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Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
"Meine Sprache ist das Licht"

Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado ist mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede wandte er sich direkt an seine Kritiker, die ihm die Ästhetisierung des Leids vorwerfen.

Von Ludger Fittkau | 20.10.2019
Sebastião Salgado steht vor dem Logo des Friedenspreises.
"Sebastião Salgado schießt nicht, er stiehlt nicht, er stellt keine Fallen, im Gegenteil. Seine Bilder entwaffnen, sie stiften Verbindung, Nähe und Empathie", hieß es in der Laudatio. (dpa/Silas Stein)
Sebastião Salgado ging in seiner Dankesrede nach dem Erhalt des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels selbst auf seine Kritiker ein. Vor allem auf den bisweilen gegen ihn erhobenen Vorwurf, er ästhetisiere das soziale Elend von Menschen. Oder theatralisiere unberührte Gegenden der Welt, die er fotografiere. Bis hin zur kitschig-romantischen Verklärung der Natur oder einem neo-kolonialistischen Blick auf Naturvölker:
"Meine Fotos haben sicher eine ästhetische Dimension. Das ist unbestritten. Meine Sprache ist das Licht. Denn es ist auch und vor allem die Mission, Licht auf Ungerechtigkeit zu werfen, die meine Arbeit als Sozialfotograf bestimmt."
Kann Fotografieren ein Akt des Friedens sein?
Die Selbstbeschreibung Salgados als Sozialfotograf stützte auch der Filmemacher Wim Wenders in seiner Laudatio heute in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Wenders fragte: Kann Fotografieren ein Akt des Friedens sein? Schließlich sei diese Tätigkeit mit Schießen verbunden, nicht nur das Wort " Schnappschuss" erinnere daran.
"Sebastião Salgado schießt nicht, er stiehlt nicht, er stellt keine Fallen, im Gegenteil. Seine Bilder entwaffnen, sie stiften Verbindung, Nähe und Empathie. Und so lässt ihr Preis nicht nur Sebastião Salgado, sondern auch seinen Beruf, sein Handwerk, sein Lebenswerk in einem anderen Licht erscheinen. Eben als Werk und Wirken des Friedens."
Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado in Paris am 04.12.2018
Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado (Frédéric Dugit, MAXPPP, dpa)
Sebastião Salgado erinnerte in seiner Friedenspreisrede daran, dass er mit seiner Frau Delia bereits Ende der 1960er-Jahre Brasilien aus politischen Gründen verlassen und ins Pariser Exil gehen musste:
"Vielleicht erklärt dieser Weg, warum ich mich für Bevölkerungsgruppen einsetze, die ihre Heimat verlassen haben. Vertrieben, oder bedroht von Kriegen, Armut oder rücksichtsloser Modernisierung."
Salgado monatelang in Ruanda verschollen
Wim Wenders, der Salgado 2014 in seinen Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" portraitierte, erwähnte exemplarisch die Fotoarbeiten, die Sebastião Salgado während des Völkermords in Ruanda Mitte der 1990er-Jahre anfertigte. Diese Arbeit hätte Salgado bald den Verstand geraubt, er sei monatelang verschollen gewesen, berichtete Wenders.
"Nur einer, der so mit anderen gelitten hat, der zu den Machtlosen, den Unterdrückten, Hungernden und Fliehenden gegangen ist, sie begleitet hat, mitgegangen ist, ihnen Zeit geschenkt hat, ihnen zugehört und ihnen so eine Stimme gegeben hat, als ihr Botschafter, der sie auch mitunter überhöht hat, nicht damit ihr Leid schöner aussieht, wie manchmal der absurde und unsinnige Vorwurf lautet, sondern um ihnen gerade im Leid Achtung zu zollen."
Salgado will Preisgeld mit Bauarbeitern teilen
Das Preisgeld des Friedenspreises will Sebastião Salgado mit portugiesischen sowie mit marokkanischen, algerischen und tunesischen Bauarbeitern teilen. Weil sie als Arbeitsmigranten in den 70er-Jahren nach Frankreich kamen, wie Sebastião Salgado und seine Frau kurz zuvor als politische Flüchtlinge aus Brasilien:
"In den frühen 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts machte ich eine Reihe von Reportagen über Einwanderer in Frankreich. Sie arbeiteten hart, um eine Zukunft zu errichten, die nicht nur ihre war, sondern auch die Zukunft Frankreichs. Denn sie trugen maßgeblich zum industriellen und urbanen Wachstum des Landes bei. Auch Menschen aus Nordafrika waren dabei. In Nordfrankreich lebte ich unter Bergleuten, die meisten von ihnen Marokkaner, die die Polen in den Kohlegruben abzulösen begannen. Sie nahmen mich herzlich auf und ich habe bis heute intensive Erinnerungen an ihre Freundschaft."