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"Front National" kürt Kandidaten
Bilanz eines Familienstreits

Der Streit zwischen dem Ehrenpräsidenten und der Parteichefin des "Front National", den beiden Europaabgeordneten Jean-Marie und Marine Le Pen, hielt Frankreichs Innenpolitik tagelang in Atem. Nur eine hielt sich abseits der Szene: Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Sie will Spitzenkandidatin ihrer Region werden.

Von Ursula Welter | 17.04.2015
    Jean-Marie Le Pen (l) und Marine Le Pen, Vorsitzende der französischen rechtsextremen Front National
    Der Familienzwist zwischen Jean-Marie Le Pen (l) und Marine Le Pen von der französischen "Front National" scheint beendet. (picture alliance / dpa / Foto: Yoan Valat)
    Die extremistischen Äußerungen des Ehrenpräsidenten Jean-Marie Le Pen waren nicht neu. Nur diesmal hat Tochter Marine die Chance genutzt, um ihrem Vater das Altenteil näher zu bringen. Die Parteichefin drohte ihm ein Disziplinarverfahren an, weil er erneut die Gaskammern zu einem - Zitat - "Detail der Weltkriegsgeschichte" erklärt hatte.
    Der Parteigründer schmetterte der Tochter entgegen, sie jage die ganze politische Bewegung in die Luft. Der Schlagabtausch zwischen dem Ehrenpräsidenten und der Parteichefin des "Front National", den beiden Europaabgeordneten Le Pen, hielt Frankreichs Innenpolitik tagelang in Atem. Nur eine hielt sich auffallend abseits der Szene:
    "Ich wollte nicht mit den Wölfen heulen", erklärte Nichte Le Pen, Marion Maréchal. Sie ist mit 25 Jahren die jüngste Abgeordnete im französischen Parlament. Bis auf ein größeres Interview in einer konservativen Zeitschrift hatte sie geschwiegen, als sich Großvater Jean-Marie und Tante Marine öffentlich duellierten. Ein kluger Schachzug, denn es ging und geht im "Front National" inzwischen immer auch um sie.
    Jüngste Hoffnungsträgerin der Familie Le Pen
    Die Abgeordnete aus dem südlichen Département Vaucluse, die junge Frau mit den zarten Gesichtszügen, die ein strahlendes Lächeln aufsetzen kann, selbst wenn sie politisch hart kämpft, hat Ambitionen. Schon länger habe sie überlegt, Spitzenkandidatin der Partei in der Region "Provence-Alpes - Côtes d'Azur", kurz PACA, zu werden - einer Region die bevölkerungsreiche Städte wie Marseille, Toulon und Nizza umfasst.
    "Ich habe mich nur zurückgehalten, als Jean-Marie Le Pen entschied, anzutreten", stellt Marion Maréchal-Le Pen klar. Als aber der Großvater seine Bewerbung zurückzog, um dem Streit mit der Tochter ein halbwegs versöhnliches Ende zu bereiten, begab sich Marion ins Rennen - zumal der Alte, ganz in der Attitüde des Patrons, seine Nichte auf den Schild gehoben hatte:
    "Marion Maréchal-Le Pen -, das hieße eine starke Spitze der Wahlliste, vielleicht die Beste, von mir mal abgesehen."
    Die jüngste Hoffnungsträgerin der Familie Le Pen steht politisch dem Großvater näher, als der Tante. Als Marion Maréchal-Le Pen vor einigen Monaten Mutter wurde, nannte sie das ihre "patriotische Pflicht"; Franzosen teilt sie in solche mit und solche ohne ausländische Wurzeln ein; ihr Wirtschaftsverständnis ist allerdings liberaler als das linksgewirkte Programm der Tante; auch ihre deutliche Abneigung gegenüber Homosexuellen trennt sie von der Linie der Parteichefin.
    Marine Le Pen wird dennoch nicht müde, ihre Nichte "hochbegabt" zu nennen. Und ihr für die Ernennung zur Spitzenkandidatin im Süden den Segen der Parteispitze zu geben, noch bevor das Politbüro heute dazu tagt:
    Nicht und Tante: Marion Maréchal-Le Pen (l) und Marine Le Pen vom französischen "Front National"
    Marion Maréchal-Le Pen (l) und Marine Le Pen vom französischen "Front National" (dpa / picture alliance / Hiely Cyril)
    Bislang treue Enkelin geht auf Distanz zum Großvater
    "Wir haben zwei Bewerbungen, die von Marion, von der ich nicht verhehle, dass ich sie für die Beste halte, und jene von Bruno Gollnisch - das Politbüro wird sich entscheiden."
    Der Name Bruno Gollnisch steht für antisemitische, rassistische Positionen, er ist radikaler, als es Parteichefin Marine Le Pen lieb ist. Gollnisch war von Vater Le Pen ins Spiel gebracht worden, seine Nichte könne die Wahlliste anführen, aber Gollnisch solle die Region PACA regieren, startete der Parteigründer einen letzten Versuch der ideologischen Einflussnahme.
    Aber: Die bislang treue Enkelin geht auf Distanz zum Großvater. Sie schulde ihm viel, sagte Marion Maréchal-Le Pen in zwei Zeitungsinterviews. Um dann zu zeigen, dass sie die Botschaft der Tante verstanden hat, die auf ihrem Weg in den Elysée Palast jeden aus dem Weg räumt, der den "Front National" offenkundig als extreme Partei dastehen lässt.
    Sie halte von Totalitarismus, von Rassismus nichts und sei auch keine Frau der extremen Rechten, stellte Marion Maréchal-Le Pen also klar - um dann zu ergänzen, sie hoffe nicht, die Marionette des einen oder der anderen zu sein. Verscherzen will es sich die junge Politikerin aber auch mit dem Großvater nicht. Zum Disziplinarverfahren, um das es still geworden ist im "Front National", könne sie sich nicht äußern, sagte Marion Maréchal-Le Pen.
    Die Drohungen, Jean-Marie Le Pen aus der Partei auszuschließen, wie es Vertraute der Parteichefin auf dem Höhepunkt des Familienstreits gefordert hatten, diese Drohungen habe sie allerdings nicht als passende Lösung empfunden.