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Für Erdverkabelung und Onshore-Energie

Die Bundesregierung erhebt den Anspruch, den Ausbau der erneuerbaren Energien ohne Zustimmung des Bundesrates voranzutreiben, doch die Bundesländer wollen mitreden. Auch Niedersachsens Ministerpräsident hat sehr konkrete Vorstellungen - vor allem, was die Windenergie betrifft.

David McAllister im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.06.2011
    Jasper Barenberg: Guten Morgen, David McAllister!

    David McAllister: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Herr McAllister, die Kanzlerin lädt Sie und die anderen Regierungschefs ins Kanzleramt zum Meinungsaustausch, und trifft die wichtigen Entscheidungen dann ohne Sie im Koalitionsausschuss. Fühlen Sie sich ausgebootet?

    McAllister: Im Gegenteil, ich finde es gut, dass die Bundeskanzlerin zum zweiten Mal alle 16 Ministerpräsidenten zu diesen wichtigen Themen ins Kanzleramt einlädt, und wir stehen erst am Beginn einer Diskussion. Wir haben jetzt vier arbeitsreiche Wochen vor uns bis zur endgültigen Beschlussfassung im Bundesrat am 08.07., insofern ist es gut, und wir in Niedersachsen begrüßen auch grundsätzlich das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, in Details sind wir noch unterschiedlicher Auffassung.

    Barenberg: Aber Sie finden auch in Ordnung, dass der Bundesrat nicht beteiligt werden soll an den vielen Entscheidungen, die jetzt getroffen werden müssen?

    McAllister: Das Energiekonzept wird eine Fülle von Gesetzesnovellen beinhalten. Das Bundeskanzleramt, die Bundesregierung geht davon aus, dass das alles nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat ist, wir haben das in Niedersachsen noch nicht abschließend geprüft.

    Barenberg: Sie sagen, Sie haben noch Diskussionsbedarf. An welcher Stelle wollen Sie denn noch Anderes als die Kanzlerin?

    McAllister: Es gibt unterschiedliche Auffassungen beispielsweise zwischen dem Bund und den meisten Ländern in Sachen Netzausbau. Wir sind uns einig, dass der Netzausbau deutlich beschleunigt werden muss, ansonsten werden wir den schnelleren Einstieg in die erneuerbaren Energien insbesondere bei der Offshore-Windenergie nicht schaffen. Der Bund will nun die Kompetenzen an sich ziehen, das selbst machen, die Planung der Hochspannungstrassen. Ich glaube, dass der Bund da nicht gut beraten ist. Der Bund hat in diesem Thema bisher keine Erfahrung, keine Kompetenzen und kein Personal. Das liegt eigentlich in den bewährten Händen der Länder ganz gut. Vielleicht wird sich heute ein Kompromiss ergeben: Das Raumordnungsverfahren könnte auf den Bund übertragen werden, die Planfeststellungsverfahren sollten allerdings bei den Ländern verbleiben.

    Barenberg: Sie sprechen von den bewährten Händen der Bundesländer. Warum ist aber dann der Netzausbau in den vergangenen Jahren so schleppend nur vorangegangen?

    McAllister: Es gibt eine Reihe von Gründen, warum der Netzausbau nicht so schnell vorangegangen ist, wie das bisher der Fall war. Eines ist sicherlich, dass es erheblichen Protest gibt der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, das heißt: In Verbindung mit dem beschleunigten Netzausbau wird man auch eine neue Form der Bürgerbeteiligung sich überlegen müssen. Man wird noch mehr werben müssen, warum dieser Netzausbau so notwendig ist. Im Übrigen haben auch die Netzbetreiber nicht immer dazu beigetragen, dass die Verfahren schnell abgewickelt wurden. Nochmals: Die Verzögerung beim Netzausbau sind aus meiner Sicht weniger eine Frage der Zuständigkeit von Bund oder Ländern, sondern hier geht es um andere Fragen.

    Barenberg: Und sollten die Bürger mehr beteiligt werden in Zukunft?

    McAllister: Wir müssen lernen aus dem Protest gegen andere große Infrastruktur-Vorhaben, und es gibt vor Ort große Vorbehalte gegen den Bau der 380-KV-Leitungen. Wichtig ist erstmal Information, allen voran im Internet. Wir brauchen Informationsveranstaltungen zu Beginn der Planungsprozesse. Der Staat und die Netzbetreiber müssen erklären, warum diese Trassen gebaut werden müssen, warum sie gerade hier oder dort verlaufen müssen, und wir in Niedersachsen setzen auch auf die Erdverkabelung, zumindest in sensiblen Bereichen. Dort, wo Hochspannungstrassen zu nah an Wohnbebauung heranführen, halte ich die Erdverkabelung für zwingend notwendig.

    Barenberg: Es geht auch in den Plänen jetzt darum, eine neue Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Weg zu bringen, daran entscheidet sich auch, wie schnell die Erneuerbaren ausgebaut werden können. Da soll es weniger Geld geben für die Windkraftanlagen in den Ländern. Trifft das auf Ihre Zustimmung?

    McAllister: Wir in Niedersachsen begrüßen sehr, dass der Bund beabsichtigt, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis 2020 auf 35 Prozent zu verdoppeln. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, das ist richtig, wir wollen den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, und wir finden auch das, was vorgelegt wurde zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, insgesamt richtig. Wir haben ein paar kritische Anmerkungen zu machen beim Thema Förderung der Windenergie an Land. Die Bundesregierung plant ja die Erhöhung der Degression von 1 auf 2 Prozent und die Begrenzung des Repowering-Bonus für Anlagen, die vor 2001 errichtet wurden. Das haben fast alle Länder einvernehmlich kritisiert. Wir sind der Meinung, dass es bei der bisherigen Degression bleiben sollte. In der Vorbesprechung am Mittwoch hat der Bund ja auch signalisiert, dass man möglicherweise uns dort noch entgegenkommt. Ansonsten begrüßen wir im Norden vor allen Dingen das klare Bekenntnis zum Ausbau der Offshore-Windenergie. Niedersachsen hatte ja im Vorfeld ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt zum weiteren Ausbau der Windenergie, insbesondere auf hoher See, und das hat der Bund nahezu 1:1 übernommen. Darüber freuen wir uns sehr.

    Barenberg: Das heißt, Sie verlangen von der Bundesregierung, dass sie weiter auch Windkraftanlagen an Land genau so stark fördert, wie sie das bisher getan haben und da keine Abstriche macht?

    McAllister: Die Onshore-Windenergie wird mit Blick auf den Atomausstieg eine der wichtigen Energieformen sein. Ansonsten werden wir den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien nicht schaffen. Deshalb sollte die bisherige Förderung der Windenergie auch auf Land möglichst beibehalten werden. Das ist in unserem gemeinsamen Interesse.

    Barenberg: Lassen Sie uns noch über die Endlagerfrage sprechen, über Gorleben. Wie groß sind inzwischen Ihre Bedenken, dass es in Gorleben ein Endlager überhaupt wird geben können?

    McAllister: Der Bund hat erstmals beschlossen, dass es eine ergebnisoffene Weitererkundung von Gorleben als möglichen Standort geben soll, dass aber eben parallel auch ein Verfahren zur Ermittlung allgemeiner geologischer Eignungskriterien und möglicher alternativer Entsorgungsoptionen eingeleitet werden soll. Das ist eine langjährige Forderung von Niedersachsen. Wir freuen uns, dass wir so weit jetzt gekommen sind, und ich sage: Die Chance auf einen neuen Grundkonsens in der Energiepolitik ermöglicht jetzt halt auch die Möglichkeit zur Klärung offener Fragen. Und deshalb sind wir der Meinung, dass es am besten wäre, die bislang fehlenden Rahmenvorgaben für die Anforderung an den dauerhaften Verbleib hochradioaktiver Abfälle, die Suche und die Auswahl geeigneter Standorte beziehungsweise für deren Findungsprozess gesetzlich zu regeln. Und das ist eine Forderung von Niedersachsen: Wir wollen, dass das, was allgemein der Bund formuliert hat, jetzt auch in einem zweiten Schritt konkret in Gesetzesform gegossen wird.

    Barenberg: Es soll also ein Gesetz geben dazu und damit auch einen Neustart. Wann soll mit der Suche nach anderen Standorten begonnen werden – jetzt?

    McAllister: Wir haben einen extrem ambitionierten Fahrplan bis zum 08.07., Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, am wichtigsten sind jetzt die Novellierungen des Atomgesetzes, des Netzausbaugesetzes und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Ob man diese Frage jetzt schon in den Gesetzgebungsprozess mit einfließen lassen kann, da habe ich meine Zweifel, weil einfach der Zeitdruck zu groß ist. Aber wir sollten eine grundsätzliche Entscheidung treffen, dass Bund und Länder sich einig sind, dass wir eine gesetzliche Grundlage für ein alternatives Standortsuchverfahren dann auch auf den Weg bringen wollen. Das kann von mir aus auch im Herbst passieren. Mir ist wichtiger, dass es überhaupt einen Grundsatzbeschluss gibt, dass wir so etwas wollen. Und eines ist auch klar: Eine deutschlandweite alternative Standortsuche wird nicht nur Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg umfassen, sondern das betrifft dann alle Länder, und zwar in allen Teilen der Republik.

    Barenberg: Der Ministerpräsident von Niedersachsen heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank, David McAllister!

    McAllister: Ja, bitte!