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Fünf-Finger-Methode für den Baumwollanbau

Die Cotton Schools sind ein internationales Programm in Sambia, das afrikanische Baumwolle wettbewerbsfähig auf den Markt bringen will. Dabei werden auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Baumwollbauern verbessert.

Von Stefan Maas | 23.02.2013
    Es ist früher Nachmittag, die Männer haben sich im Schatten dürrer Bäume niedergelassen. Die Sonne sticht, während sich die Frauen vor dem kleinen Lehmhaus im Kreis bewegen. Ein paar Schritte vor, ein paar zurück. Manchmal drehen sie sich um die eigene Achse. Dabei strecken sie Finger um Finger. Sie zählen. Sie singen den Five Finger Song. Das ist die Fünf-Finger Methode für den richtigen Baumwollanbau.

    Die eins steht für die rechtzeitige Vorbereitung des Bodens. Gestrüpp ausreißen, Steine und Zweige fortschleppen und Furchen ziehen. Die Zwei: frühes Pflanzen. Rechtzeitig, wenn der Regen kommt. Drei: Die Baumwollpflänzchen ausdünnen, vier: Jäten. Fünf: Schädlinge bekämpfen, damit die Pflanze wachsen kann.

    Weil ein großer Teil der Männer und Frauen nicht richtig lesen und schreiben kann, werden die Lektionen in der Baumwollschule in kleine Theaterstücke verpackt. Oder eben in Lieder.

    "Es ist wichtig, dass wir uns regelmäßig in der Cotton School treffen, damit die Farmer Neues lernen, über das sie sonst nie etwas erfahren würden.""

    Kingswell Nilongo ist der Vorsitzende der Cotton School. Seit drei Jahren gibt es Treffen wie diese in einigen Regionen Sambias. Die Schulen sind Teil eines internationalen Programms, das unter anderem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und von privaten Baumwollfirmen finanziert wird. Ziel des Compaci-Programms: afrikanische Baumwolle wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt zu machen und dabei die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bauern zu verbessern. Denn Afrika kann nicht mit China, Indien und den USA mithalten. Dort gibt es riesige Plantagen, Erntemaschinen und hohe Subventionen. In Afrika bauen zumeist Kleinbauern die Baumwolle an. Oft fehlt ihnen das Geld für Dünger und Pestizide. Der Boden ist trocken und ausgelaugt, die Ernte meist mager.

    Goodness Chirwa und ihr Mann sind gegen fünf Uhr morgens auf ihr kleines Feld gegangen. Mit ihren Hacken, einem grob behauenen Stiel und einer handgroßen Metallklinge, bearbeiten sie den harten, roten, sandigen Boden.
    "Außerhalb der Regenzeit gehen wir oft schon um vier Uhr aufs Feld und arbeiten bis neun. Danach wird es zu warm. Wenn es dann regnet, gehen wir erst um sechs und arbeiten bis um eins."

    Vier bis fünf Hektar bewirtschaften die meisten Familien im Schnitt. Dort bauen sie Mais, Soja, Sonnenblumen, Erdnüsse und Gemüse an. Meistens für die eigene Küche. Auf rund einem Drittel der Fläche wächst Baumwolle. Eine sogenannte Cashcrop. Eine Geldpflanze.

    Im vergangenen Jahr haben die sambischen Bauern im Durchschnitt 655 Kilo pro Hektar geerntet. Das hat ihnen brutto 250 Dollar eingebracht. Ihr Verdienst nach Abzug der Kosten für Saatgut und Dünger: 160 Dollar.

    Zum Vergleich: In anderen Weltgegenden werden bis zu 2000 Kilo pro Hektar geerntet. Dennoch ist Frans Grey zufrieden. Der freundliche Mann mit dem Schnauzer ist in Sambia zuständig für die Baumwollsparte des international agierenden Agrarkonzerns Cargill. Seit seine Firma vor gut drei Jahren begonnen hat, mit dem Compaci-Programm zusammenzuarbeiten, registriert er deutlich ansteigende Ernteerträge.

    "Wegen des Compaci Programms. Das konzentriert sich sehr stark auf Training für die Farmer, die richtigen Anbaumethoden. Das hat den Ertrag innerhalb von zwei Jahren um mehr als ein Drittel gesteigert. Und dann von der letzten Saison auf diese noch einmal vier Prozent."

    Davon profitiert natürlich auch seine Firma. Cargill finanziert seinen mittlerweile weit über 100.000 Vertragsbauern zu Beginn der Pflanzsaison Saatgut und Dünger vor, was später mit dem Erntepreis verrechnet wird. Außerdem garantiert die Firma den Bauern, ihre Ernte zu kaufen. Vor allem aber sind Cargill-Mitarbeiter im ganzen Land unterwegs und unterrichten in den mehr als 2000 cotton schools. Zunächst habe sich dieses Angebot vor allem an die Männer gerichtet, erklärt Franz Grey. Dann aber habe man erkannt, dass eine andere Gruppe noch viel mehr davon profitiert: Die "lady farmers":

    "Die weiblichen Farmer sind extrem wichtig. Mittlerweile sind ein Drittel unserer Farmer Frauen. Die Zahl ist seit zwei Jahren sprunghaft gestiegen. Sieben Prozent im einen Jahr. Und dann noch einmal sieben Prozent. Jetzt haben die Frauen ihre eigenen cotton schools. Die Frauen Klubs sind sehr gut angenommen worden. Und die Frauen sind extrem gute Farmer. Sie arbeiten hart und sind damit das Rückgrat der Familien in Sambia."

    Mittlerweile gibt es über 800 dieser Women's Cotton Clubs. Viele Nichtregierungsorganisationen treten inzwischen ganz gezielt an die Frauen heran, wenn es um die Themen, Gesundheit, Aufklärung und andere gesellschaftliche Fragen geht.
    Für Goodness Chirwa, selbst Vorsitzende eines Women's Clubs mit 26 Mitgliedern, sind solche Treffen enorm wichtig:

    "Das Wichtigste ist, dass sich die Frauen regelmäßig treffen, dass sie ein bisschen Geld machen können. Dass wir als Frauen zeigen, dass wir füreinander einstehen."

    Jeder Frauenklub bekommt ein kleines Stück Land von der Regionalverwaltung gestellt, das die Mitglieder zusammen bewirtschaften - ein kleines zusätzliches Einkommen in einer armen Gegend.

    "Bei den Treffen geht es um mehr als nur Baumwolle. Diejenigen, die sich mit ein bisschen Handel oder mit geschäftlichen Abläufen auskennen, bringen es den anderen bei. Jede, die ein Handwerk beherrscht, bringt es den anderen bei, damit sie Geld für ihre Familien verdienen können."

    Auch bei den Chirwas hat sich der Ernteertrag über die Jahre gesteigert, dennoch haben sie in der letzten Saison weniger verdient als noch im Jahr zuvor. Der Grund: Innerhalb eines Jahres hat sich der Weltmarktpreis für Rohbaumwolle halbiert. Von außergewöhnlich hohen 1,50 Dollar pro Pfund im Jahr 2011 auf inzwischen 75 Cent. Viele Bauern, die wegen der hohen Preise letztes Jahr erstmals Baumwolle angebaut haben, werden es nach dem Preissturz wohl zukünftig wieder sein lassen, befürchtet Goodness Chirwa. Den Mitgliedern in ihrem Frauenklub aber rät sie, auch zukünftig bei der Baumwolle zu bleiben. Denn Baumwolle sei die Zukunft. Davon singen die Frauen sogar manchmal, wenn sie sich in ihrem Women's Cotton Club treffen.