Donnerstag, 25. April 2024

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Friedensnobelpreis 2014
"Neue Gesetze gegen Kinderarbeit sind sein Verdienst"

Der Kinderarbeitsexperte Benjamin Pütter freut sich, dass der Friedensnobelpreis an seinen Weggefährten und Mitstreiter Kailash Satyarthi geht. Dass es überhaupt Gesetze gegen ausbeuterische Kinderarbeit gebe, sei allein Satyarthis Verdienst, sagte Pütter im Deutschlandfunk.

Benjamin Pütter im Gespräch mit Christiane Kaess | 10.10.2014
    Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi aus Indien
    Kailash Satyarthi (AFP / Chandan Khanna)
    Es gebe viele Widerstände beim Kampf gegen Kinderarbeit, sagte Pütter, der den Verein Xertifix e.V. gegen Kinderarbeit in Indien gegründet hat. Kailash Satyarthi wiederum sage: "Da leide ich drunter und ich will, dass dieses Leid gestoppt wird". Pütter wünsche sich, dass die Menschen in Deutschland keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit kauften, sondern beim Kauf nachfragen: 'Ist das garantiert ohne Kinderarbeit, gibt es dort ein Siegel, das unabhängig kontrolliert oder sind die Produkte so billig, weil sie aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen?' Damit werde Kailash Satyarthi ganz persönlich geholfen, so Pütter.
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    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Die Taliban schossen ihr ins Gesicht. Daraufhin wurde das pakistanische Mädchen zu einer Ikone für Menschen- und Mädchenrechte. Jetzt ist die 17jährige Malala Yousafzai aus Pakistan die jüngste Friedensnobelpreisträgerin aller Zeiten, zusammen mit einem Inder, der gegen Kinderarbeit kämpft.
    Weniger bekannt als Malala ist der 60jährige Kinderrechtler Kailash Satyarthi aus Indien. Er engagiert sich seit langem in diesem Bereich, und wir haben jetzt die Möglichkeit, mit einem Weggefährten von ihm zu sprechen. Benjamin Pütter ist Gründer des Vereins Xertifix, der sich gegen Kinderarbeit in Indien einsetzt, und er ist jetzt am Telefon. Guten Tag!
    Benjamin Pütter: Guten Tag.
    Kaess: Herr Pütter, Sie sind seit den 90er-Jahren mit Kailash Satyarthi befreundet. Wie kam es dazu?
    Pütter: Es kam dazu, weil ich zuerst im Bundestag und dann später für Hilfswerke mich für Rugmark engagiert habe, das Siegel gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie, und damals war Synonym für Kinderarbeit in Deutschland ein Teppich aus Indien, der mit Kindern geknüpft wird, und Kailash Satyarthi wendete sich von Anfang an dagegen. Für mich interessant, als ich ihn kennenlernte, war eigentlich, dass von dem Hilfswerk ihm viel Geld angeboten wurde, Herr Satyarthi, bitte tun Sie doch was in Indien gegen Kinderarbeit, und er hat gesagt, ich will euer Geld nicht, macht ihr was bei euch politisch, macht ihr politische Aktionen, dass dort nicht diese Produkte gekauft werden. Das war der Beginn der Zusammenarbeit und das geht eigentlich bis heute weiter, dass diese Produkte aus Kinderarbeit, die in Indien produziert werden, ja auch in Deutschland verkauft werden. Das war unser Beginn des Kennenlernens und führt jetzt nach so vielen Jahren zum Friedensnobelpreis. Das finde ich ganz toll.
    Da konnte man so viel von ihm lernen von Anfang an
    Kaess: Was Sie gerade beschrieben haben, das sagt schon auch ein bisschen was über den Menschen aus. Was ist Herr Satyarthi für ein Mensch?
    Pütter: Natürlich. Er würde den Friedensnobelpreis nicht bekommen haben, wenn er nicht auch, wie gerade eben gesagt wurde, das Licht der Öffentlichkeit gesucht hätte, denn er weiß, wie man eine politische Kampagne macht. Das geht nicht einfach so, sondern da muss man auch mit den Medien spielen können. Da muss man auch den Zeitpunkt treffen, den richtigen Moment, wenn man was macht, und da war er einfach so perfekt. Da konnte man so viel von ihm lernen von Anfang an. Wir haben oft zusammengesessen. Auch gerade vielleicht eines: Wo es in der Spitze einer Organisation immer sehr eng ist, da kann man nicht mit den Mitarbeitern reden. Da ist man der Chef und muss immer Anweisungen geben. Da war es einfach unheimlich gut, dass wir beide uns unterhalten konnten. Von mir drohte keine Gefahr, ich konnte ja kein Chef werden. Und dass wir gemeinsam dann auch so initiiert haben, wir müssen weltweit einen Marsch machen gegen Kinderarbeit, wo er dann immer genau traf, das muss so und so sein, wir müssen genau an der Stelle, wir müssen die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation in Genf dazu bekommen, neue Kinderarbeitsrechte zu machen, und dass er das geschafft hat, dass er als einzelner Mensch es hingekriegt hat, dass die ganze ILO, die Internationale Arbeitsorganisation ein neues Gesetz gegen ausbeuterische Kinderarbeit gemacht hat, das ist sein Verdienst, das geht nur auf ihn zurück.
    Kaess: Warum macht er diese Arbeit? Was treibt ihn an? Sind da vielleicht auch Punkte in seiner Biographie, die ihn da hingeführt haben?
    Pütter: Er selber nicht. Aber einfach nur: Jeder Jeck ist anders, würde der Kölner sagen. Jeder reagiert anders auf Kinder und wenn man einfach reagiert und Kinderleid sehen muss, wie Kinder ausgebeutet werden, wie Kinder geschlagen werden, wie sie gefoltert werden. Einige lässt das kalt und gerade die Hindus lässt das kalt. Die sagen, das ist doch Gottes Strafe, das sind Kastenlose. Wenn sie das zulassen, gefoltert zu werden, werden sie im nächsten Leben besser wiedergeboren. Das sind sicher viele, aber es gibt eben auch viele wie Kailash Satyarthi, und er ganz besonders mit seinen Fähigkeiten, das dann auch auf den Punkt zu bringen, zu sagen, da leide ich drunter und ich will, dass dieses Leid gestoppt wird.
    Kaess: Auf was für Widerstände stößt er und letztendlich ja auch Sie in Ihrer Arbeit im Land selber?
    "Schule ist der beste Arbeitsplatz"
    Pütter: Im Land selber stoßen wir darauf, dass sie einfach sagen, das ist geschichtlich so gekommen. Wir haben schon immer Kinderarbeit gehabt und das wird es immer geben. Das sind sowieso Kastenlose, das habe ich gerade eben schon erwähnt, und die müssen diese Stufe durchlaufen, dass sie ausgebeutet werden, damit sie im nächsten Leben dann besser wiedergeboren werden können. Das ist immer die indische Begründung dafür.
    Schlimmer finde ich, wenn deutsche Gerichte sagen - und ich zitiere jetzt wörtlich aus einem Urteil gegen mich: "Der Verkauf von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit ist in Deutschland erlaubt und muss daher geschützt werden." Wenn ich dagegen vorgehe, droht mir eine Geldstrafe von jeweils 250.000 Euro. Das ist der Skandal, dass ich in Deutschland diese Produkte, die dort herkommen, wogegen Kailash Satyarthi kämpft, diese Kinder, die er rausholt, denen er eine bessere Zukunft geben will. "Schule ist der beste Arbeitsplatz." Das ist ja nicht nur in seinem Land das Thema, sondern auch in Pakistan das Thema. Das Friedensnobelpreis-Komitee hat sich ja genau gedacht, zu dem Thema „Schule ist der beste Arbeitsplatz" wählen wir gemeinsam Indien und Pakistan aus. Die wollen sie nämlich bekämpfen. An der Grenze gibt es im Moment immer stärkere Gefechte. Nur Frieden kann eine Lösung bringen und auch Frieden für die Kinder.
    Kaess: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Pütter, weil wir haben nicht mehr viel Zeit. Welche Unterstützung würden Sie sich weiter wünschen?
    Pütter: Ich würde mir wünschen, dass die Menschen hier keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit kaufen, sondern beim Kauf nachfragen, ist das garantiert ohne Kinderarbeit, gibt es dort ein Siegel, was unabhängig, unangekündigt kontrolliert, oder aber verkaufen sie hier Produkte so billig, weil sie aus ausbeuterischer Kinderarbeit kommen. Damit helfen Sie Kailash Satyarthi ganz persönlich.
    Kaess: Danke schön für dieses Gespräch live bei uns im Deutschlandfunk, Benjamin Pütter. Er ist Gründer des Vereins Xertifix, der sich gegen Kinderarbeit in Indien einsetzt, und er ist Weggefährte des Friedensnobelpreisträgers Kailash Satyarthi. Danke schön.
    Pütter: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.