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G7-Eklat
"Donald Trump ist nicht Amerika"

Nach Ansicht des ehemaligen US-Botschafters John Kornblum sind G7-Treffen auch nach dem Eklat in Kanada weiter sinnvoll. Trotz vieler Differenzen sei es wichtig, dass Staatschefs zusammenkommen und im Gespräch bleiben, sagte er im Dlf. Die gemeinsame Wertebasis zwischen Europa und den USA sei immer noch vorhanden.

John Kornblum im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 11.06.2018
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, aufgenommen am 09.10.2016 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "Friedensgespräche abgebrochen - Ist Aleppo verloren?"
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. (picture alliance/dpa - Karlheinz Schindler)
    Jörg Münchenberg: Wir kommen noch einmal auf den Eklat beim G7-Gipfel zu sprechen. US-Präsident Donald Trump setzt ja vor allem auf bilaterale Abkommen, um dann Stärke und Macht der USA ausspielen zu können. So gesehen war die Absage an den Club der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen nur konsequent. Ebenso jetzt der Versuch, im Hauruck-Verfahren eine Einigung mit Nordkorea zu erzielen. – Vor einer halben Stunde habe ich dazu mit dem ehemaligen US-Botschafter in Berlin, John Kornblum, gesprochen und ihn zunächst gefragt, was der Eklat für die internationale Politik bedeutet.
    John Kornblum: Ich glaube, es wiegt ziemlich schwer. Trump hat aus verschiedenen Motiven auf das Treffen und auf die Fragen reagiert, in einer sehr verärgerten und auch aggressiven Weise. Das tut er wahrscheinlich aus verschiedenen Motiven, auch innenpolitischen. Aber ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass die Beziehungen unter den G7-Partnern im Moment sehr ruhig und positiv sind.
    "Nur reden bringt dann auch nichts"
    Münchenberg: Würden Sie denn sagen, so ein G7-Treffen in nächster Zeit macht noch Sinn, oder ist es nicht besser, auf solche Treffen, die ja ohnehin umstritten sind, lieber zu verzichten?
    Kornblum: Na ja, das wird man überlegen müssen. Ich persönlich bin immer für solche Treffen, weil ich meine, auch wenn da Unterschiede sind, es ist besser, dass die Führer zusammenkommen und miteinander reden. Aber Sie haben recht: Alle diese großen Treffen sind in letzter Zeit, auch nach dem ziemlich dramatischen G20-Treffen in Hamburg letztes Jahr, alle diese Treffen sind jetzt ein bisschen in Frage gekommen.
    Münchenberg: Nur reden bringt dann auch nichts?
    Kornblum: Nur reden bringt dann auch nichts. Aber der Vorteil und der Prozess von solchen Treffen ist natürlich, dass man sehr sorgfältige, teilweise langwierige Vorbereitungen hat, so dass, wenn die Regierungschefs zusammenkommen, das mehr oder weniger alles schon durchgekaut worden ist. Das ist was, was Trump natürlich ablehnt. Es ist egal, was seine Beamten da vereinbart haben. Wenn er kommt, dann sagt er, was ihm sozusagen in die Sinne kommt.
    Münchenberg: War das Ihrer Einschätzung nach ein kalkulierter Ausstieg, zumal der US-Präsident für solche Zwecke ja ohnehin eher wenig übrig hat?
    Kornblum: Bei ihm ist das immer eine Frage. Man weiß es nicht. Ich würde meinen, wahrscheinlich ja, weil wenn man die Interessen, die Probleme, wenn Sie wollen, die er jetzt hat, überlegt: Er hat zuhause immer noch ein Problem mit Herrn Mueller und seiner Untersuchung zu Russland. Die Zwischenwahlkämpfe, die Vorwahlkämpfe in den letzten zwei, drei Wochen sind für die Republikaner nicht gut ausgefallen, sehr schlecht sogar. Und die internationale Lage, sagen wir Nordkorea oder China, verlangt aus seiner Sicht, meine ich jetzt, er glaubt, glaube ich, dass er Stärke zeigen muss, und er hat die Bemerkungen vom kanadischen Premierminister vielleicht benutzt, um einfach Stärke zu zeigen.
    "Es gibt natürlich eine sehr starke gemeinsame Wertebasis"
    Münchenberg: Aber was zählen überhaupt noch internationale Absprachen, wenn Trump sich je nach eigenem Bedarf überhaupt nicht mehr um solche Absprachen schert?
    Kornblum: Ich meine, man könnte viele andere Beispiele finden, wo eine Absprache ziemlich bald auch in Frage gestellt worden ist. Ich glaube, wie ich eben gesagt habe: Das Wichtigste ist, dass diese Treffen und auch diese Absprachen, diese Dokumente dazu dienen, dass die Staaten untereinander sehr viel miteinander reden, dass sie konkret auch versuchen, die Probleme zu besprechen und Lösungen vorzubereiten. Ich finde, das ist immer noch sehr wichtig.
    Münchenberg: Trotzdem sagen ja viele Beobachter, da stehen jetzt irgendwie alle vor einem gigantischen Scherbenhaufen. Gibt es denn überhaupt noch eine gemeinsame Wertebasis, oder heißt nicht die Devise bei Donald Trump, wenn Du nicht nachgibst, dann bist Du faktisch mein Feind?
    Kornblum: Na ja, das sind zwei Fragen. Es gibt natürlich eine sehr starke gemeinsame Wertebasis über den Atlantik zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Donald Trump ist nicht Amerika.
    Münchenberg: Aber er ist der Präsident und gibt die Leitlinien vor.
    Kornblum: Ja, aber nur zu dem Zeitpunkt, wo er im Amt ist. Ich glaube, man kann ins Internet schauen, es gibt ja schon endlose Analysen seines Charakters, die wahrscheinlich zu nichts führen, aber wir sehen, dass er ein Mensch ist, der von Anfang an, seit Anfang seiner geschäftlichen Karriere vor fast 40 Jahren, immer hart, immer direkt und auch immer ohne große Prinzipien gehandelt hat. Er ist eine Persönlichkeit. Es gibt immer die große Frage, Henne oder Ei. Er ist eine Persönlichkeit, die erschienen ist, gerade zu der Zeit, wo die Bevölkerung nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa ihr Vertrauen in das Fundament, in das Nachkriegsfundament, wollen wir sagen, verloren hat, und er nutzt das aus. Aber das hat nichts mit der gemeinsamen Wertebasis zu tun.
    "Man erwartet, dass Deutschland stabil und besonnen ist"
    Münchenberg: Herr Kornblum, ist denn dieser pragmatische Politikstil, den Bundeskanzlerin Angela Merkel pflegt, überhaupt noch zeitgemäß bei so einem Politiker wie Donald Trump?
    Kornblum: Ich finde, es ist sehr zeitgemäß, gerade für eine deutsche Bundeskanzlerin, weil man von Deutschland erwartet, aus verschiedenen Gründen, nicht nur aus der Vergangenheit, sondern auch Deutschlands Rolle in Europa, dass Deutschland stabil und besonnen ist. Ich würde aber sagen, ich hoffe mindestens, dass es in der Bundesregierung auch Menschen gibt, die verstehen, dass das Fundament der Nachkriegszeit abbröckelt, dass der alte Multilateralismus, den Frau Merkel ja erst vor ein paar Tagen heraufbeschworen hat, immer schwächer wird und dass man wirklich kreativ überlegen muss, wie Deutschland sich auch in Europa verhält.
    Münchenberg: Herr Kornblum, nun ist ja Donald Trump weitergereist nach Singapur. Da gibt es morgen den Gipfel mit Nordkorea. Ist Nordkorea den USA inzwischen wichtiger als die westlichen Bündnispartner?
    Kornblum: Nein, überhaupt nicht. Aber Nordkorea ist für die Welt wichtig, weil es auch diese Kernwaffen entwickelt hat und weil es auch ziemlich gefährlich sein könnte. Aber ich glaube wieder, in Trumps Kopf gelten solche Überlegungen nicht. Ich glaube, er sieht da eine Aufgabe, er sieht da einen Platz, wo er punkten könnte, wo er zeigen könnte, ich bin der Beste. Wenn Sie seine Reden und seine Bemerkungen lesen, meint er sehr oft, ich bin der einzige, der dieses Problem lösen kann.
    Münchenberg: Was viele Fachleute ja durchaus bezweifeln, auch was jetzt die Ergebnisse dieses Gipfeltreffens angeht.
    Kornblum: Natürlich.
    Münchenberg: Sind am Ende dem US-Präsidenten schöne und sicherlich historisch einmalige Bilder vielleicht doch wichtiger als die Inhalte? Wie gesagt, viele Experten erwarten ja, dass da morgen vielleicht doch nicht so viel herauskommt.
    Kornblum: Ja, natürlich. Im Endeffekt ist es für ihn Darstellung und es gibt vielleicht eine Chance in zehn, dass was Positives herauskommt. Aber wenn nichts herauskommen wird, wird er sagen, ich bin der einzige, der die Sache in Bewegung setzen könnte.
    Münchenberg: Aber trotzdem: Diese Sprunghaftigkeit. Muss sich nicht auch Kim nach diesem Eklat in Kanada vielleicht ernsthaft fragen, was Zusagen des US-Präsidenten noch wirklich wert sind?
    Kornblum: Ich würde es anders herum sehen. Ich glaube, wenn ich Kim wäre, würde ich sagen, na ja, Trump braucht jetzt wirklich einen Erfolg, und meine Möglichkeiten in diesem Gespräch sind jetzt höher geworden als vor zwei Tagen. So würde ich das sehen. Nicht, ob man daran glaubt, dass er seine Zusagen hält. Ich meine, Kim hält sie auch nie. Die Frage ist eher, welcher der beiden Partner meint, dass er jetzt die Oberhand hat.
    Münchenberg: Der ehemalige US-Botschafter in Berlin, John Kornblum, zum Eklat auf dem G7-Treffen und den möglichen Folgen für die internationale Politik.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.