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Fünf Jahre Chanson des Monats
Der alte böse Kanzler

In diesem Monat feiert ein einzigartiges Radioprojekt sein Jubiläum: Thomas Pigor produziert sein sechzigstes Chanson des Monats. Fünf Jahre jeden Monat ein Chanson zu einem aktuellen Thema. Häufig politisch, kabarettistisch, zuweilen auch saisonal - Pigor hat eine breite Palette an Themen zu bieten.

Von Thomas Pigor | 01.10.2015
    Thomas Pigor für Chanson des Monats Oktober Corso
    Thomas Pigor feiert Jubiläum: Fünf Jahre Chanson des Monats im Deuschlandfunk (Deutschlandradio / Thomas Pigor)
    Thomas Pigor ist ein deutscher Kabarettist, Liedermacher, Buchautor und Komponist. Pigor ist seit Ende der 1970er-Jahre als Musikkabarettist mit verschiedenen Bühnenprogrammen unterwegs.
    Vom melancholischen Edmund Stoiber im Brüsseler November 2010 bis zum "Welcome To Germany" zur Flüchtlingsproblematik im September 2015: Pigor entwickelt einen eigenen satirischen Blick auf die Welt, manchmal böse, manchmal grüblerisch, manchmal schmunzelnd. In der Rückschau stellt sich die Songreihe als eine musikalische Chronik der letzten fünf Jahre dar.

    Pigor fährt dabei eine erstaunliche Bandbreite an Stilistiken auf. Lieder im Singer-Songwriter-Stil (21) sind ebenso zu finden wie Punkrock (37), Techno (32), Gitarren-Swing (15), die Brecht-Eisler-Parodie (53), Comedian Harmonists-Stil (58) oder die volkstümliche Blaskapelle (33). Bei aller Unterschiedlichkeit haben die Songs jedoch eines gemein: Das zentrale Element sind die Lyrics. Aktuelles "Chanson à texte" im besten Sinne - wie auch sein sechszigstes Werk, das Chanson des Monats Oktober zeigt:

    Der alte böse Kanzler
    Text und Musik: Thomas Pigor
    Der alte böse Kanzler denkt oft mit Vergnügen
    An seine längst vergangne Kanzlerschaft zurück
    Und die Erinnerung an seine Intrigen
    Bereitet ihm ein stilles kleines Glück
    Die Einheit, der Euro, das woran jeder zuerst denkt
    Ist für den Kanzler im Nachhinein geschenkt
    Doch wie er den Wolfgang S. im achtundneunziger Jahr
    In aller Öffentlichkeit düpierte
    Und gegen ihn, der sein designierter Nachfolger war
    Einfach noch mal kandidierte
    Oder wie er in der Spendenaffäre zu seinem Wort stand
    Nein, er hat der Meute bis heute keine Namen genannt
    Da hat er allen mal gezeigt, dass ein Ehrenmann schweigt
    Auch wenn er damit sein Image vergeigt
    Das erfüllt ihn bis heute mit Freude und Stolz
    Er ist eben ein Mann aus ganz anderem Holz
    Doch es gibt eine Bosheit, die ihn ganz besonders freut
    Sie ist zum Glück unentdeckt geblieben bis heut
    Warum wurde, fragt sich mancher, mit dem Einheitsvertrag
    Grad der 3. Oktober Nationalfeiertag
    Wo doch der 9. November viel passender wär
    Die Antwort darauf weiß nur er
    Wir feiern am 3. Oktober jahrein und jahraus
    Eigentlich den Todestag von Franz Josef Strauß
    Das ist des alten bösen Kanzlers heimliche Freud'
    Seine Rache für Wildbad Kreuth
    Was hat ihn dieser Strauß erst ignoriert und dann vorgeführt
    Ach wie hat der Kanzler diesen Feiertag so trefflich platziert
    Der 3. Oktober man hielt ihn für verrückt
    Doch dann hat er das Datum einfach durchgedrückt
    Wir feiern am 3. Oktober jahrein und jahraus
    Eigentlich den Todestag von Franz Josef Strauß
    Seinem alten Widersacher hat er damit posthum noch einen Tiefschlag versetzt
    Ja dieser Strauß hat ihn immer unterschätzt
    Und wenn man am Tag der Deutschen Einheit auf staatstragend macht
    Sitzt der alte böse Kanzler vorm Bildschirm und lacht
    Was die Patrioten nicht wissen, sie feiern
    Eigentlich den Abgang des grässlichen Bayern