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Fuchs: Das Ziel sind marktgerechte Preise für erneuerbare Energien

Man müsse diejeningen, die erneuerbare Energien einspeisen, zu marktgerechten Preisen zwingen, sagt Michael Fuchs. Das könnte erreicht werden, wenn die Einspeisevergütung jedes Jahr um zehn Prozent gesenkt werde, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag.

Michael Fuchs im Gespräch mit Peter Kapern | 15.08.2012
    Peter Kapern: Günther Oettinger, der deutsche EU-Kommissar in Brüssel, kritisiert also die Finanzierung der Energiewende in Deutschland, wir haben das gerade gehört. Das war aber nur die eine Attacke, die gestern gegen die deutsche Energiepolitik geritten wurde, die andere startete die deutsche Textilindustrie. Sie will das gesamte EEG, also das Erneuerbare-Energien-Gesetz, in dem die Förderung der Ökoenergie festgelegt ist, zu Fall bringen durch drei Klagen, von denen zumindest eine, so die Hoffnung, früher oder später nach dem Weg durch die Instanzen in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht landen soll. Bei uns am Telefon ist Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen!

    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Kapern!

    Kapern: Herr Fuchs, gestern sind also diese Klagen gegen das EEG vorgestellt worden. Sind diese Klagen die Nägel am Sarg für das Erneuerbare-Energien-Gesetz?

    Fuchs: Wir werden sicherlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz überarbeiten müssen. Es hat dazu geführt, dass wir jetzt bei knapp 3,6 Cent sind pro Kilowattstunde, da kommt ja dann immer noch die Mehrwertsteuer drauf. Es wird aber aufgrund des enormen Zubaus der Solarzellen und des Windes in diesem Jahr einen dicken Strom geben. Experten rechnen mit über 50 Prozent Steigerung. Das heißt, wir werden in eine Größenordnung von 5 bis 5,5 Cent hineinkommen, immer plus Mehrwertsteuer. Und das ist einfach schon eine Größenordnung, die für viele Bürgerinnen und Bürger zu hoch ist, aber auch für die mittelständische Wirtschaft.

    Kapern: Könnte es denn sein, dass Sie sich die Arbeit an einer Novelle dieses Gesetzes sparen können, weil es die Verfassungsrichter kippen? Denn die Kläger, wenn ich das hinzufügen darf, machen sich ja diese Hoffnung mit Verweis auf die Entscheidung über den Kohlepfennig 1994.

    Fuchs: Sicher. Aber ich mische mich grundsätzlich nicht in schwebende Rechtsverfahren beim Bundesverfassungsgericht ein. Das Bundesverfassungsgericht ist eine hoch wichtige, aber auch sehr selbstständige Institution in Deutschland und diese Institution, da möchte ich nichts vorwegnehmen, ich warte ab, was das Gericht entscheidet.

    Kapern: Das EEG muss überarbeitet werden, sagen Sie. Wie denn?

    Fuchs: Ich glaube, dass es wichtig wäre, größere Absenkungen zu machen beziehungsweise vor allen Dingen diejenigen, die erneuerbare Energien einspeisen, dazu zu zwingen, marktgerechte Preise zu machen, die erneuerbaren Energien so umzustellen, dass sie marktgerecht produzieren. Das könnte man zum Beispiel so machen, dass die Einspeisevergütung jedes Jahr um zehn Prozent gesenkt wird. Das heißt, zehn Prozent müssen zu Marktpreisen verkauft werden. Das würde dazu führen, dass schneller marktgerechte Preise durch erneuerbare Energien kommen würden. Das könnte eine große Entlastung bieten.

    Kapern: Könnte denn damit gleichwohl noch die Markteinführung dieser neuen Energien gewährleistet werden? Denn das ist ja das Ziel dieses Gesetzes.

    Fuchs: Der Grund, weswegen ja erneuerbare Energien so exorbitant angestiegen sind in den letzten zwei, drei Jahren, ist eben, dass wir eine Überförderung haben. Andererseits würde nämlich niemand so stark in erneuerbare Energien investieren. Es wird ja immer gesagt, die Absenkungen hätten dazu geführt, dass wir in Deutschland immer weniger hätten. Nein, im Gegenteil: In jedem der letzten Jahre hatten wir einen neuen Rekord, zum Beispiel im Solarbereich, letztes Jahr 7500 Megawatt und dieses Jahr werden es über 8000 werden. Das heißt also, es wird gewaltig investiert, es wird gewaltig aufgebaut, aber auch an Stellen, wo der Strom gar nicht benötigt wird. Das muss dann auch noch kongruent werden. Es kann nicht sein, dass Strom produziert wird, wo er nicht gebraucht wird und keine Leitungen vorhanden sind. Wenn Strom produziert wird, müssen auch die Leitungen vorhanden sein, das muss synchronisiert werden.

    Kapern: Würde das dazu führen, dass im Zweifelsfalle mit Verweis auf fehlende Leitungen eben dieser technologische Umstieg nicht geschafft wird, also die Blockade des Leitungsbaus die Energiewende gewissermaßen sabotieren kann?

    Fuchs: Das glaube ich nicht. Denn das Interesse ist ja vorhanden, in Erneuerbare zu investieren. Nur, es kann ja nicht sein, dass wir beispielsweise im Norden enorme Windkraftanlagen aufbauen, aber keine Leitungen existieren, um den Strom dahinzubringen, wo er gebraucht wird und wo auch die Kernkraftwerke abgeschaltet werden, nämlich im Süden. Der meiste Strom wird in den bayerischen und baden-württembergischen Industriezentren verbraucht, aber im Norden dann erzeugt. Und ohne Leitungen dazwischen bringt das Ganze gar nichts, auch der Umwelt nicht.

    Kapern: Nun verweist die Opposition, Herr Fuchs, darauf, dass die Klagen, die es da gibt über zu hohe Strompreise, eigentlich von der Regierung verursacht oder mit verursacht worden sind, nämlich durch zu viele Ausnahmen von diesem Gesetz, zu viele Ausnahmen für Wirtschaftsunternehmen, die beispielsweise wegen ihres hohen Energieverbrauchs von dieser Abgabe ausgenommen sind. Und das Geld, das durch diese fehlenden Einnahmen ausfällt, müssen dann eben die anderen, insbesondere die privaten Verbraucher mittragen. Hat die Bundesregierung also selbst die hohen Preise für die Privathaushalte verursacht?

    Fuchs: Also, erstens wollen wir festhalten, dass diese Ausnahmen schon unter Rot-Grün beschlossen wurden. Das ist aber auch auf der anderen Seite völlig berechtigt. Wir haben in Deutschland die höchsten Industriestrompreise in ganz Europa. Wir brauchen aber eine wettbewerbsfähige Industrie. Und unsere Industrie - Gott sei Dank haben wir ja noch Wertschöpfungsketten, vom Grundstoff angefangen bis zum fertigen Produkt - braucht Energie in großem Maße. Wenn wir die Energie so verteuern, dass bestimmte Produktionen in Deutschland nicht mehr möglich sind, dann gehen ganze Wertschöpfungsketten verloren. Und das heißt dann am Ende des Tages, dass wir zu einer Deindustrialisierung kommen, wie wir sie in anderen Ländern erlebt haben. Die Amerikaner machen gerade genau das Gegenteil: Sie fördern Schiefergasproduktionen, also Gas aus unkonventionellen Lagerstätten, und fördern ebenfalls die Ölproduktion, um unabhängig zu werden von Importen und um preiswert Energie anzubieten und um damit energieintensive Unternehmen anzulocken. Diesen Wettbewerb können wir nicht gewinnen, wenn unsere große Industrie zu sehr in den Breiten belastet wird. Das heißt, wir müssen daran arbeiten, das so schnell wie möglich abzustellen. Deswegen ...

    Kapern: ... also noch mehr Ausnahmen für die Industrie?

    Fuchs: Nein, nicht noch mehr Ausnahmen, aber das, was wir jetzt an Ausnahmen haben, das muss auch bestehen bleiben.

    Kapern: 125 Euro zahlt der durchschnittliche Haushalt derzeit jährlich für die Energiewende. Wie viel wäre erträglich, Ihrer Meinung nach?

    Fuchs: Das ist natürlich sehr individuell. Das können Sie und ich uns wahrscheinlich leisten. Aber es wird viele geben, die schon Schwierigkeiten damit haben. Zumal ich davon ausgehe, dass diese 125 Euro ganz bestimmt nicht bleiben werden, sondern steigen werden. Aber wir haben die Energiewende gewollt und die Energiewende ist nicht umsonst zu haben.

    Kapern: Herr Fuchs, sprechen wir noch kurz über ein anderes Thema: Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Josef Schlarmann, hat einen Frontalangriff auf die Parteivorsitzende Angela Merkel gestartet. Malte Pieper hat einmal die Vorwürfe Schlarmanns, die er in der "Leipziger Volkszeitung" geäußert hat, zusammengefasst:

    Malte Pieper: Es sind wieder einmal deutliche Worte. Denn einer der größten Fans der Kanzlerin war Josef Schlarmann noch nie, aber die jetzigen Äußerungen kann man wohl getrost als Abrechnung verstehen. Er habe erhebliche Zweifel daran, ob die Union mit Angela Merkel an der Spitze noch genügend Stimmen bei Wahlen holen kann, so der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU. Das Problem sei nur, dass ein potenzieller Nachfolger keine Chance habe, in der CDU nach oben zu kommen, weil die Partei mit einem Wohlfühlprogramm ruhiggestellt werde. Angela Merkel betreibt Politik und Wahlkämpfe mit dem Rechenschieber, behauptet Schlarmann. Es gebe keinerlei grundsätzliche Debatte mehr, weil alles als alternativlos hingestellt werde. Die Parteibasis empfange nur noch Anweisungen, harte Themen wie die Energiewende oder Europa würden in der Union erst gar nicht mehr grundsätzlich behandelt. Letztlich konzentriert sich laut Schlarmann die Macht in der CDU im Kanzleramt, sämtliche Minister seien unmittelbar von Merkel abhängig, Karriere mache nur noch der, der auf Merkels Linie liege, und den Koalitionspartner FDP lasse sie immer wieder einfach auflaufen. Das sei das System Merkel.

    Kapern: Malte Pieper war das zu den Vorwürfen, die der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union Josef Schlarmann gegen die Kanzlerin Angela Merkel erhoben hat. Wie bewerten Sie das, Herr Fuchs?

    Fuchs: Also, ich halte nichts von solchen pauschalen Äußerungen. Und mir wäre es auch viel, viel lieber, wenn Herr Schlarmann im Bundesvorstand - er ist Mitglied im Bundesvorstand genau so wie ich - sich so äußern würde, wie er das jetzt gerade getan hat, wir sollten das dann offen ...

    Kapern: ... tut er das nicht?

    Fuchs: Nein. Wir sollten das dann offen im Bundesvorstand diskutieren. Das finde ich wesentlich sinnvoller als über Medien Vorwürfe zu machen, die nicht substanziiert sind und schon gar nicht in irgendeiner Weise nachvollziehbar sind. Ich arbeite sehr gerne und gut mit der Bundeskanzlerin zusammen und kann Ihnen nur berichten, dass ich das Gefühl habe, dass Angela Merkel mich in keiner Weise unterdrückt. Und ich würde mich auch nicht unterdrücken lassen.

    Kapern: Ja, aber wie ist es denn um die Debattenkultur, die Diskussionskultur in der Union bestellt? Josef Schlarmann ist ja nicht der einzige Kritiker der Strategie "Tina", also There is no alternative und man kann keine andere Entscheidung als die gewünschte fällen.

    Fuchs: Wir sind ja gerade - wir haben ja eben das Thema Energie diskutiert - dabei, nachzuprüfen, ob es Alternativen dazu gibt. Wir haben mit Peter Altmaier jetzt einen exzellenten Umweltminister und ich glaube auch, dass wir zu Alternativen kommen werden. Und diese Diskussion hat die Bundeskanzlerin angeregt, nachdem die vorher nicht in genügendem Maße vorhanden war. Das zeigt ja, dass das, was Herr Schlarmann, was die Energiewende angeht, nicht stimmt. Er hätte das ja auch lange im Bundesvorstand vorbringen können. Ich warte auf solche Äußerungen dann.

    Kapern: Hat sich Angela Merkel, wie Schlarmann sagt, nur noch mit folgsamen Günstlingen umgeben?

    Fuchs: Das halte ich für falsch und auch eine Pauschaläußerung. Da soll er das belegen.

    Kapern: Es gibt ja genügend Hinweise darauf, dass Angela Merkel potenzielle Konkurrenten aus dem Wege räumt oder nicht nach oben kommen lässt. Die Reihe fängt an bei Roland Koch, dem früheren Ministerpräsidenten von Hessen, und endet beim ehemaligen Umweltminister Röttgen.

    Fuchs: Also, ich sehe das zum Beispiel bei Roland Koch vollkommen anders. Roland Koch war über 20 Jahre an vorderster Stelle in der Politik tätig, er war Ministerpräsident fast zehn Jahre lang und er hat irgendwann entschieden, in seinem Leben noch mal was anderes zu machen. Wir fordern ja gerade immer, dass es einen Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft geben soll, das wird ja ständig auf Parteitagen diskutiert, dass zu wenige Leute hin- und hergehen. Und genau das hat Roland Koch gemacht. Also, das ist doch vollkommen normal und auch in Ordnung. Und bei Röttgen liegt die Situation deutlich anders, Röttgen hat eine Wahl in NRW enorm verloren und war wohl auch nicht so besonders erfolgreich als Umweltminister. Und das war der Grund, weswegen Angela Merkel ihn ausgewechselt hat. Wir müssen eine vernünftige Umweltpolitik hinbekommen, die die Leute bezahlen können, die aber auch dazu führt, dass wir bis 2022 aus der Kernkraft ausgestiegen sind. Keine einfache Aufgabe. Und deswegen hat Angela Merkel Peter Altmaier berufen, einen ausgesprochen guten Minister.

    Kapern: Wenn die Vorwürfe unbegründet sind, die Josef Schlarmann erhebt, welche Motive mögen ihn treiben?

    Fuchs: Das müssten Sie ihn eigentlich selbst fragen. Ich kenne seine Motive nicht, ich ärgere mich darüber. Vor allen Dingen ärgere ich mich darüber, dass er solche Pauschalangriffe macht und die nicht substanziiert dann im Bundesvorstand, wo es notwendig wäre diskutiert. Ich warte darauf - ich glaube, nächsten Montag ist wieder Bundesvorstand -, dass Herr Schlarmann seine Vorwürfe dort zur Diskussion stellt und wir alle dann gemeinsam darüber sprechen können.

    Kapern: Michael Fuchs war das, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Herr Fuchs, danke, dass Sie sich heute Morgen für uns Zeit genommen haben!

    Fuchs: Danke, Herr Kapern!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.