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Fünf Länder fürchten den Atommüll

Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe haben heute fünf Bundeländer Klage gegen die von Schwarz-Gelb beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke eingereicht. Sie fürchten mehr Müll, mehr Transporte, mehr Proteste und dadurch einen erhöhten Sicherungsaufwand.

Von Christel Blanke | 28.02.2011
    Georg Ehring: Wie lange werden Deutschlands Atomkraftwerke noch laufen? Das letzte Wort darüber wird wohl das Bundesverfassungsgericht haben. Die Bundesregierung hat die Laufzeiten bekanntlich verlängert, SPD und Grüne hatten Klagen dagegen angekündigt. Heute haben die Bundestagsfraktionen der beiden Parteien und das Bundesland Rheinland-Pfalz als Koordinator von fünf Ländern in Berlin erläutert, wie sie vorgehen wollen. Christel Blanke in Berlin, wie wollen sie denn nach Karlsruhe ziehen?

    Christel Blanke: Auf jeden Fall haben sie heute Morgen um 8:45 Uhr Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie, das sind die SPD-Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Brandenburg und Berlin. Die Länder wenden sich gegen die 11. Atomgesetznovelle, die längere Laufzeiten für die 17 deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre vorsieht. Die Bundesregierung habe damit die Rechte der Länder verletzt, sagt die Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher von den Linken. Sie räumte ein, dass es in Berlin ebenso wie in den anderen vier Klageländern keine Atomkraftwerke gebe:

    "Dennoch ist Berlin ein Bundesland, dem außerordentlich daran liegt, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Grundgesetzes eingehalten werden bei der Politikgestaltung in einem föderalen Land."

    Der Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund, Karl-Heinz Klär, der heute die Umweltministerin vertrat, weil die wegen Nebels nicht fliegen konnte, warf der Bundesregierung vor, wissentlich einen Verfassungsbruch in Kauf zu nehmen und die Länderrechte zu missachten. Die Länder üben ja die Aufsicht über die Atomkraftwerke aus in sogenannter Bundesauftragsverwaltung. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Aufgaben der Länder durch die, wie sie sagt, moderaten Laufzeitverlängerungen nicht qualitativ, sondern nur quantitativ verändern, und deshalb müssten die Länder nicht gefragt werden. Dem widersprechen nun die klagenden Länder. Unter anderem, so Klär, verändere sich die Aufsichtstätigkeit ...

    " ... durch die Alterung und die zunehmende Störanfälligkeit der Atomkraftwerke sowie die damit einhergehende erforderliche Nachrüstung in substanzieller Weise."

    Ebenso wie Klär weist auch der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske von den Grünen darauf hin, dass sich zwar in ihrem Land keine Atomkraftwerke befinden, aber in unmittelbarer Nähe der Landesgrenze und Bremen deshalb zum Beispiel sehr wohl betroffen sei, auch durch zunehmende Transporte von Atommüll über Bremer Territorium

    "Das ist für uns stets mit erheblichen Sicherungsaufwendungen verbunden und bei verlängerten Laufzeiten ist mit mehr Müll, mit mehr Transporten, mehr Protesten und mehr Sicherungsaufwand zu rechnen."

    Die Bundesländer stehen auch hinter der Klage, die Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen heute vorgestellt haben. Sie wollen aus den gleichen Gründen wie die Länder gegen die 11. Atomgesetznovelle klagen, aber auch gegen die 12. Novelle. Darin geht es unter anderem um die Sicherheitsanforderungen an die Atomkraftwerke. Bärbel Höhn von den Grünen sagt, vor allem die längeren Laufzeiten der alten Reaktoren schafften neue Gefahren für Mensch und Umwelt

    "Alte Atomkraftwerke, in die in den letzten Jahren, weil sie abgeschaltet werden sollten, nichts mehr investiert worden ist an Sicherheit, diese alten Atomkraftwerke sollen jetzt länger laufen."

    Die Rechtsexperten von SPD und Grünen stellen die Betreiberpflicht, die mit dem Paragrafen 7d in der 12. Atomrechtsnovelle eingeführt wird, in Frage. Der Bundesumweltminister habe versucht, Anlagen, die eigentlich hätten abgeschaltet werden müssen nach bisher geltendem Recht, am Netz zu halten, ohne neue Verwaltungsauflagen für die Länder zu schaffen. Deshalb habe er den Betreibern die Pflicht auferlegt, ein zusätzliches Schutzniveau zu gewährleisten, doch der Betreiber könne das gar nicht, erklärte Rechtsanwalt Hartmut Gassner:

    "Der Betreiber ist in einer unmittelbaren Abhängigkeit von der Verwaltung, und das wird in Karlsruhe von ganz wesentlicher Bedeutung sein, nämlich die Frage, wie ist es gewährleistet, dass die jetzigen Anlagen, die nicht vom Netz gehen, an den Stand von Wissenschaft und Technik wieder herangeführt werden."

    SPD und Grüne wollen ihren Antrag auf Normenkontrolle in den nächsten Tagen in Karlsruhe einreichen, wahrscheinlich morgen oder übermorgen. Klagen tun hier übrigens nicht die Fraktionen, sondern die Abgeordneten, also einzelne Abgeordnete tun sich zusammen, um diese Klage einzureichen, und dieser Klage können sich prinzipiell alle Abgeordneten anschließen, also auch von der Linksfraktion, oder auch aus den Koalitionsparteien, und das notwendige Quorum von 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten, das sei aber bereits erreicht, erklärt Jürgen Trittin von den Grünen.

    Ehring: Christel Blanke war das zur Verfassungsklage gegen längere Atomlaufzeiten. Herzlichen Dank nach Berlin. Und zum Thema Atomkraft hier noch eine Meldung: Bis Ende 2013 soll der Rückbau des stillgelegten Kernkraftwerks im rheinland-pfälzischen Mülheim-Kärlich weitgehend beendet werden. Wenn alles nach Plan laufe, könne dann auch mit dem Abriss des Kühlturmes begonnen werden, sagte eine Sprecherin des von RWE gebauten Kraftwerks auf DAPD-Anfrage. Am 1. März 1986, also vor 25 Jahren, hatte der umstrittene Meiler für kurze Zeit seinen Probebetrieb aufgenommen. Da das Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet steht, ist der Weiterbetrieb der Anlage aber gerichtlich verboten worden.