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Fußball & Ostern
Exklusive Vermarktung schlägt Religion

Weil am Karfreitag kein Bundesligaspiel stattfinden darf, wird die Partie Schalke gegen Hoffenheim am Karsamstag angepfiffen - exklusiv um 20:30 Uhr. Diese Terminansetzung zeigt ein weiteres Mal die Ignoranz gegen alle Traditionen und Religionen außerhalb des Fußballs, kommentiert Matthias Friebe.

Von Matthias Friebe | 20.04.2019
In der Osternacht wird die Osterkerze entzündet
Fußball oder das höchste Fest im Christentum? In der katholischen Kirche wird in der Osternacht der wichtigste Gottesdienst des Jahres gefeiert (picture alliance / Benedikt Spether)
Kein Spiel im Stadion, die Geschäfte geschlossen und Tanzverbot. Aus Respekt vor den Christen, die am Karfreitag des Todes Jesu gedenken, ist der sonst alltägliche Lärm gedämpft. Der Schutz des sogenannten stillen Feiertags ist ein hohes, gesetzlich geschütztes Gut und zugleich seit Jahren Gegenstand leidenschaftlichster Diskussionen.
Fakt ist: am Karfreitag darf es kein Bundesligaspiel geben. Also findet die Partie Schalke gegen Hoffenheim am Karsamstag statt. Aber nicht zur klassischen Bundesliga-Zeit um 15.30 Uhr, sondern um 20.30 Uhr, noch nach dem sonst exklusiven Abend-Topspiel. Genau dann, wenn für die Christen die Feier ihres höchsten Festes beginnt. Genau dann, wenn - besonders in den katholischen Kirchen - mit der Osternacht der wichtigste Gottesdienst des Jahres gefeiert wird.
Mit Spielplan-Akrobatik anderer Termin möglich
Die exklusive Vermarktung schlägt Religion und Tradition um Längen. Und das ist in diesem Fall so unnötig wie ärgerlich. Heute Nachmittag fanden, wegen eines ohnehin angesetzten Montagsspiels, nur vier statt sonst fünf Bundesliga-Begegnungen statt. Mit nur wenig Spielplan-Akrobatik wäre eine Ansetzung von Schalke - Hoffenheim zu einem anderen Termin möglich gewesen, ohne gleichzeitig die exklusive Vermarktung des Freitagsspiels zu riskieren, zum Beispiel durch ein weiteres Montagsspiel. Die DFL hätte dafür leicht einen Weg finden können.
So aber wird die Karfreitagsruhe fast ad absurdum geführt. Denn der Karfreitag bleibt zwar still und fußballfrei, was zu begrüßen ist, aber dafür wird dann in der Osternacht gekickt. Klar kann man argumentieren, dass religiöse Gefühle und Traditionen nicht der Maßstab sein müssen für Entscheidungen in der freien Wirtschaft.
Trotzdem muss das Spiel heute Abend nicht sein. Diese Terminansetzung zeigt beispielhaft ein weiteres Mal Ignoranz gegen alle Traditionen und Religionen außerhalb des Fußballs. Und sie zeigt wie Wirtschaft und Gesellschaft im 21. Jahrhundert funktionieren, was am Ende bestimmt, wo es langgeht: Das Geld und nichts anderes.
Sinn der Feiertage? Völlig egal!
Das gilt ja übrigens auch für christliche Feste und Feiertage. Häufig als Tradition einer immer kleiner werdenden Gruppe in einer säkularen Gesellschaft verlacht, werden sie genau dann gerne genommen, wenn sie sich in die Konsum-Spirale einpassen lassen. Feiertage und anschließende Brückentage, die Kurzurlaube ermöglichen und die Tourismusbranche ankurbeln. Und Weihnachten versetzt auch die in Hektik und immer extremer werdenden Shoppingrausch, die mit Religion nichts am Hut haben, aber trotzdem dem Konsum gerne frönen. Der Sinn und Hintergrund der Feiertage? Völlig egal offenbar.
Wie sich Fußballkommerz über Feiertage zuspitzen kann, macht einmal mehr England vor: Der sogenannte Boxing Day am 26. Dezember ist dort inzwischen vor allem als Hochfest des Geschenk-Umtauschens - und als Spieltag in der Premier League bekannt.
Das Vorreiterland der Fußball-Vermarktung frohlockt über gigantische Zuschauer- und Umsatzzahlen. Fußball am 2. Weihnachtstag bleibt uns in Deutschland bisher zum Glück erspart. Die Partie heute Abend ist auf jeden Fall ein Ostergeschenk, das ich gerne zurückgeben möchte.
Matthias Friebe (Deutschlandfunk – Aktuelles, freier Mitarbeiter) 
Matthias Friebe, Jahrgang 1987, Journalist, studierte Neuere und Neueste Geschichte, Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Münster und Duisburg-Essen. Volontariat bei domradio.de und Ausbildung an der Journalistenschule ifp in München. Danach arbeitete er als Moderator und Redakteur für WDR, Deutschlandfunk und domradio.de. Heute ist er Redakteur in der Sportredaktion des Deutschlandfunks.