Donnerstag, 28. März 2024

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"Funk muss in der Tiefe etwas Erotisches sein"

23.Juli 1974: Der Schriftsteller Horst Krüger zum Thema "Der Autor und der Rundfunk"

29.08.2012
    Krüger: Wo immer ein paar Autoren zusammenhocken, jedenfalls in Deutschland, ist ihre Stimmung meist verbiestert bis depressiv. Plötzlich aber steht einer auf und sagt sehr bestimmt: Ich muss jetzt zum Funk, ich habe eine Aufnahme um fünf. Sogleich hellt sich die Szene deutlich auf. Ein Sonnenstrahl fiel in das dunkle Tal, vielleicht auch ein Anflug von Neid, ah ja, zum Funk müssen Sie, da sind Sie ja fein raus, was machen Sie da? Singen oder reden? Der Autor geht durch endlose Flure, an unzähligen winzigen Zimmerchen vorbei, an deren Türen zu lesen ist: Landfunk 2, Politik 1, Kirchenfunk, Frau und Gesellschaft – der Autor ist so glücklich, daran vorbeigehen zu können. Gott sei Dank, denkt er, dem Himmel sei Dank, hier nicht sitzen zu müssen, die Ärmsten da hinter den Türen müssen in engen Zellen die wirkliche Arbeit machen, Galeerensträflinge der Kulturindustrie. Sie sitzen vor Stößen von Manuskripten, Unterschriftsmappen, Ablagebelegen, Dienstreiseanträgen, sie werden ein Leben lang auf schlechte Manuskripte "erster Sprecher, zweiter Sprecher, Zitatsprecher" schreiben, all diese lustlosen Riten einer verwalteten Welt, sie werden in spiegelblanken Kantinen eine magere Mahlzeit bekommen und bleiben doch immer freundlich und aufgekratzt, wenn der Autor dann eintritt. Funk muss in der Tiefe etwas Erotisches sein, meine ich manchmal. Wer das nicht mit Passion und mit Lust macht, der sollte die Finger davon lassen. Es gibt nur eine Sünde wider den Geist des Rundfunkes, die unverzeihlich ist: Sie heißt Langweiligkeit. Das war eine fade und langweilige Sendung - Für mich wäre das im Wiederholungsfall ein Kündigungsgrund und zwar fristlos. Aber niemand sollte sich sorgen, so etwas hat es noch nie gegeben im deutschen Rundfunk.

    Sendezeichen aus 50 Jahren DLF
    50 Jahre Deutschlandfunk