Freitag, 29. März 2024

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Denise Scott Brown in Wien
Die große unbekannte Architektin

Die Retrospektive "Downtown Denise Scott Brown" verwandelt das Architekturzentrum Wien in eine Stadt. Man flaniert durch das Werk der einflussreichen Architektin und Stadtplanerin, deren wegweisende Arbeit zum ersten Mal in einer Einzelausstellung gewürdigt wird.

Laura Weissmüller im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 23.11.2018
    Ein Bild von Robert Venturi aus dem Jahr 1972 zeigt Denise Scott Brown vor der Skyline von Las Vegas.
    Denise Scott Brown vor der Skyline von Las Vegas, 1972 (Foto: Robert Venturi)
    Das Werk der heute 87-jährigen Denise Scott Brown war nicht nur wegweisend; es hat auch entscheidend dazu beigetragen, wie wir unsere Städte heute sehen und verstehen. Jahrzehntelang hatte Robert Venturi, der amerikanische Architekt und Theoretiker der Postmoderne, den Blick auf ihr Werk verstellt. Venturi war ihr Ehemann, vor allem aber ihr Büropartner. Obwohl beide ihre Projekte so intensiv zusammen entwickelt haben, dass sie selbst nicht auseinanderdividieren konnten, wer welchen Anteil hatte, wurde nur Venturi auf der Basis ihrer gemeinsamen Arbeit bekannt. 1991 erhielt er allein den Pritzker-Preis.
    Immer im Schatten männlicher Kollegen
    Dabei zeigt schon ihr berühmtestes Gemeinschaftsprojekt, das Buch "Learning from Las Vegas", das sie 1972 zusammen mit dem Co-Autor Steven Izenour herausgegeben, den großen Einfluss Scott Browns. Sie selbst hatte Las Vegas bereits vier Mal besichtigt, bevor sie Venturi 1966 einlud, mit ihr den Las Vegas Strip zu untersuchen. Bob sei der einzige Architekt gewesen, der ihr "Interesse an Werbeschildern und Zersiedlungen teilte". Mit einer Akribie, als ginge es darum einen antiken Tempel zu analysieren, untersuchten Scott Brown, Venturi und ihre Studenten diese in den Augen vieler Architekten "Nicht-Architektur". Das Buch sollte die Sicht auf unsere modernen Städte radikal verändern, weil es das Alltägliche, ja Hässliche in der gebauten Umwelt nicht ausblendet, sondern zur Grundlage dafür machte, die "Stadt als Palimpsest" zu verstehen.
    Im Museum auf einen Stadtbummel mit Denise Scott Brown
    Die Ausstellungsarchitektur von "Downtown Denise Scott Brown" ist extrem reizvoll, denn statt Architekturmodelle und einem Haufen Zeichnungen, ist im Architekturzentrum Wien eine Art Stadt entstanden, wo der Besucher an thematischen Schaufenstern vorbei flanieren, bei einem brunnenartigen Denkmal pausieren, einen Kaffee trinken und auch etwas shoppen kann. Dabei bekommt man das Gefühl, den Bummel mit Denise Scott Brown selbst zu erleben, denn sämtliche Texte in der Ausstellung stammen von ihr. In ihnen zeigt sich nicht nur das Selbstverständnis, mit der sie vor allem ihre Aufgabe als Stadtplanerin in gesellschaftlich-politischer Verantwortung sah, sondern ebenso ihr großartigen Humor.
    "Wo sich zwei stark befahrene Straßen kreuzen, passiert etwas"
    Die Methode, mit der Denise Scott Brown ihre Entwürfe entwickelte, ist nach wie vor aktuell: Ihr wichtigstes Werkzeug waren Notizen und eigene Fotografien. Stadtplanung sollte keiner Invasion gleichkommen, sondern auf Bestehendem aufbauen. Diese Haltung begründete auch ihre Kritik an der Moderne, die Kontext, Kommunikation und Geschichte beharrlich ignorierte. Der Postmoderne wollte sie sich und Venturi aber nur bedingt zuordnen: "Wir sind beide Postmodernisten, aber hergeleitet aus der Kunst und den Geistes- und Sozialwissenschaften."