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Für einen neuen Bart nach Istanbul

Der boomende Medizintourismus in der Türkei hat ein neues Feld: die Barttransplantation. Vor allem bartarme Patienten aus arabischen Ländern lassen sich in Spezialkliniken helfen. Denn wer keinen Vollbart vorweisen kann, gilt nicht als ganzer Mann.

Von Gunnar Köhne | 14.08.2013
    Flughafen Istanbul. Vor dem Ausgang für Auslandsflüge halten Wartende den Ankömmlingen Schilder entgegen. Darauf viele arabische Namen. Etliche Touristen aus arabischen Ländern landen in Istanbul, um sich einer Operation zu unterziehen. Auch die beiden Freunde Ahmed Awad und Bassam Alkhatani aus Dubai sind der Schönheit wegen an den Bosporus gekommen. Doch sie wollen sich weder die Zähne noch die Augen richten lassen. Sie wollen mehr Haar. Mehr Barthaar. Der 30-jährige Geschäftsmann Bassam Alkhatani lächelt entspannt:

    "Ich bin überhaupt nicht nervös. Ich gehe die Operation ganz locker an."

    Die beiden jungen Araber leiden unter ihrem spärlichen Bartwuchs. In Dubai aber kann man nur mit Vollbart Karriere machen und eine Frau finden. Also haben sie eine Barthaartransplantation in Istanbul gebucht: Ein Pauschalangebot für ein paar Tausend Euro, alles inklusive: Operation, Hotel und Flughafentransfer. Istanbul sei in Sachen Haartransplantationen ein heißer Tipp, sagt Ahmed Awad:

    "In einer Illustrierten haben wir einen Bericht über Barthaartransplantationen in Istanbul gelesen. Vorher hatten wir davon noch nichts gehört. Nachdem Bekannte von uns mit der Operation zufrieden waren, wollten wir das auch."

    Die Klinik liegt im Istanbuler Nobelviertel Nisantasi. Wer es sich leisten kann, hilft für gewöhnlich hier seiner Schönheit auf die Sprünge. Die hiesigen Arztpraxen bieten Brustvergrößerungen und Fettabsaugen an – und eben neuerdings auch Barthaartransplantationen für den Herrn.

    Die beiden Patienten vom Golf müssen zunächst zur Voruntersuchung. Geschäftsmann Alkhatani hat ein paar idealtypische Bartgesichter aus seiner Heimat auf dem Handy dabei: Minister und Generäle mit akkurat gestutztem, dichtem Vollbart. So einen möchte er auch haben, sagt er dem Arzt Ali Mezdegi. Seinen eigenen Bart findet er zu fusselig:

    "Einen Bart zu haben, ist in den Ländern am Golf wichtig. Ohne den geht es nicht. Ich habe zu viele Lücken in meinem Bart. Die will ich mir hier mit neuem Haar auffüllen lassen."

    Dann steckt Doktor Mezdegi das Operationsfeld ab. Ein bisschen mehr Haar für die Wangen, ein bisschen mehr Haar für die Oberlippe, und nicht zu vergessen: der Steg hinunter zum Kinn.

    "Wir nehmen das Haar vom Hinterkopf. Weil es dort sehr eng bewachsen ist, werden dort keine Spuren zurückbleiben. Und da dieses Haar sehr feine Wurzeln hat, ist es auch gut als Barthaar zu verpflanzen."

    Nicht bloß Araber, auch Türken haben ein inniges Verhältnis zu Schnurr- und Vollbart. Der Schnauzer ist weiterhin das Markenzeichen des türkischen Mannes, wie eine Umfrage auf Istanbuls Straßen belegt:

    "Ein Schnurrbart macht den Mann einfach mehr zum Mann."

    "Manche tragen ihn lang gezogen, manche nur in der Mitte. Das ist doch schön."

    "Allah sagt zum Mann: Unterscheide dich von der Frau. Und den Frauen sagt er: Unterscheidet euch von den Männern. Das ist also ein Befehl Allahs!"

    Nicht nur beim Schönheitschirurgen, sondern auch beim türkischen Barbier dreht sich alles um den Bart. Soll er ab oder wachsen? Und wenn ja, wie und wo? Das ändert sich ständig, sagt der Friseur Remzi Aktay, während er sanft das Messer an den eingeseiften Hals eines Kunden ansetzt. Der Einfluss der Medien in dieser Frage sei nicht zu unterschätzen:

    "Neuerdings lassen sich auch die jüngeren Männer einen Bart stehen. Dieser Trend hat wahrscheinlich mit den gerade beliebten Fernsehserien über die Osmanenzeit zu tun."

    Acht Stunden hat die Barthaaroperation gedauert, jetzt bekommt der Patient aus Dubai den Verband abgenommen. Am Hinterkopf fehlen Bassam Alkhatani nun ein paar Tausend Haare, Hals und Wangen sind mit unzähligen roten Punkten übersäht. Sein Arzt sagt, er könne sich schon in zwei Wochen seinen frisch verpflanzten Vollbart rasieren. Aber daran denkt der glückliche Patient nicht im Traum.

    "Die Operation ist gelungen, finde ich. Das Ergebnis ist so, wie ich es mir erhofft hatte."

    Ein letzter zufriedener Blick in den Spiegel. Dann machen sich die Patienten Alkhatani und Aawad auf zum Istanbul-Sightseeing. Sie wollen zum berühmten Topkapi-Palast. Dort sind die Barthaare des Propheten ausgestellt.