Freitag, 19. April 2024

Archiv

Future Zone Summit
Transmediales Storytelling

Wie lassen sich traditionelle und digitale Medien miteinander verbinden, und welche neuen Zuschauererlebnisse können daraus entstehen? Beim Future Zone Summit in der NRW-Medienwoche wurde darüber diskutiert, wie Transmedia Storytelling funktioniert.

Von Simone Schlosser | 01.06.2017
    Illustratorin bei der Kreation eines Comics in digitalem Format.
    Illustratorin bei der Kreation eines Comics in digitalem Format. (imago)
    Transmediales Storytelling ist keine neue Entwicklung: Disney macht es mit "Star Wars". Marvel mit den Avenger-Comics. Geschichten erzählen in mehreren Medien gleichzeitig. Manchmal weiß das Publikum gar nicht mehr, was eigentlich zuerst da war: das Buch, der Film oder das Computerspiel?
    "Die meisten Kinder kennen Harry Potter heute durch die Computerspiele. Erst wenn sie darauf hingewiesen werden, stoßen sie auf die Bücher oder auf die Filme."
    Transmediales Storytelling ist mehr als die digitale Aufbereitung alter Bücher
    Jeff Gomez ist Mitgründer der Produktionsfirma Starlight Runner Entertainment, die sich auf die Produktion transmedialer Inhalte spezialisiert hat. Zu seinen Kunden gehören Walt Disney, Sony Pictures oder der amerikanische Fernsehsender Showtime.
    "Transmedia bietet die Möglichkeit, ein Publikum zu erreichen, das sonst vermutlich nicht auf die Idee gekommen wäre, eine mehr als zehn Jahre alte Buchreihe zu lesen."
    Jedes Einzelstück steht für sich selbst
    Dieser Werbeeffekt ist ein willkommener Nebenaspekt. Grundsätzlich möchte transmediales Storytelling aber mehr sein als Teil einer Online-Marketingkampagne.
    "Es geht hier nicht um Werbung, sondern darum, verschiedene Distributionskanäle zu nutzen, um individuell überzeugende Aspekte einer Gesamtgeschichte zu erzählen. Diese Einzelgeschichten können sich überschneiden, aber in der Regel steht jede für sich selbst."
    Ein Beispiel dafür ist das Doku-Projekt "Tahrib – Die unendliche Reise" über Flucht, Migration und Integration, das das UFA Lab für den Bayrischen Rundfunk entwickelt hat. Ein linear erzählter Dokumentarfilm wird online begleitet durch Interviews und Diskussionsrunden.
    "Der Anwender, der Zuschauer kann immer tiefer in die Geschichte einsteigen. Entscheidet selbst darüber, welche Facette er sehen möchte, in welchem Detailgrad," sagt Tobias Schiwek.
    Tobias Schiwek ist Geschäftsführer des UFA Labs, das mit der Dina-Foxx-Reihe bereits vor einigen Jahren eines der ersten deutschen Transmedia-Projekte entwickelt hat, und seitdem regelmäßig in dem Bereich tätig ist: "Ich glaube Sinn hat das überall. Die Kunst wird sein, dass jedes Einzelstück für sich auch schon funktioniert, und das ich in der Gesamtheit einen Detailgrad erreicht, den es sonst nicht hätte."
    "lineare Erzählung in einer interaktiven Form erfahrbar machen"
    Ein anderes Beispiel ist die interaktive Erzählung "Zeuge J.". Eine Online-Game das Teil ist von Milo Raus "Kongo Tribunal", zu dem außerdem ein Theaterstück und ein Dokumentarfilm gehören. Ein fiktiver Prozess über die globalen Rohstoffkonflikte.
    "Was für uns interessant war, war eine Erzählung an Erfahrung zu schaffen, die es in irgendeiner Weise nachvollziehbar macht, was da vorgeht und was unsere Rolle als westliche Konsumenten in diesem Konflikt ist."
    Daniel Wagner von dem Kölner Transmedia-Studio Monokel hat "Zeuge J." entwickelt. Seine Grundidee für das Spiel, das im Sommer veröffentlicht werden soll: die lineare Erzählung in einer interaktiven Form erfahrbar zu machen. Um die Entwicklung solcher Transmedia-Projekte voranzutreiben, hat Daniel Wagner einen entsprechenden Verein gegründet, in dem Filmemacher und Entwickler zusammen finden sollen:
    "Ein Problem was wir sehr häufig mitkriegen aus dem Alltag der Arbeit ist: Ein Filmproduzent will mit einem Spieledesigner zusammenarbeiten. Wie reden die miteinander? Wir bringen dort, wo Leute Interesse an dieser Art von interdisziplinärer Arbeit haben, die verschiedenen Gruppen, die verschiedenen Repräsentanten, miteinander zusammen und helfen ihnen dabei, wenn sie konkret versuchen, Projekte umzusetzen."
    Journalistische Berichterstattung ist Teil einer transmedialen Erzählung
    Auch für Journalisten könnten solche Projekte zunehmend relevant werden, meint der Transmedia-Produzent Jeff Gomez. Denn auf Facebook und Twitter entwickeln Leser längst ihre ganz eigenen transmedialen Erzählungen, in dem sie Zeitungsartikel liken, teilen und kommentieren:
    "Durch unser Social Media-Verhalten werden Erzählungen nicht linear weitergegeben. Mit entscheidendem Einfluss auf große Teile der Bevölkerung. Denken wir nur an die Black-Lives-Matter-Bewegung. Oder an den Brexit. Donald Trump. Das sind gravierende gesellschaftspolitische Veränderungen, hervorgerufen durch unseren Eingriff in die Erzählung."
    In diesem Sinne war der Einfluss von Journalisten nie größer. Nicht etwa, weil mehr Menschen Zeitung lesen, sondern weil die Berichterstattung Teil einer transmedialen Erzählung ist, die direkt oder indirekt längst unseren Alltag erfasst hat.