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Friends of Spain

In der Euro-Krise ist Deutschland für viele Spanier zur Ersatzregierung geworden. Spardiktate, Kürzungen im Sozialsystem, gelockerter Kündigungsschutz - vieles wird "La Merkel" zur Last gelegt. Der Verein "Friends of Spain" will das zerrüttete Verhältnis zwischen den beiden Ländern verbessern.

Von Hans-Günter Kellner | 23.10.2013
    Germán Luis Buceta ist das Krisengerede leid. Der spanische Unternehmensberater lebt in Hamburg und findet, sein Land werde in der deutschen Öffentlichkeit nicht richtig dargestellt. So hat er gemeinsam mit anderen Vertretern aus beiden Ländern die Initiative "Friends of Spain” ins Leben gerufen. Deutsche und spanische Konzerne unterstützen ihn. Buceta über die Hintergründe:

    "Spanien ist ein sehr offenes und plurales Volk, das nicht nur Sonne, Strand und gutes Essen hat. Die wenigsten wissen, dass die Software für den Flugverkehr in Deutschland von einer spanischen Firma stammt. Ich könnte viele weitere Beispiele nennen."

    Doch auch zur Vorstellung der Initiative in Madrid ließ sich die Krise nicht übersehen. Gerade in der Forschung und Entwicklung kürzt die spanische Regierung besonders. Seit 2009 sind die Ausgaben in diesem Bereich um 40 Prozent gesunken. Damit verliere Spanien seine Zukunftsperspektive, meinte der spanische Politikwissenschaftler Fernando Vallespín. Von der neuen Bundesregierung wünschte er sich:
    "Wir müssen zurück zum Wirtschaftswachstum. Europa kommt langsam aus der Rezession raus, aber die Wirtschaft wächst doch trotzdem viel zu langsam. Wir brauchen Wachstumsimpulse. Und wir müssen zu einer Politik finden, die als gemeinsame, europäische Politik wahrgenommen wird und nicht als Spardiktat aus einem wirtschaftlich starken Land wie Deutschland."

    Weitere Sparprogramme werde Spanien nicht ohne soziale Brüche überstehen, der Sozialstaat stehe vor dem Ende. Populisten und Technokraten hätten die Demokratie in die Zange genommen, warnte Fernando Vallespín eindringlich. Als Ausweg forderte der Politologe eine Stärkung der Gemeinschaftspolitik in Europa. Und dann hatte er noch einen Wunsch:

    "Mein Name ist Bond, Eurobond. Sag niemals nie. Wenn das Wachstum der Schwellenländern wie Brasilien einbricht, werden die Märkte den Euro wieder attackieren. Dann wird eine Vergemeinschaftung der Schulden dringend notwendig. Denn die Zinsen für Staatsanleihen werden dann wieder in die Höhe schnellen. Daran könnte der Euro scheitern. Und mit dem Euro würde auch das europäische Projekt zusammenbrechen."

    Die Appelle richteten sich vor allem an Karsten Voigt, der für die Sozialdemokraten an der Debatte in Madrid teilnahm. Die SPD möge im Rahmen der Koalitionsverhandlungen für einen Kurswechsel in der deutschen Europapolitik sorgen, so die Hoffnungen. Der SPD-Politiker enttäuschte seine spanischen Zuhörer nicht:

    "Es wird nicht Eurobonds unter dem Titel Eurobonds geben. Aber es wird irgendetwas geben - weil sich CDU und SPD ja auch einigen müssen - mit dem Deutschland mit anderen Staaten Risiken übernimmt, die eine Garantie bedeuten für mögliche Ausfälle. Diese Reformen wären alle bei der Einführung des Euro nötig gewesen, waren aber nicht möglich. Und jetzt werden sie durchgeführt. Wir haben also schon mehr Integration als im Lissabonvertrag vorgesehen."

    Ähnlich drückte sich sogar der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann aus. Und auch der FDP-Vertreter in der Runde, Europa-Abgeordneter Alexander Graf Lambsdorff erklärte, er hoffe bei den Koalitionsverhandlungen auf die SPD. Die Sozialdemokraten müssten die europäischen Institutionen, das Parlament und die Kommission, stärken - gegenüber der Bundeskanzlerin:

    "Es wird mehr Europa geben. Auch mit der Bundeskanzlerin. Aber sie legt einen Weg für mehr Europa so an, dass in Regierungsverhandlungen Beamte unkontrolliert von Abgeordneten und Journalisten die Treffen des Europäischen Rates vorbereiten. Das ist eine Antithese zu Kohl und zu Adenauer. Ich zähle auf die SPD, dass sie diesen Weg in den Koalitionsverhandlungen verschließt."

    Dafür gab es dann auch Applaus von den spanischen Zuhörern. Trotzdem waren den meisten die Zusagen zu Änderungen in der deutschen Europapolitik zu wage. Auf besondere Situationen in Spanien, an Schulen, Hochschulen oder im Gesundheitswesen wurde kaum eingegangen. Die doch eher geringe Kenntnis der geladenen deutschen Politiker in diesen Fragen sorgte bei vielen Besuchern eher zu einem ernüchternden Fazit. Diese Frau meinte:

    "Die Debatte war sehr interessant, das stimmt. Aber ich habe den Eindruck, man hat sich eher darauf konzentriert, Deutschland als Marke zu verkaufen, als Spanien zuzuhören."