Dienstag, 19. März 2024

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Fußball-EM 2024
Schränkt die UEFA Grundrechte ein?

Wenige Tage nach Bekanntgabe der möglichen deutschen Ausrichtungsorte für die Fußball-EM 2024 gerät die UEFA in die Kritik. Hintergrund sind Verpflichtungserklärungen, die alle Bewerberstädte unterschreiben mussten. Ein renommierter Verfassungsrechtler hält diese Erklärungen in Teilen für grundgesetzwidrig.

Von Han-Ul Park und Katharina Kaufmann | 19.09.2017
    Der EM-Pokal beim Finale der Europameisterschaft 2016 am 10.07.2016 im Pariser Stade de France.
    Die deutschen Bewerberstädte um die Fußball-Europameisterschaft 2024 nehmen einige Einschränkungen seitens der UEFA in Kauf. (Imago)
    Die Kritik des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Wolfgang Hoffmann-Riem bezieht sich gleich auf mehrere Zusagen, die sich die UEFA von den Städten geben ließ.
    Punkt 1: Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Nach Informationen des NDR-Politikmagazin Panorama 3 und des NDR Sportclubs sieht die Verpflichtungserklärung während einer möglichen Europameisterschaft in Deutschland ein Demonstrationsverbot in einem Radius von 500 Metern rund um die Stadien vor. In den Augen des ehemaligen Bundesverfassungsrichters wäre das verfassungswidrig.
    "Das ist unter versammlungsrechtlichen Aspekten hoch problematisch, denn Versammlungen dürfen dann verboten werden, wenn etwa Gewalttätigkeiten drohen, aber nicht, wenn im kommerziellen Interesse eines Unternehmens. Das ist sowohl gesichert durch das Grundgesetz Artikel 8, als auch durch Artikel 11 der europäischen Menschenrechtskommission."
    Dem NDR sagte die UEFA dazu, das Demonstrationsverbot solle lediglich dazu dienen, Politik und Sport voneinander zu trennen.
    Keine Großbildleinwände in der Nähe der Stadien
    Punkt 2: wirtschaftliche Sonderrechte für die UEFA. Laut Verpflichtungserklärung dürfen Kneipen in der Nähe von Fußballstadien keine Großleinwände aufbauen. Hoffmann-Riem sieht darin einen Eingriff in die Berufsfreiheit von Gewerbetreibenden.
    Punkt 3: Verordnungen zugunsten der UEFA. In weiteren Passagen mussten die Bewerberstädte versichern, gegebenenfalls Gesetze zum Schutz von UEFA-Vermarktungsrechten zu erlassen.
    "Eine Stadt kann sich durch den Bürgermeister oder in Hamburg durch den Senator nicht dazu verpflichten, ein bestimmtes Gesetz zu erlassen. Das ist schon mal hoch problematisch, denn in einem gewaltenteilenden Staat wie in Deutschland ist die Gesetzgebung Sache der Parlamente."
    Mit den Recherchen konfrontiert erklärten Hannover, Dortmund, Düsseldorf, Köln und München, dass sie sich dazu verpflichtet hätten, keine Aussagen zu ihrer Bewerbung zu treffen. Berlin, Frankfurt und Gelsenkirchen ließen die Fragen unbeantwortet. Hamburg und Leipzig erklärten dagegen, sie sähen keine Probleme durch die Unterzeichnung. Hamburgs Innensenator Grote:
    "Alle Garantieerklärungen und alles, was wir hier abgegeben haben, haben wir uns angesehen und wir halten das für machbar. Wir halten das für gut vertretbar."
    Bremen änderte als einziger Bewerber die Erklärung
    Für nicht vertretbar hielt Bremen die verlangten Verpflichtungen. Ekkehard Siering, Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde, ist enttäuscht, dass Bremen von der UEFA schließlich nicht als EM-Spielort ausgewählt wurde. Als einziger Bewerber hatte die Stadt die Erklärung nach juristischer Prüfung umfassend geändert.
    "Wir können den Vorschlägen schlicht nicht folgen. Deswegen konnten wir das blanko nicht unterschreiben. Wir haben eine Rechtsordnung in Deutschland, an die halten wir uns auch. Gesetze gelten für alle."
    Dieser Ansicht ist auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hoffmann-Riem. Dem NDR sagte er, es sei hoch problematisch, wenn die UEFA von staatlichen Instanzen verlange, rechtswidrige Grundrechtseingriffe vorzunehmen.
    "Denn letztlich würde das dazu führen, dass Europameisterschaften - gleiches gilt für Weltmeisterschaften - nur in autoritären Staaten durchgeführt werden könnten."