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Frisch auf den Tisch

Krabbenpulen ist Handarbeit und die ist in Afrika bekanntlich billiger als bei uns. Weil das so ist, mussten Nordseekrabben einen weiten Weg zurücklegen, bevor sie auf dem heimischen Tisch gelandet sind. Doch inzwischen gibt es auch an der Küste Nordfrieslands wieder Krabbenpulerinnen. Sie halten sich zu Gute, dass ihre Ware frischer schmeckt als die der globalisierten Konkurrenz.

Von Astrid Matthiae | 14.12.2006
    Von einer breiten Sortimentspalette kann am Stand vom "Krabbenhandel Friedrichskoog" nicht die Rede sein. Von links nach rechts liegen im Tresen Klarsichtbecher mit Krabbensalat, in Stapeln zu je 100, 200, 300 und 500 Gramm, daneben ausgepultes Krabbenfleisch in verschiedenen Mengen, rundgeformte Krabbenfrikadellen, und in der rechten Ecke aufgeschüttet ein kleiner Berg ungepulter Nordseekrabben. Das übersichtliche Sortiment schmälert den Umsatz nicht, im Gegenteil, für die Kunden ist es ein Zeichen dafür, dass sie ohne Umwege, direkt beim Erzeuger kaufen:

    "Das ist ja hier genau der Fall, dass es e kein Marokko-gepultes Zeug ist, sondern dass das direkt aus Friedrichskoog oder Büsum kommt,ben je nach dem, wo sie gerade herkommen, und das ist unmittelbar, und das möchte ich auch gern unterstützen, da bin ich als Verbraucher ziemlich bewusst, und hab Freude daran, direkt da zu kaufen, wo der Erzeuger auch wirklich ist. Eben nicht mit Umweg über Marokko. Ich kauf ja hier öfter, und das ist viel frischer, das ist, das ist knackiger, das ist, das ist eben Nordsee, das ist richtig toll. "

    Manche Kunden können auch noch genauer sagen, was sie überzeugt an den Krabben, die direkt vom Deich oder Kutter auf den Wochenmarkt in die Stadt kommen. Diese Hanseatin holt sich ihren 300-g-Becher mit Krabbenfleisch schon fast rountinemäßig ab:

    "Ja, ich suche den mindestens 1 x die Woche auf. Es lohnt sich. Weil es hier frisch Gepulte gibt und ich keine Konservierungsmittel mag. Haben Sie sonst in der letzten Zeit noch mal andre Krabben gegessen? - Nein(!) grundsätzlich nicht. Hier weiß ich, hier krieg ich sie, sie sind frisch und einwandfrei, Ja. Danke. "

    Und zwar sowohl am heimischen Abendbrotstisch als auch an Schleswig-Holsteins Westküste in der Krabben-Pulküche vom Krabbenhandel Friedrichskoog. Dort stehen vier Frauen und holen fast Gramm für Gramm das schiere Fleisch aus den kleinen Nordseekrabben. Es duftet. Kein bisschen fischig, sondern leicht süßlich-nussig, nach frisch gepulten Krabben eben. Die landen auf einem Suppenteller; und wenn dessen Mulde gerade voll ist, werden die Krabben gewogen und in den Kühlraum gebracht. Denn Krabbenfleisch ist sehr empfindlich. Pro Stunde schält jede Krabbenpulerin etwa ein Kilo der schmackhaften Delikatesse aus der rötlich-braunen Schale. Bianca Eggert erklärt, wie es geht:

    "Also, wir machen das immer so, hinten am dritten Ring von der Krabbe, da knackt man leicht an, dann drückt man hinten, dann fasst man die Krabbe hinten an und vorne den Kopf und drückt vorne, und dann hat man die Krabbe raus. "

    Wochentags von 5 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags arbeiten die Frauen, meistens zu sechst. Bis vor 1 ½ Jahren war nur eine von ihnen professionelle Krabbenpulerin, Karin Hennings, sie hat sich ihr Geld auch schon vor 40 Jahren mit Krabbenpulen verdient:

    "Da hab ich nicht in ner Krabbenpulküche gepult, sondern zu Hause, und zwar von der Genossenschaft her. Da sind die nachts gebracht worden oder morgens ganz früh und dann waren das Frostkrabben, die musste man sich denn immer erst auftauen, und denn konnt man pulen, denn musste man sie nachher hinbringen zur Genossenschaft. "

    Als das Wirtschaftswunder auch die Dithmarscher Küste erreicht hatte und die Krabbenpulerinnen woanders mehr verdienen konnten, entwickelte sich der Ferntourismus der Krabben. Bis heute werde das Gros der Nordseekrabben eingefroren und im Ausland gepult, in Marokko, Polen oder Weißrussland, erklärt der langjährige Friedrichskooger Krabbenfischer Klaus-Dieter Voß. Da der Großhandel den Fischern nur begrenzte Mengen abnimmt, freut er sich, dass sein Sohn für die neue Direktvermarktung etwas mehr fischen kann:

    "Und denn muss man ja sagen, die Zeiten sind schlechter geworden, man findet auch wieder Leute, die sich hinstellen und 5 € fürn Kilo Krabbenfleisch, die nehmen dat gern in Anspruch. Vor 10 Jahren hätte sich da keiner die Finger mit schmutzig gemacht."

    Seine Tochter, Kerstin Thaden, zusammen mit sechs anderen Frauen, hat es getan. Mittlerweile beliefern sie die Kundschaft auf insgesamt 21Wochenmärkten in Hamburg und Schleswig-Holstein mit der Ware, die der Bruder in der Nacht zuvor gefischt hat.