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Früherkennung von Brustkrebs

Jährlich erkranken 59.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Um die Früherkennung zu verbessern, wurde 2005 das Mammografie-Screening eingeführt. Die Methode ist umstritten. Auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin wurden heute die neuesten Zahlen vorgelegt.

Von Volkart Wildermuth | 22.02.2012
    "Die Erkenntnisse zeigen, dass sich das deutsche Mammografie-Screening-Programm auf einem sehr guten Weg befindet."

    Thorsten Kolterjahn, Vorsitzender des Beirates der Kooperationsgemeinschaft Mammografie ist sichtlich zufrieden. Jede Frau zwischen 50 und 69 Jahren wird in Deutschland inzwischen alle zwei Jahre zur Mammografie eingeladen. In einer der 94 Screening-Einheiten kann sie dann eine Röntgenaufnahme ihrer Brust anfertigen lassen. Finden sich Anzeichen für einen Tumor, folgt eine genauere Diagnostik, und wenn sich der Verdacht erhärtet, die Operation. 2005 wurden die ersten Frauen eingeladen, seit 2009 läuft die Reihenuntersuchung flächendeckend in ganz Deutschland.

    "Das Programm ist nicht nur das größte Früherkennungsprogramm in Europa, sondern auch hinsichtlich seiner Qualitätssicherung einmalig."

    In den Zentren stehen moderne, ständig gewartete Röntgengeräte. Die Ärztinnen und Ärzte sind besonders qualifiziert und begutachten die Aufnahmen immer zu zweit. Diese hohen Standards sind ein unbestrittener Erfolg des Mammografie-Screening-Programms. Dass es leistet, was es verspricht, zeigt - wie erwartet - der Anstieg der Brustkrebszahlen.

    "Wir haben mehr Karzinome erkannt, als außerhalb des Screenings erkannt worden wären. Das ist die Minimalanforderung, die an uns zu stellen ist."

    Dr. Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie Südwest in Marburg. Bei der Einführung der Mammografie als Reihenuntersuchung wurden mit einem Schlag Tumoren entdeckt, die bei der Tastuntersuchung der Brust vielleicht erst ein paar Jahre später aufgefallen wären. Dieser Vorsprung ist es, der den ganzen Aufwand rechtfertigt.

    "Wir haben kleinere Karzinome erkannt, die insofern für uns, aufgrund der geringen Größe besser behandelbar sind, weniger schwerwiegende Behandlungen für die Frau nach sich ziehen und die grundsätzlich deswegen auch geeignet sind, die Frauen den Brustkrebs überleben zu lassen."

    Früher stellten die gefährlichen fortgeschrittenen Tumoren etwa die Hälfte der Brustkrebsdiagnosen. Innerhalb des Screenings sind es inzwischen nur noch gut ein Viertel. Das klingt erst einmal vielversprechend. Nicht jeder früh entdeckte Tumor ist aber auch gefährlich. Manche wachsen so langsam, dass sie keine Rolle spielen. Letztlich kommt es darauf an, ob das Mammografie-Screening unter dem Strich die Brustkrebssterblichkeit deutlich beeinflusst. Das lässt sich nur schwer feststellen, weil parallel verbesserte Behandlungsmöglichkeiten die Überlebenschancen verbessern.

    Erst 2018 wird sich der Einfluss des Brustkrebs-Screenings abschließend beurteilen lassen. Bis dahin muss man sich mit Modellrechnungen begnügen: Wenn 200 Frauen das Screening komplett durchlaufen, dann werden 13 von ihnen an Brustkrebs erkranken. Drei sterben an dem Tumor, zehn überleben. Eine der zehn hat ihr Leben dabei dem Screening zu verdanken. Diese Zahlen lassen sich verschieden interpretieren. Die Befürworter des Screenings betonen, dass die Brustkrebssterblichkeit um ein Viertel gesenkt werden kann.

    Kritiker stellen in den Vordergrund, dass nur eine der 200 Frauen einen tatsächlichen Nutzen hat, dass aber 60 von ihnen durch einen ersten Verdacht beunruhigt wurden und eine die Operation durchstehen musste, obwohl der Tumor nicht lebensbedrohlich war. Letztlich muss jede Frau für sich entscheiden, wie sie hier Vor- und Nachteile gewichtet. Bislang konnten die Mammografie-Experten noch längst nicht jede Frau überzeugen.

    "Es sind bis jetzt durchschnittlich 54 Prozent der Frauen am Screening beteiligt, wir würden uns hier eine weit höhere Teilnahmerate wünschen."

    So Thorsten Kolterjahn. Die aktuellen Zahlen können die Debatte um das Screening nicht entscheiden. Sie zeigen aber eindeutig, dass die Kooperationsgemeinschaft Mammographie tatsächlich das leistest, was sie sich vorgenommen hat: eine qualitativ hochwertige Früherkennung des Brustkrebses für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren anzubieten.