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Olfaktorische Forschung
Mäuse belauschen Ratten mit der Nase

Mäuse nutzen ihre Nase nicht nur, um nach Futter zu suchen. Japanische Forscher haben herausgefunden, dass Mäuse unter anderem eine ganz besondere Strategie benutzen um Ratten, ihren Fressfeinden, einen Schritt voraus zu sein. Sie belauschen sie - mit der Nase.

Von Magdalena Schmude | 03.04.2018
    Labormaus (Symbolfoto)
    Mäuse können riechen, wenn Ratten in der Nähe sind (imago / Westend61)
    Ratten sind bekannt für ihren feinen Geruchssinn. Wie viele andere Nagetiere nutzen sie ihre Nase, um Futter zu suchen oder sich zu orientieren, und für die Kommunikation mit ihren Artgenossen. Sie geben entsprechende Signalstoffe ab und erriechen selbst die Signale anderer Ratten.
    Für diese olfaktorische Kommunikation zwischen den Tieren interessiert sich auch Kazushige Touhara, der an der Universität Tokyo forscht. Er untersucht, welche Moleküle in den Körperflüssigkeiten von Tieren welche Informationen vermitteln, bei Ratten unter anderem in der Tränenflüssigkeit.

    "Das ist nicht wie bei Menschen, die weinen. Ratten geben die ganze Zeit über Tränenflüssigkeit ab, die sie beim Putzen über den gesamten Körper verteilen. Ein Teil davon landet dabei auch auf dem Boden und wird so im Streifgebiet jeder Ratte verteilt."
    Tränenreiche Experimente
    Kazushige Touhara und seine Kollegen wollten wissen, welche Wirkung die Tränenflüssigkeit von männlichen Ratten auf Artgenossen hat, ob sie andere Männchen abschreckt oder Weibchen anlockt zum Beispiel. Sie präsentierten die Flüssigkeit deshalb anderen Ratten, aber nur die Weibchen zeigten eine messbare Reaktion und änderten ihr Verhalten.
    "Wenn eine weibliche Ratte diese Substanz riecht, bleibt sie stehen, ganz ähnlich, wie sie das beim Paarungsverhalten macht. Etwas in dieser Tränenflüssigkeit könnte also innerhalb der Art ein Paarungssignal sein, eine Art Pheromon."
    Von Mäusen und Ratten
    Die Wissenschaftler konnten aus der Tränenflüssigkeit männlicher Ratten ein einzelnes Protein isolieren, das als Signalmolekül von einem passenden Sensor in der Nase der Rattenweibchen erkannt wird. Das Cystatin-related Protein, kurz CRP1. Bei Mäusen hatten Kazushige Touhara und seine Kollegen ein ähnliches Protein in der Tränenflüssigkeit von Männchen schon vor einigen Jahren entdeckt. Deshalb fragten sie sich, ob die beiden Signale auch zwischen den Arten Informationen übertragen könnten, also die eine Art die andere mit der Nase belauscht. Mäuse werden von Ratten gefressen und es könnte für sie ein Vorteil sein, die Jäger möglichst früh anhand eines Duftmoleküls zu riechen. Die Forscher präsentierten deshalb Mäusen das Ratten-CRP1 und beobachteten deren Verhalten.
    "Wenn die Maus das Ratten-Signal bemerkt, bleibt sie wie das Rattenweibchen stehen, aber eher, um nicht entdeckt zu werden. Körpertemperatur und Herzfrequenz sinken ab. Alles damit die Ratte sie nicht bemerkt, vermuten wir. Es ist also ein anderer Effekt."
    Im Tierreich gibt es weitere Beispiele
    Im Tierreich gibt es weitere Beispiele, bei denen eine Art die internen Duftsignale einer anderen Art zu ihrem Vorteil nutzt. Vögel, die die Duftsignale von Insekten wahrnehmen, Schlangen, die Eidechsen mithilfe von Geruchspartikeln aufspüren, und Wiesel, die der Duftspur von Wühlmäusen folgen. Doch der Lauschangriff der Mäuse auf die Duft-Kommunikation der Ratten ist eine besondere Variante dieser Strategie.
    "Normalerweise belauscht der Jäger die Beute, aber in diesem Fall ist es umgekehrt und die Beute belauscht den Jäger. Das war schon eine Überraschung für uns."
    Kazushige Touhara kann sich vorstellen, dass noch andere Säugetiere diese Strategien nutzen. Dazu sei es in entscheidend, in zukünftigen Studien heraus zu finden, unter welchen Umständen ein artinternes Signal auch von einer anderen Spezies entschlüsselt werden kann.
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