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Fußball-Firmen
Der Rasenmacher aus Bayern

Die bayerische Firma Schwab hat sich auf die Herstellung von Rollrasen für Fußballplätze in aller Welt spezialisiert. Das Grün ist für das Unternehmen nicht nur eine gärtnerische, sondern vor allem eine logistische Herausforderung. Denn ohne Rasen rollt beim Fußball gar nichts.

Von Klaus Lockschen | 03.06.2016
    Ein Platzwart geht in der Benteler Arena in Paderborn mit Forke und Ball über den Rasen.
    Wenn der Rasen verbraucht ist, muss er ausgetauscht werden - und zwar pronto (picture-alliance / dpa / Friso Gentsch)
    Wer würde schon ohne Skrupel seinen Wagen auf dem edlen Green eines Golfplatzes parken? Von solchen Bedenken muss sich freimachen, wer im bayerischen Waidhofen sein Auto vor dem Wirtschaftshof der Firma Schwab abstellen will. Statt Schotter, Beton oder Asphalt liegt auf jedem Parkplatz sattgrüner Rasen, dichter und dicker als ein kostspieliger Orientteppich. Die Firma Schwab ist einer der großen deutschen Rollrasenhersteller auch für Golfplätze und besonders für Fußballstadien, beschreibt Günther Schwab: "Im Sportbereich gibt es eine DIN-Norm, die festlegt, wie der Boden in einem Fußballstadion zu sein hat. Und dieser Sandboden entspricht zufällig genau dieser DIN-Norm, also da haben wir ein bisserl Glück gehabt, und deswegen produzieren wir hier auf diesen Sandböden diesen hochwertigen Sportrasen."
    Die Geschwister Günther und Walter Schwab sind in dritter Generation Gärtner und die Geschäftsführer des 1969 gegründeten Familienbetriebs. Sie kennen so gut wie jedes Stadion der Erst- und Zweitligisten. Auf 800.000 Quadratmetern ihrer 270 Hektar großen Felder, die insgesamt einen stabilen Jahresumsatz von rund zehn Millionen Euro erbringen, pflanzen sie Rollrasen für Sportarenen wie die Olympiastadien München, Berlin oder Turin. Schwerarbeit sei das anfangs gewesen, erinnert sich der Firmenchef: "Bis vor 25 Jahren hat man in kleinen Quadratmeterrollen so ein Stadion mit 30 Mann in 14 Tagen verlegt. Es war ein richtiger Gewaltakt."
    Danach benötigte die zarte Rasenschicht eine achtwöchige Anwachszeit. Spielpause. Vater Schwab hatte in den 90er-Jahren die Idee, eine Maschine zu entwickeln, mit der sich Dicksoden, also Grasnarben von mehr als 40 Millimeter Stärke, ernten, einrollen und verlegen lassen. Die, erkannte er, haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Wurzelmasse sofort bespielbar sind. Das Tüfteln gelang. Es entstand eine Art Riesenkartoffelschäler. Ein Messer unterschneidet den Rasen und rollt ihn automatisch auf. Jetzt werde mit Rollen gearbeitet von 2,20 Meter Breite und 35 Meter Länge, die maschinell verlegt werden. Der Vorteil, so Günther Schwab: "Dann kann man sofort drauf spielen, auch wenn der Rasen noch nicht angewachsen ist, einfach weil er so schwer ist und einfach liegen bleibt. Und jetzt wird auch von einem Spiel zum anderen mitten unter der Saison ausgewechselt, was früher nur in der Spielpause möglich war."
    "Können Sie nächste Woche den Rasen tauschen?"
    Das Geschäft ist schnelllebig, langfristige Planung mit den Stadionbetreibern selten, erklärt der Rasenmacher: "Inzwischen ist es auch so, dass die Profis kaum mehr länger als drei, vier Tage im Voraus bestellen. Und im Grunde kommt's drauf an: 'Können Sie nächste Woche den Rasen tauschen?' Und wenn man kann, dann hat man den Auftrag, und wenn nicht, dann eben nicht."
    Dem Rasen gebührt in den Vereinen nach Einschätzung des 44-Jährigen wenig Leidenschaft. Hauptsache, er sei gut. Im Spitzensport habe es sich inzwischen eingebürgert, das Grün fast jährlich zu erneuern, obwohl jedes Wechseln rund 100.000 Euro koste. Kunstrasen sind von Regional- bis Bundesliga nicht zugelassen. Schwab räumt ein, dass nicht jede Geschäftsidee, die er hatte, auch erfolgreich gewesen sei: "Ich habe einmal überlegt, ein Rasen-Leasing anzubieten, dass die Stadionbetreiber den Rasen abschreiben können über gewisse Laufzeit. Da bin ich auf taube Ohren gestoßen, weil die gesagt haben: Rasen ist Verbrauchsmaterial wie das Klopapier in der Stadiontoilette. Und wenn das zu Ende ist, dann gibt's neues. Und so ist das beim Rasen auch. Wenn der verbraucht ist, und das wird teilweise von Woche zu Woche neu entschieden, dann wird der ausgetauscht."
    Wenige Autominuten entfernt wird in der hügeligen Landschaft gerade die Ernte für den FC Union Berlin eingefahren. Es duftet nach Landluft. Pferdemist. Die von einem Radlader gezogene Schälmaschine bewegt sich auf der riesigen Fläche geradlinig mit Schritttempo und unterschneidet dabei den Rasen. Der wird automatisch auf ein Kunststoffrohr gerollt. Nach 16 Metern ist bereits Schluss, dann wird die gut eine Tonne schwere Rolle mit Folie umwickelt und vom Gabelstapler in den Lkw geladen. 20 Rollen nimmt der auf, und insgesamt sind 20 Lkw geordert. Firmenchef Schwab beschreibt eine ziemlich enge Taktung: "Im 3/4-Stundentakt kommen die Lkws an, werden beladen - richtig frisch aus der Maschine auf den Lkw - und sind zehn Stunden später in Berlin und werden da genauso im 3/4-Stundentakt entladen."
    Dort hat bereits der Verlegetrupp den Altrasen entfernt und die Fläche planiert. Von Auftragseingang bis zur Auslieferung habe man fast die Geschwindigkeit von Zalando erreicht, schmunzelt Günther Schwab. "In zwei Tagen ist so ein Spielfeld geerntet und eben vor Ort auch wieder verlegt."
    Schnelligkeit auch beim Verlegen nötig
    Schnell müsse es gehen, denn Rasen heize sich in der Rolle auf. Und je wärmer er schon beim Ernten sei, desto höher dessen Temperatur am Zielort. Da komme ein Teil der 25-köpfigen Belegschaft mitunter an Nachtarbeit nicht vorbei.
    Gut 20 Fußballfelder begrünen die Schwabs jährlich neu. Damit sind sie an ihrer Kapazitätsgrenze. Schließlich liegt die Vegetationszeit des Rasens bis zur Schälung bei mindestens eineinhalb Jahren. Und nach der Ernte wird die Fläche mit Stallmist gedüngt und zunächst mit einer Zwischenfrucht bewirtschaftet, um eine Bodenermüdung zu verhindern. Der Chemieeinsatz gegen Unkraut sei wesentlich geringer als in der konventionellen Lebensmittelproduktion, strahlt Günther Schwab. Sogar eine große Population des seltenen Brachvogels sei auf seiner Monokultur zuhause, freut er sich - wie auch auf das bevorstehende Wochenende: "Es ist so, dass ich mir die Sportschau gerne anschaue und den Überblick über die Sonntagsspiele und so weiter, um wirklich die Rasen vergleichen zu können und vorauszuahnen, wer mich die Woche drauf anrufen wird."
    Ein Fußballtoto der besonderen Art.