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Führer-Verehrung auf Italienisch
Faschismus à la carte

Jetzt hat auch Italien wieder seinen Führer - natürlich nicht Hitler, sondern Mussolini. Der taucht in der Komödie "Sono tornato" 70 Jahre nach seinem Tod plötzlich wieder auf. Das Verhältnis Italiens zum Faschismus ist aber ein gänzlich anderes als das Deutschlands zum Nationalsozialismus.

Von Tassilo Forchheimer | 09.02.2018
    Bei der Präsentation des Filims "Sono tornato" in Rom: Regisseur Luca Miniero mit den Darstellern Massimo Popolizio und Frank Matano.
    "Die Züge waren immer pünktlich": Präsentation des Mussolini-Filmes "Sono tornato" in Rom (imago / IPP / Gioia Botteghi)
    Mehr als 70 Jahre nach seinem Tod fällt der Diktator einfach vom Himmel. So beginnt das Remake der deutschen Komödie "Er ist wieder da". Wer den deutschen Film kennt, dem wird in "Sono tornato" vieles bekannt vorkommen.
    Schnell wird allerdings klar. Die Italiener haben ein anderes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit.
    Da wünscht sich einer allen Ernstes die Diktatur zurück – mit der typisch italienischen Einschränkung, zu streng dürfe sie aber nicht sein.
    Im Film ist das lustig, aber auch nur, solange man nicht tiefer darüber nachdenkt. Denn 65 Prozent der Italiener, so eine neue Meinungsumfrage, glauben, dass Italien in der aktuellen Lage tatsächlich einen starken Mann an seiner Spitze braucht.
    Nicht alle denken dabei an einen neuen Mussolini, aber selbst das wünschen sich einige, wie zum Beispiel Davide Di Stefano von der rechtsextremistischen Casa Pound.
    Davide Di Stefano: "Für uns ist Mussolini der Vater des Vaterlandes. Denn er hat die Einheit Italiens vollendet, er hat, wenn wir so wollen, das Erbe Roms angetreten und diese Nation aufgebaut. Und er hat ein neues politisches Modell geschaffen, das für uns das richtige ist."
    Keine Rede von den Verbrechen der Faschisten
    Ein rechter Spinner, den sicher keiner ernst nimmt, könnte man meinen. Doch tatsächlich macht die militante Gruppe andere Erfahrungen.
    Davide Di Stefano: "Als wir zur Demonstration der Lega gegangen sind, haben die Leute applaudiert. Hier ist es anders als in Deutschland. Die Beziehung zum Faschismus in Italien ist als historische Erfahrung nicht dieselbe wie in Deutschland die Beziehung zum Nationalsozialismus. Da gibt es einen großen Unterschied."
    In Italien gilt es als ziemlich normal, auf die echten oder vermeintlichen Verdienste des Faschismus hinzuweisen. So meinte Matteo Salvini, der Chef der fremdenfeindlichen Lega Nord, erst vor wenigen Tagen in einem Radiointerview, das sei doch offensichtlich, das müsse man doch sagen dürfen.
    Vom Rassenhass, den Schrecken des Krieges und all den anderen Verbrechen der Faschisten ist in solchen Zusammenhängen nicht die Rede. Der römische Soziologe Emanuele Toscano erklärt, viele Italiener hätten sich über die Jahre für einen "Faschismus à la carte" entschieden.
    "Was uns gefällt, nehmen wir, was uns nicht gefällt, ignorieren wir. Wir tun so, als gäbe es das nicht. Die Züge waren immer pünktlich. Das ist einer der Sätze, den man über den Faschismus sagt."
    Positive Reaktionen auf faschistische Vergangenheit
    Fragt man die Leute auf der Straße nach der faschistischen Vergangenheit Italiens kommen in der Tat viele positive Reaktionen.
    "Mussolini hat auf jeden Fall einige gute Dinge gemacht. Was unsere Großeltern erzählen, die nationale Gesundheitsfürsorge, das Kümmern um die Jugend, die Kolonien, der Kult um den Sport, um die Familie."
    "Er hat gute Dinge gemacht. Meiner Meinung nach: Je mehr strenge Regeln es gibt, desto besser."
    "Leider hat Italien nicht dasselbe wie Deutschland gemacht: Bei euch hat es die Entnazifizierung gegeben, bei uns Italien nicht."
    Dieser Mangel erweist sich nun als ernst zu nehmendes Problem, das selbst Staatspräsident Sergio Mattarella zu beunruhigen scheint. Erst vor wenigen Tagen sagte er in einer Fernsehansprache:
    "Es überrascht, wenn auch heute noch gesagt wird, dass der Faschismus Verdienste hatte, aber zwei schwere Fehler begangen habe: die Rassengesetze und den Kriegseintritt. Das ist eine total falsche und inakzeptable Aussage, die entschieden zurückgewiesen werden muss. Denn Rassismus und Krieg waren keine Fehlentwicklungen der faschistischen Denkweise, sondern deren direkte Folge."