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Futter bei die Fische

Die Deutschen möchten immer mehr Fisch essen, doch die Meere sind weitgehend leer gefischt. Wenn Fisch in riesigen Netzen auf engem Raum großgezogen wird, belasten Nahrungsreste und Medikamente die Umwelt. Forscher in Rostock probieren nun neue Ideen für Aquakulturen.

Von Jürgen Drewes | 23.10.2013
    Es sieht aus, als hätte jemand einen 20 Meter großen Kreis ins Meer gezeichnet. Hin und wieder springen darin ein paar Fische hoch, so, als würden sie versuchen über die knapp ein Meter hohe Begrenzung zu entkommen. Unter Wasser hält sie ein enges Maschengeflecht davon ab. In dem Netzgehege werden Forellen gemästet. Meeresbiologe Florian Peine will die Haltungsbedingungen optimieren. Größtes Problem dabei ist die Reinhaltung des Wassers.

    Bislang gibt es weltweit keine einzige Aquakulturanlage in einem Brackwassermeer, die den Umweltansprüchen genügt. Wissenschaftler und Techniker von gleich vier Lehrstühlen der Rostocker Universität wollen jetzt mit einer Versuchsanlage in der Ostsee den Beweis antreten, dass es technologisch durchaus möglich ist, eine gleichbleibend hohe Wasserqualität - trotz intensiver Fischmast - zu garantieren. Florian Peine setzt dabei auf zwei Helfer:

    "Das wären auf der einen Seite die Miesmuscheln, die hier vor der Küste mannigfaltig vorkommen. Und dann dazu Rotalgen, die am Meeresgrund gelöste Stoffe aufnehmen können. Und beide Organismen kann man nachher auch noch kommerziell nutzen. Wir werden das jetzt mal ausprobieren und hoffen, dass wir in zwei Jahren eine marktreife Miesmuschel haben."

    Im Larvenstadium hat Florian Peine über 100.000 Individuen auf einem Quadratmeter gezählt. Am Ende soll jedes Weichtier vier Zentimeter groß sein. Doch bis es so weit ist, sollen die Muscheln als Filter arbeiten, all das für das eigene Wachstum nutzen, was aus den über ihnen hängenden Netzgehegen rieselt. Die Frage ist nur, in welcher Meerestiefe die Miesmuscheln ihrer Filterarbeit am erfolgreichsten nachkommen können.

    "Wir werden versuchen, die Miesmuscheln an langen Leinen zu kultivieren. Das sind dicke Nylonseile, die in der gesamten Wassersäule hängen und an diesen Seilen können sich die Miesmuscheln festsetzen, wachsen und während ihres gesamten Lebens ordentlich filtrieren."

    Ob sie anschließend für die menschliche Ernährung noch geeignet sind, auch das muss noch herausgefunden werden. Die Europäische Kommission und das Land Mecklenburg-Vorpommern fördern das Pilotprojekt mit 1,4 Millionen Euro. Als Standort für die Versuchsanlage wurde ein Seegebiet unweit eines künstlich angelegten Riffs vor Börgerende bei Rostock auserkoren:

    "Aus meiner Sicht wäre das eine spannende Geschichte die Aquakultur, so wie wir sie jetzt aufbauen wollen, mit einem Riff zu kombinieren, weil man da schon einen riesigen Biofilter hat. Um letztlich wieder Fisch zu produzieren hier für uns, frischer Fisch aus der Region, was Feines, Gesundes."

    Anders die Überlegungen bei der Entwicklung landgestützter Aquakulturanlagen. Hier stellt sich die Frage: Wohin mit den Rückständen, die beim Filtern mithilfe technischer Anlagen anfallen. Günther Scheibe entwickelt und baut solche Anlagen im vorpommerschen Abtshagen derzeit speziell für die Aufzucht und Mast von afrikanischem Wels.

    "Also der Grundgedanke ist, den sogenannten Abfall von einem Prozess nutzen für einen folgenden Prozess. Das würde in diesem Fall bedeuten, wir nutzen dieses nährstoffhaltige Wasser, um eine Gemüseproduktion in Form einer Gewächshausproduktion zu betreiben. Sehr aktiv ist das Institut für Binnenfischerei in Berlin gewesen. Da gibt es den Begriff Tomatenfisch, da wird die Einheit von Fisch und Gemüse hergestellt."

    Offen ist derzeit noch, inwieweit die anfallenden Nährstoffe aus der Fischproduktion ausreichen, um für eine optimale Tomatenernte zu sorgen. Hier setzt Projektentwickler Scheibe auf die Arbeit des noch zu gründenden Technologiezentrums. Fest geplant ist bereits der Bau eines Forschungskomplexes durch den Lehrstuhl für Aquakultur an der Uni Rostock:

    "Wo Fischproduktion und Pflanzenproduktion forschungsmäßig untersucht werden. Das finde ich wunderbar. Damit haben wir ganz hervorragende Möglichkeiten wissenschaftliche Details herauszuarbeiten und Schlussfolgerungen für die Industrieentwicklung zu ziehen. Um uns allen zu zeigen, das ist der Weg, wo die Zukunft hingehen kann."