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Fruchtbare Böden
Die unterschätzte Ressource

Die weltweite Verschlechterung oder Zerstörung von fruchtbarem Boden könnte schon in den nächsten zehn Jahren 50 Millionen Menschen zu Flüchtlingen machen, warnten Wissenschaftler. Jetzt haben sie auch Berechnungen vorgelegt zu den Kosten der "Misshandlung" der Böden.

Von Dagmar Röhrlich | 11.02.2016
    Eine Massai im Norden Tansanias
    Von fruchtbaren Böden hängt die Zukunft der Menschen ab. (AFP / Joseph Eid)
    Die Menschheit verliert sozusagen den Boden unter ihren Füßen. Die Probleme durch Erosion und Bodenverschlechterung sind dramatisch: Sie betreffen 3,2 Milliarden Menschen - fast die Hälfte der Weltbevölkerung, erklärt Joachim von Braun vom Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn: "Wir wissen ja schon lange, dass die Böden der Welt das Stiefkind der natürlichen Ressourcen sind, also viel weniger Beachtung finden als unser Klima, als die Biodiversität. Aber die Tragweite kommt dadurch zum Ausdruck, dass wir nun erstmals berechnet haben, was es uns denn kostet, dass wir die Böden so misshandelt sehen. Es kostet uns pro Jahr ungefähr 300 Milliarden Euro."
    So viel kosten die Verluste durch Erosion und Überweidung, Abholzung und Versalzung oder durch Überdüngung. Denn die Folgen sind gravierend: Die Erträge sinken, und die Böden erfüllen ihre Aufgaben in den Ökosystemen schlechter. Das wirkt sich auf die Artenvielfalt aus und die Qualität des Grundwassers. Und es wird weniger Kohlendioxid in Form von Biomasse im Humus gespeichert, was wiederum den Klimawandel befeuert. "Wir sind selbst erstaunt über die Tragweite und Größe des Problems."
    Die Forscher werteten Satellitendaten aus 30 Jahren aus, nutzten die Daten von Bodenkartierungen. Und sie machten dort, wo ihren Analysen zufolge die Probleme besonders gravierend sein sollten, Recherchen vor Ort. Das Ergebnis: Die Bodenverschlechterung ist ein globales Problem: "Allerdings können wir sagen, in Europa ist es geringer als in Asien, Nordamerika und in Afrika. In Afrika sind 26 Prozent der Böden betroffen."
    Dünger kann das Problem nicht lösen
    Weltweit betrachtet degradierte in den vergangenen 30 Jahren ein Viertel der Ackerböden, 23 Prozent der Waldflächen und ein Drittel des Weidelands. "Der Druck auf die Weidegründe durch Überbeweidung ist ein Faktor, aber insbesondere die steigenden Landpreise haben dazu geführt, dass die Weidegründe attraktive Ackerbauflächen geworden sind, aber eben nur kurzfristig, und wenn sie nicht richtig bewirtschaftet werden, führt das zur Degradation."
    Außerdem gibt es kaum Forschung zum Schutz von Weideflächen - etwa welche Grassorten Erosion, Klimawandel oder Weidedruck mehr entgegensetzen als andere. Das Problem dürfte sich verschärfen, weil sich der Fleisch- und Milchkonsum zwischen 2010 und 2050 fast verdoppeln soll. Wenn die Böden weiterhin überlastet werden, schafft die klassische Gegenwehr allein - die Düngung - das Problem weder auf Weide-, noch auf Ackerflächen aus der Welt: "Das hilft nur befristet. Wenn der Boden weiter degradiert wird durch verstärkte Ausnutzung, durch nicht nachhaltige Fruchtfolgen, dann ist das nur eine befristete Lösung, und die nächste Generation wird die Kosten tragen müssen."
    Agroforstwirtschaft in der Sahelzone
    Die könnten extrem hoch ausfallen, falls sich Hinweise auf die Existenz von Kipppunkten bestätigen, ab denen sich Böden rapide verschlechtern und der Ertrag zusammenbricht. Schon heute bringt jeder Euro, der in den Kampf gegen die Bodendegradation gesteckt wird, fünf Euro Gewinn: Die eine Hälfte als Ertrag, die anderen in Form von besserer Grundwasserqualität oder anderer Ökosystemleistungen: "Wir würden einfach ganz schlechte ökonomische Entscheidungen treffen, wenn wir die Investitionen in die Rehabilitierung der Böden und die Prävention von Bodendegeneration jetzt nicht ergreifen würden. Die Böden würden weiter degradieren, es gibt größere Produktivitätsproblemen in Entwicklungsländern und langfristig noch mehr Hunger."
    Dass Bodenverschlechterung nicht unabwendbar ist, zeigt die Sahelzone. Eines der erfolgreichen Projekte dort ist die Agroforstwirtschaft: die Verbindung von Bäumen und Büschen mit Ackerpflanzen, die den Boden vor Austrocknung schützt. Große Hoffnungen setzen die Agrarforscher auch auf die Sensor- und Computertechnik. Auch für Bauern in der Dritten Welt. So gibt es schon heute in 90 Prozent der afrikanischen Dörfer Handys - und damit haben die Bauern Zugang zu Informationen, die ihnen helfen, ihre Produktion zu verbessern und den Boden zu schützen. So düngten inzwischen zunehmend Kleinbauern in Entwicklungsländern ihre Felder nicht mehr flächendeckend, sondern gezielt, indem sie den Dünger mit einem Flaschendeckel abmessen und direkt an die Pflanze geben.