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Fußball
Tor, Tor, Tor … für die Imame

In Düsseldorf spielen muslimische und christliche Geistliche gegeneinander Fußball. Der Schiedsrichter ist ein Rabbiner, die Schirmherrschaft hat Mesut Özil übernommen. Bei dem Turnier geht es – natürlich – nicht nur um den Sieg, sondern auch um Symbolik.

Von Kadriye Acar | 10.06.2016
    Profifußballer sind sie nicht, die Technik lässt sicher auch zu wünschen übrig, und einige haben sich wohl auch lange nicht sportlich betätigt. Aber - alles in allem - es macht Spaß zuzuschauen. Halt Freizeitkicker - denkt man. Dann fällt auf, dass auch eine Frau mit auf dem Rasen ist und bei näherem Hinsehen und Hinhören ist doch alles etwas anders.
    Lautsprecherdurchsage:
    "So, jetzt der erste Angriff der Imame, aber da kommt einer dazwischen. So, jetzt kommt der Uwe Gerrens, von der evangelischen Stadtakademie. Stürzt sich raus, sofort in die Action. Und jetzt haben die Imame den Ball wieder erobert."
    Irgendwann wird klar, das ist kein Alt-Herren Kicken mit Dame, sondern eine himmlische Begegnung zwischen christlichen und islamischen Geistlichen auf dem grünen Rasen. So gibt der eingewechselte Uwe Gerrens von der Evangelischen Stadtakademie in Düsseldorf sein Bestes. Der Hüne jagt hinter dem Ball her, schwitzt, fällt hin und steht wieder auf. Ein passionierter Fußballer?
    "Neee eher nicht, ich habe hier letztes Jahr gegen die Imame gespielt. Ich laufe gerne, aber der Ball stört mich dabei."
    Zum vierten Mal veranstaltet der KDDM, der Kreis Düsseldorfer Muslime und die Hilfsorganisation Islamic Relief diesen Fußball Cup. 24 muslimische Mannschaften, die sich aus verschiedenen Moscheen zusammensetzen, spielen gegeneinander.
    Reaktion auf Dügida
    Seit eineinhalb Jahren, als Reaktion auf die Dügida-Bewegung, gibt es einen besonderen Höhepunkt: Pfarrer und Priester spielen gegen Imame und der Schiri ist ein Rabbiner. Die Schirmherrschaft für den Cup haben Mesut Özil und Oberbürgermeister Thomas Geisel übernommen. Für den Pfarrer und Jogger Uwe Gerrens eine Ehrensache, dabei zu sein.
    "Ich fand genau das richtige Signal. Man spielt miteinander, sogar gegeneinander. Und schlägt sich hinterher nicht die Köpfe ein", sagt Gerrens.
    Und wie ist sein Tipp für das Spiel?
    "3:2 für uns."
    Lautsprecherdurchsage:
    "Sehr guter Pass, …. Tor, Tor, das erste Tor für die Imame".
    Unter den Augen von 5.000 bis 7.000 Besucher schießen die Imame das erste Tor und gehen in Führung. Die in der Mehrheit muslimischen Zuschauer sind begeistert. So wie die Fußballer der Fatih Moschee in Düsseldorf, Ellerstrasse.
    "Ich habe eine Familie mit drei Kindern, und Fußball kann man mir nicht wegnehmen. Fußball ist alles für mich. Erst Fußball, dann kommt meine Frau. (lachen) nein, nein, natürlich erst meine Familie, dann Fußball. Aber Fußball hat eine sehr große Bedeutung für mich."
    Üzeyir Inci: "Sport spielt nicht nur im Islam eine große Rolle, wenn man den Sport nicht missbraucht, ist es das Beste, was es gibt. Ich bin zum Beispiel ein Fußball-Fan, es ist meine Leidenschaft. Ich selbst spiele es gerne, gucke meinen Kindern dabei zu. Aber manche Konservative haben früher Fußball zum Beispiel verboten. Wegen der kurzen Hosen. Es wurde gesagt, es gibt andere Sportarten, die schöner, islamischer sind. Aber in den letzten Jahren hat sich das Bild geändert. Mittlerweile können wir sehen, dass Sport, Fußball und der Islam sich nicht widersprechen bzw. zusammengehören.
    "Die Imame haben den Ball, wooooooo, das wäre es gewesen."
    Auch Michael Inden, Diakon im Seelsorgebereich und Stadtverbandpräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung schaut mit Spannung dem Spiel zu. Sein Tipp für das Spiel:
    "Ich hoffe, wie letztes Jahr ein Unentschieden. Weil das wäre das beste Zeichen, was man geben kann."
    Das Spiel als ein Zeichen für Religionsfreiheit
    Michael Inden ist einer der Väter des Cups. Für ihn ist es wichtig, die Gemeinsamkeiten zwischen den drei abrahamitischen Religionen hervorzuheben - dabei aber nicht die Unterschiede zu vernachlässigen.
    "Die Unterschiede sollten wir auch nicht wegtun. Wir sollten jetzt auch nicht anfangen alle drei Religionen gleichzusetzen. Alle drei Religionen haben eine etwas andere Ausrichtung. Im Kern sind wir alle ein Eingottglaube. Aber ich denke, was wichtig ist, dass Deutschland geprägt ist von der Religionsfreiheit. Und diese Religionsfreiheit wird gerade in den letzten Wochen und Monaten von vielen oder von einer Partei ganz deutlich in Frage gestellt. Und da soll dieses Spiel auch ein Zeichen sein, dass das zu Deutschland gehört und dass wir gemeinsame Wurzeln haben, gemeinsam miteinander Spaß haben können, gemeinsam Fußball spielen können."
    Lautsprecher:
    "Das sieht sehr gut aus und Tor, Ausgleich, das war eine sehr gute Aktion."
    Der Schiedsrichter Joshua Ahrends, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, hat leichtes Spiel. Während auf den Rängen eine "La Ola-Welle" die nächste jagt, muss er nur pfeifen und aufpassen, dass keiner foult.
    "Die Rabbiner können auch Fußball spielen. Also ich spiele seit 31 Jahren, ich hätt manchmal auch gerne mitgespielt. Und war ja leider nur der Schiedsrichter. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr ein jüdisches Team gibt, dann können wir halt zeigen, was wir auch können."
    Mit 4:3 für die Imame endet das Spiel. Zweimal 10 Minuten hat es nur gedauert. Aber die Spieler sind außer Atem und glücklich. So wie Imam Muhammed Ginzati und Pfarrerin Frauke Müller Stehrl.
    Muhammed Gintanzi: "Das ist ein Fortschritt, und ich hoffe, dass es immer mehr immer mehr wird. Und das Signal, man sieht ja, wie das Publikum mitgemacht hat. Da sieht man, was dahinter steckt. Und das muss man fördern. Immer mehr. Das ist ein Signal und eine Botschaft an all diejenigen, die das Zusammenleben, das friedliche Zusammenleben unter Christen, Muslimen, Juden zerstören wollen und zu sagen: Nein, das geht doch friedlich miteinander."
    Spaß gemacht, zusammen zu kämpfen
    Pfarrerin Frauke Müller Stehrl sagt:
    "Es war wunderbar, das hat total Spaß gemacht. Ich bin in der Abwehr gewesen und konnte auch was ausrichten. Kaum war ich raus, gab es zwei Gegentore. Aber nein. Das hat Spaß gemacht, zusammen zu kämpfen. Und ich entwickle dann auch so einen Ehrgeiz. Ich will dann auch was. Das war richtig toll, ich habe mich richtig gefreut, dass wir zwei Tore geschossen haben."
    Michael Inden und Uwe Gerres lagen mit ihren Tipps für den Spielausgang doch weit daneben. Ganz im Geiste der Veranstaltung nehmen sie es sehr gelassen.
    "Es war ein tolles Spiel, der Bessere hat gewonnen. Was mir sehr gut gefallen hat, sind halt nicht nur die Imame angefeuert, weil der Großteil der Gäste hier Muslime sind. Sondern, es wurde die besten Spieler und die besten Spielzüge angefeuert. Und das fand ich, das ist wirklich eine tolle Sache. Das hat uns allen sehr viel Spaß gemacht."
    Bilanziert Inden. Und Uwe Gerrens sagt:
    "Meine Vorhersage das Ergebnis betreffend hat nicht ganz gestimmt. Es war trotzdem ein Superspiel, hat super Spaß gemacht. Und ich habe auch ein Tor geschossen, war zwar ein Eigentor, aber immerhin."
    Das Spiel ist vorbei. Der Ernst des Lebens kommt schneller zurück als erwartet. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Islamisten einen Anschlag in Deutschland planten. Ausgerechnet in Düsseldorf.