Freitag, 29. März 2024

Archiv


Fuchs: "Man kann natürlich schon eine Menge der CDU in NRW anlasten"

Seine Partei habe in NRW "viel falsch gemacht", sagt der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs. Es sei "insgesamt nicht gelungen, unsere Kompetenz darzustellen". Daran müsse auch im Bund gearbeitet werden. Die Erfolge etwa im Bereich der Wirtschaft müssten klarer kommuniziert werden.

Michael Fuchs im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 15.05.2012
    Tobias Armbrüster: Was macht eine Volkspartei, die im bevölkerungsreichsten Bundesland abstürzt auf magere 26 Prozent, und was macht ein Bundesminister, der ein solches Wahldebakel mit zu verantworten hat? Die CDU muss sich nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen am vergangenen Sonntag einige unangenehme Fragen stellen. Der CSU-Chef Horst Seehofer hat das gestern Abend in einem Interview im ZDF sehr deutlich erklärt.

    Horst Seehofer: Wissen Sie, was mir so weh tut, weil ich glaube, dass diese Union und die FDP wirklich ein Potenzial haben in Deutschland, um zu regieren. Und wir machen das einfach nicht so gut, dass wir diese Zustimmung auch von der Bevölkerung erhalten. Es tut mir leid, wir waren im Politbarometer vor wenigen Wochen in der politischen Stimmung bei 43 Prozent. Der Röttgen hat gegen die Frau Kraft mit einem Verhältnis 37 zu 34 begonnen, und innerhalb von sechs Wochen ist das weggeschmolzen – wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht. Das ärgert mich.

    Armbrüster: So weit Horst Seehofer. Und am Telefon ist der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs. Schönen guten Morgen, Herr Fuchs!

    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Herr Fuchs, tut Ihnen das auch ein bisschen weh, was die CDU da zurzeit erlebt?

    Fuchs: Das tut mir nicht nur weh, das ist ein katastrophales Ergebnis für uns, und wir haben viel falsch gemacht.

    Armbrüster: Was genau macht die CDU denn falsch?

    Fuchs: Ja, einmal – und das muss man sagen, fairerweise, Norbert Röttgen hat ja die Verantwortung dafür übernommen – war es natürlich ein Riesenfehler, nicht voll nach NRW zu gehen, der Wähler will jemanden ganz oder gar nicht. Und das hat sich hier gezeigt anhand des Verhaltens der Wähler, denn es ist ja so, dass – und da hat Horst Seehofer recht – dass das Stimmverhältnis der Union vor Beginn des Wahlkampfes weit besser war als nachher das Ergebnis am Ende, das ist schon sehr ärgerlich. Auf der anderen Seite müssen wir auch uns sehr darauf konzentrieren, was denn da passiert ist. Denn es sind ja auch eine Menge Wähler zu den Nichtwählern gegangen – warum haben die mit der Erststimme noch CDU gewählt, aber mit der Zweitstimme nicht mehr? Also der lokale Kandidat wurde gewählt, aber die Zweitstimme haben die uns nicht gegeben, und da müssen wir drüber nachdenken.

    Armbrüster: Herr Fuchs, kann man das denn alles tatsächlich nur dem Kandidaten Norbert Röttgen beziehungsweise der CDU in NRW anlasten?

    Fuchs: Na ja, man kann natürlich schon eine Menge der CDU in NRW anlasten, das muss man auch tun, denn Sie sehen es ja da dran, dass die bundesweiten Umfragewerte nach wie vor bei 35 Prozent liegen. Also die letzten Umfragewerte von Forsa zeigen, dass es heißt, bundesweit ist die CDU nach wie vor weit vor der SPD. Das ist schon dann mehr ein regionales Ereignis gewesen. Dennoch müssen wir auch darüber nachdenken, ob wir im Bund alles richtig machen und unsere Wählerschichten, vor allen Dingen unsere Stammwähler, erreichen.

    Armbrüster: Dann erklären Sie uns doch mal, was muss die CDU insgesamt im Bund besser machen, um an diese Stammwähler ranzukommen?

    Fuchs: Ja, ich bin der Meinung, dass wir vor allen Dingen zeigen müssen, dass wir die Partei der Wirtschaft sind, dass wir die Partei sind, die dafür gesorgt hat, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland so gut ist, wie es ist, wir müssen aufzeigen, dass wir die Partei sind, die dafür gesorgt hat, dass die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung in Deutschland ist, dass wir die beste Jugendarbeitslosigkeit, oder die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa haben. Das sind alles Erfolgszahlen – nur, ja, wie sagt man so schön? Wir bringen die Kraft nicht auf die Straße, dass ärgert mich. Das muss mit uns heimgehen, das ist gute Wirtschaftspolitik, das ist gute Politik von Angela Merkel. Wir sind auch die Partei, die in Europa dafür sorgen wird, dass die anderen Länder mit uns die Schuldenkrise bekämpfen. Die Staaten dürfen nicht weiter Schulden machen, auch das muss mit uns nach Hause gehen. Aber wir müssen es deutlich machen.

    Armbrüster: Norbert Röttgen hat ja vor allem mit der Schuldenbremse Wahlkampf gemacht in NRW. Warum lassen sich mit diesem Stichwort keine Wahlen gewinnen?

    Fuchs: Ich glaube, es lag da woanders, es wurde uns die wirtschaftliche Kompetenz nicht zugetraut, sie wurde Frau Kraft mehr zugetraut in Nordrhein-Westfalen, und das ist ein Fehler gewesen, denn man kann natürlich nicht der Wirtschaft sagen: Ja, diese Old Economy – so die schweren Stahlwerke et cetera – ob wir die in Deutschland noch brauchen, ist eine fragwürdige Geschichte. Das war sicher ein Fehler, der ihm auch geschadet hat. Aber es ist eben insgesamt nicht gelungen, unsere Kompetenz darzustellen, und da müssen wir dran arbeiten.

    Armbrüster: Verwirrt die CDU vielleicht wieder ihre Wähler auch in Deutschland zu sehr? Sie plädiert europaweit für Schuldenbremsen, für eine knallharte Sparpolitik, aber im eigenen Land nimmt sie es mit dem Sparen nicht so genau.

    Fuchs: Auch da können wir noch besser werden, aber man muss schon sagen, dass wir doch eine gute Ecke weitergekommen sind. Ich erinnere da dran, dass Steinbrück Etats aufgestellt hat mit 86 Milliarden Neuverschuldung, Schäuble hat das Ganze halbiert. Wir sind auf dem Weg, die Schuldenbremse voll einzuhalten. Wir werden wahrscheinlich schon in diesem Jahr wieder unter 20 Milliarden Neuverschuldung liegen, und wir werden vielleicht schon im nächsten Jahr unter Zehn kommen können. Und die Steuereinnahmen sprudeln, das ist erfreulich, das heißt also, die Programme, die wir gemacht haben, das hat angeschlagen, das ist nach vorne gegangen, und Deutschland ist auf einem guten Weg.

    Armbrüster: Aber insgesamt können wir wahrscheinlich festhalten, Herr Fuchs, die Wähler der CDU wissen eigentlich nicht mehr genau, wofür die Partei steht.

    Fuchs: Das würde ich nicht so stehen lassen wollen, Herr Armbrüster. Also wir haben schon ganz klare Linien, und die werden auch durch die Bundeskanzlerin eigentlich zum Ausdruck gebracht, denn sie ist ja diejenige, die diese Anti-Schulden-Politik in Europa durchgezogen hat, die es auch in Deutschland durchzieht.

    Armbrüster: Aber Sie haben auch einige deutliche 180-Grad-Wendungen hinter sich.

    Fuchs: Schwierige Situationen, ja. Nun hat man – nehmen wir doch nur mal ein Beispiel, die Bundeswehrreform. Die musste sein, es ist doch keine Wehrgerechtigkeit, wenn von einem Jahrgang gerade mal 16.000 eingezogen werden, und irgendwo…

    Armbrüster: Herr Fuchs, ich glaube, dass so eine Reform sein musste, da sind wahrscheinlich sehr viele mit Ihnen einverstanden, aber wie sie kommuniziert wird, wie sie rübergebracht wurde – und das gilt wahrscheinlich für diese ganzen anderen Wendungen auch –, das hat doch nicht so richtig funktioniert?

    Fuchs: Da gebe ich Ihnen recht, wir können in der Kommunikation noch etliches verbessern. Da muss auch dran gearbeitet werden. Wir müssen diese Politik besser erklären, als wir das bis jetzt getan haben, da arbeite ich mit dran.

    Armbrüster: Der CSU-Chef Horst Seehofer, um noch einmal auf ihn zurückzukommen, der hat jetzt gestern ein Treffen der drei Parteichefs gefordert – Parteichefs von CDU, CSU und FDP –, um diese Wahl in NRW und die Folgen daraus zu besprechen. Wird die CDU darauf eingehen?

    Fuchs: Ich gehe davon aus, dass sich die Spitzenleute permanent treffen werden – das muss ja auch sein –, und man muss auch dieses Wahlergebnis für uns wirklich aufarbeiten. Ich halte nichts davon, dass in den Schubladen verschwinden zu lassen, und Schwamm drüber. Das ist nicht die richtige Politik, wir müssen dieses Wahlergebnis analysieren, wir müssen überlegen, warum die Leute beispielsweise zu den Nichtwählern gegangen sind, aber warum sogar Leute von uns zu den Piraten gegangen sind. Auch darüber muss man sich Gedanken drüber machen.

    Armbrüster: Seehofer hat außerdem gesagt, er will nicht weiter an Koalitionsausschüssen teilnehmen, solange nicht alte Beschlüsse umgesetzt sind, vor allem spricht er da das Betreuungsgeld an. Was sagt uns diese, ich sage mal, Politik des leeren Stuhls über die Stimmung innerhalb der Union?

    Fuchs: Ich halte nichts von Drohgebärden, und ich denke, wir werden da sehr schnell wieder zur Tagesordnung zurückgehen. Man sollte das bitte alles ein bisschen runter hängen. Das bringt nichts, mit öffentlichen Drohungen werden wir mit Sicherheit keine bessere Stimmung für unsere Politik bekommen.

    Armbrüster: Das heißt, Sie finden es nicht ganz okay, wie Horst Seehofer da gestern aufgetreten ist.

    Fuchs: Ich halte nichts von Drohungen, das bringt nichts in der Politik. Man sollte versuchen, sich vernünftig zusammenzusetzen und gemeinsame Linien zu finden. Das ist der richtige Weg, aber wenn man sich gegenseitig schon vor Kameras droht, glaube ich nicht, dass das das Klügste ist.

    Armbrüster: Sagt Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion. Besten Dank, Herr Fuchs, für das Gespräch.

    Fuchs: Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.