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Für eine bessere Welt ab 2015

Bis 2015 soll die Zahl der armen Menschen auf der Welt halbiert sein und Kindersterblichkeit drastisch gesenkt werden - so steht es in den Millenniumzielen der Vereinten Nationen. Für die Zeit danach wird über weitere Ziele nachgedacht. Anregungen kommen auch von kirchlichen Initiativen.

Von Monika Hoegen | 25.09.2013
    Kinder in einer Schulklasse in Ghana. Grund zum Singen haben sie – denn das westafrikanische Land gehört zu den Ländern, die mit Blick auf die Millenniumsziele gut da stehen. Vor allem bei Ziel Nummer zwei, der Grundschulbildung für alle Kinder, wurden in Ghana große Erfolge erzielt. Auch Ruanda, Uganda, Äthiopien, Malawi oder Burkina Faso gelten als Vorzeigekandidaten im Kampf gegen Armut und Benachteiligung. Und so fällt die Bilanz der Millenniumsziele auf den ersten Blick gut aus: Heute leben nur noch halb so viele Menschen in extremer Armut wie 1990. Auch beim Ziel Nummer sieben, bessere Zugänge zu sauberem Trinkwasser, wurden Fortschritte erzielt.

    Doch schaut man genauer hin, ergibt sich ein anderes Bild: Bei der Gesundheit von Müttern und Kindern in den Entwicklungsländern sieht es weiterhin düster aus, Länder wie Kongo und Nigeria setzen zu wenig Eigenmittel für den Gesundheitssektor ein. Auch die Zahl der unterernährten Menschen weltweit stieg in den vergangenen Jahren wieder - unter anderem Folge hoher Nahrungsmittelpreise. Die Folgen des Klimawandels verschärfen ebenfalls die Armut weltweit.

    Entwicklungsexperten ringen daher um eine neue, globale Agenda zur Armutsbekämpfung für die Zeit nach dem Jahr 2015, die neben Armutsbekämpfung Themen wie Umweltschutz, Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte umfassen soll. Dass eine solche, neu gestaltete Agenda nötig ist, darüber bestehe kein Zweifel, sagt Bernd Nilles, Generalsekretär von CIDSE, einem Zusammenschluss katholischer Nichtregierungsorganisationen aus Europa und den USA mit Partnerorganisationen in vielen Entwicklungsländern. Nilles nimmt bei den Vereinten Nationen an den Debatten um die Neuformulierung der Millenniumsziele teil. Bernd Nilles:

    "Ich denke, wir haben gesehen, dass reine Armutsbekämpfungsziele jetzt ihre Grenzen erreichen. Die Welt hat sich verändert, die ganze geopolitische Lage ist anders. Und in diesem neuen Kontext brauchen wir auch neue Entwicklungsziele."

    Dabei gehe es vor allem darum, Strukturen zu verändern, die für Armut, Benachteiligung und Umweltzerstörung verantwortlich sind – darunter unfaire Handelsbedingungen, Steuerflucht oder nicht-nachhaltiger Konsum. Immer mehr Geld allein reiche für Entwicklung nicht, so Nilles.

    "Gebt uns 50 Euro und dann ist den armen Kindern geholfen. Damit bekommt man natürlich sehr leicht Spendengelder. Aber es wirkt nicht wirklich im Bereich der Ursachen von Armut. Das darf aber keine billige Entschuldigung sein von Regierungen, einfach blind Geld zu kürzen."

    Darüber hinaus müsse das alte Klischee - Wir im Norden helfen Euch im Süden - aufgebrochen werden, sagen die Vertreter der kirchlichen Entwicklungsorganisationen. Denn die künftige Agenda werde allen gleichermaßen Veränderungsbereitschaft abverlangen. Klaus Schilder von Misereor formuliert es so:

    "Wirklich neu an der neuen Agenda ist, dass alle Länder in die Verantwortung genommen werden, eben auch die Industrieländer für ihre ökologischen Schäden, die sie durch nicht nachhaltige Wirtschaftspraktiken verursachen. Das wird ein erhebliches Umdenken gerade auch in den Gesellschaften des Nordens erforderlich machen."

    Damit wollen die kirchlichen Vertreter auch ihren Partnern im Süden die Sorge nehmen, wonach den Entwicklungsländern umweltpolitische Maßnahmen auferlegt werden, aber die Armutsbekämpfung in den Hintergrund gerät. Um das zu vermeiden, komme es vor allem darauf an, die Agenda demokratisch zu gestalten, sagt Bernd Nilles von CIDSE.

    "Erstens brauchen wir von New York jetzt einen klaren Fahrplan, was die nächsten Schritte sind. Wer ist an den Verhandlungen beteiligt? Wird es auch weiterhin möglich sein, für die Zivilgesellschaft, für auch arme Bevölkerungsgruppen ihre Stimme im weiteren Prozess zu erheben. Wird man an die bitteren Themen rangehen, an die keiner so richtig ran will? Die Frage, wie organisieren wir unsere Wirtschaft in der Zukunft? Wie machen wir sie wirklich ökologisch nachhaltig? Wie reduzieren wir unsere CO2-Emissionen? Welche Auswirkungen hat das für die Bevölkerungen? Das Umdenken hin zu neuen Lebensstilen. Das sind für uns wichtige Fragen. Eine weitere wichtige Frage für die katholischen Hilfswerke ist: Würde des Menschen, was auch der Generalsekretär der UNO angesprochen hat, zu verknüpfen mit Rechten."

    Ein Beispiel sind für Nilles die Rechte der Frauen. Zwar sei in den Millenniumszielen der Kampf gegen die Müttersterblichkeit oder auch gleichberechtigter Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen vorgesehen – aber dabei handele es sich eben nicht um ein einklagbares Recht. Eine künftige globale Entwicklungsagenda müsse Frauen weltweit die gleiche rechtliche und gesellschaftliche Stellung verschaffen wie Männern.

    Bei all diesen Forderungen gibt es dennoch ein Problem: Die neue Entwicklungsagenda wird genauso wenig einklagbar sein, wie es vor ihr schon die Millenniumsziele waren. Klaus Schilder von Misereor hofft aber, dass es ein Überprüfungsverfahren geben wird, mit dessen Hilfe Druck auf Politiker und Regierungen ausgeübt werden kann, die Agenda auch einzuhalten.

    "Aus Sicht einer entwicklungspolitischen Menschenrechtsorganisation gibt es gute Beispiele. Zum Beispiele das reguläre Berichtsverfahren im Menschenrechtsrat, das Staaten dazu zwingt, Farbe zu bekennen. Und das es im Übrigen der Zivilgesellschaft erlaubt, Schattenberichte einzureichen. Ein solches verbindliches Berichtsverfahren könnten wir uns auch für eine globale Nachhaltigkeitsagenda vorstellen."

    Insgesamt zeigen sich die Vertreter der kirchlichen Entwicklungsorganisationen optimistisch, dass sie jetzt und bei den weiteren Verhandlungen in New York etwas erreichen können – besonders wenn man ökumenisch zusammenarbeite. Bernd Nilles:

    "Die Kirche wird bei den Vereinten Nationen sehr stark gehört. Es ist vielleicht manchmal in Deutschland so, dass man das Gefühl hat, na ja, die Kirche zum Beten und die Politik ist was Anderes. Aber im weltweiten Kontext muss man schon sagen, dass die kirchliche Perspektive auch eine große Anerkennung findet. Das hat gute Gründe, denn die katholische Lehre spricht ja nicht nur über Moral und so weiter, sondern spricht ja auch über Würde, über Gerechtigkeit, über den Ausgleich zwischen allen Menschen auf der Erde, hat eine sehr starke globale Perspektive."