann der Wunsch nach Stromlinienförmigkeit. Das können gerne die anderen Parteien machen, nach dem Motto – wir haben es ja bei den Grünen gesehen -, man straft Claudia Roth ab und danach sagt man, wir haben uns aber alle lieb, obwohl man genau weiß, dass das im Hintergrund weiter vorhanden ist. Nein! Ich sage da auch, ich bin nicht Dirk Niebels Meinung. Ich bin auch nicht jemand im Stil derer, der Dirk Niebel ist. Aber verdammt noch mal, ich bin in einer FDP, wo ich erwarte, dass es eben nicht nur den einen Typ gibt, wo ich auch akzeptieren muss, dass es Leute gibt, die ihre Kritik auf dem Weg äußern wie Dirk Niebel. Noch mal: Mein Stil ist das nicht. Aber das gehört für mich im Liberalismus dazu. Wir sind doch nicht eine Partei, wo im Hinterzimmer geredet wird und dann nachher gesagt wird, so, jetzt haben wir uns aber alle nach außen ganz lieb, und dann im Übrigen Sie als Journalisten sagen, was ist denn das wieder für eine Show, die ihr uns liefert.

    Armbrüster: Live hier bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen war das Otto Fricke, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Besten Dank, Herr Fricke, für das Gespräch heute Morgen.

    Fricke: Ich habe zu danken und wünsche ein liberales Jahr.

    Armbrüster: Danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.



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