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Fünf-Sterne-Bewegung
Der italienische Sebastian Kurz

Wenn Sebastian Kurz Kanzler wird, wäre er mit 31 Jahren der jüngste Regierungschef in der EU. Wenn es nach Luigi Di Maio ginge, wäre der Österreicher bald in guter Gesellschaft: Di Maio ist ebenfalls 31, Spitzenkandidat der populistischen "Fünf-Sterne-Bewegung" und er will Regierungschef werden.

Von Jörg Seisselberg | 17.10.2017
    Luigi Di Maio, Spitzenkandidat der populistischen "Fünf-Sterne-Bewegung"
    In einer aktuellen Umfrage liegt Di Maio erstmals italienweit an der Spitze aller Politiker. (imago stock&people/ Giuseppe Ciccia)
    Er ist 31 Jahre alt, smart, gutaussehend, verspricht eine harte Hand gegen Einwanderer und ist derzeit der beliebteste Politiker im Land. Auf den ersten Blick wirkt der Mann aus der Gegend von Neapel wie die Italo-Kopie des Wahlsiegers in Österreich. Es sei Zeit für eine neue Generation, sagt Di Maio, auch in Italien:
    "Ich glaube sehr daran, dass dies der Moment der Jungen ist - sowohl in unserem Land, aber auch auf internationaler Ebene. Die großen Revolutionen machen heute die Jungen, in der Entwicklung der neuen Technologien, mit ihren Unternehmensgründungen."
    In einer aktuellen Umfrage liegt Di Maio erstmals italienweit an der Spitze aller Politiker. Das freundliche Gesicht der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hat in der Beliebtheit auch den wieder zurück zur Macht strebenden Sozialdemokraten Matteo Renzi überholt. Aus Sicht der Di Maio-Anhänger gehört der ehemalige Ministerpräsident mit seinen 42 Jahren bereits zum alten Eisen.
    Beppe Grillo hat den Studienabbrecher zu seinem politischen Ziehsohn gemacht
    Di Maio, Sohn eines ehemaligen Lokalpolitikers der postfaschistischen Alleanza Nazionale, ist erst seit relativ kurzer Zeit auf der großen politischen Bühne aktiv. Nach einem nicht abgeschlossenen Studium schlug er sich zunächst mit Gelegenheitsjobs durch, ehe ihn Beppe Grillo, der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, zu seinem politischen Ziehsohn machte. Nach einer Internet-Abstimmung rief ihn Grillo persönlich vor kurzem vor zahlreichen Anhängern zum Spitzenkandidaten seiner Partei für die Parlamentswahl im kommenden Jahr aus: "Ein gewisser Luigi Di Maio hat gewonnen, hat 30.936 Stimmen bekommen."
    Wie in einer TV-Castingshow hatte Grillo sich zuvor von einem Notar auf der Bühne den Umschlag mit dem Ergebnis reichen lassen, danach regnete es Konfetti auf den Sieger.
    Di Maio ist in seinem Habitus so etwas wie der Gegenentwurf des Gründers und Übervaters der Fünf-Sterne-Bewegung. Für die Protestpartei ein Chance - denn Grillo begeistert zwar seine Anhänger, andere aber wenden sich entsetzt ab, wenn der ehemalige Komiker mal wieder mit hochrotem Kopf und sich überschlagender Stimme seine Zukunftsvisionen für Italien herausschreit: "Ein Junge muss mit freiem und kostenlosem Zugang zum Internet geboren werden, mit einem freien und kostenlosen E-Mail-Zugang. Und er muss mit einem sofortigen Grundeinkommen zur Welt kommen, dass ihm auf einer Kreditkarte gutgeschrieben wird."
    Luigi Di Maio hat einen konzilianteren Ton als Grillo
    Inhaltlich trägt Di Maio alle Positionen der Grillo-Partei vorbehaltlos mit - auch die, gegebenenfalls ein Referendum auszurufen, um Italien aus dem Euro zu führen. Der meist elegant mit Anzug und Krawatte auftretende Di Maio versteht es aber - anders als Grillo - Politik in einem verbindlicheren Ton zu vermitteln, auch wenn die Abneigung gegen Europa die gleiche ist: "Wir [in Italien] sind die einzigen, die in Europa ihre Hausaufgaben machen müssen - und deswegen immer neue Rekordhöhen bei den öffentlichen Schulden erreichen. Die anderen Länder durchbrechen die Drei-Prozent-Grenze, investieren in die Unternehmen oder in die Familienpolitik und wachsen doppelt so stark."
    Als Vizepräsident der Abgeordnetenkammer - der jüngste aller Zeiten in Italien - hat Di Maio in den vergangenen vier Jahren den staatsmännischen Auftritt geübt, ist höflich, begegnet auch Gegnern - anders als der bärbeißige Grillo - stets mit einem strahlenden Lächeln. Für viele verkörpert er die Hoffnung auf einen Neuanfang in der italienischen Politik.
    Gelegentlich gibt es Kratzer am Image, dann zum Beispiel wenn Di Maio seinen Gegenspieler Renzi mit dem früheren Diktator Pinochet vergleicht und behauptet, Pinochet habe nicht in Chile, sondern in Venezuela geherrscht. Geschadet haben Di Maio derartige Patzer bislang nicht. Für Grillo und seine Fünf-Sterne-Bewegung steht fest: Ihr Jungstar wird für sie im kommenden Jahr als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in den Wahlkampf ziehen.