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G7-Gipfel
Polizei und Gipfel-Gegner rüsten sich

Am Sonntag beginnt im bayerischen Schloss Elmau der G7-Gipfel. Schon jetzt protestieren Zehntausende in München gegen das Treffen der bedeutendsten Industrienationen. Die Demonstranten kritisieren vor allem die ungerechte Wirtschaftsordnung und den weltweiten Hunger.

Von Michael Watzke | 04.06.2015
    Ein Mann in Lederhose geht am 04.06.2015 in München (Bayern) bei einer Demonstration gegen den G7-Gipfel an Polizisten vorbei, die ein Bankgebäude schützen.
    Die Polizei erwartet Zehntausende Demonstranten. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Heute mittag am Münchner Marienplatz: 15.000 Menschen protestieren gegen - Gottlosigkeit. Dass die traditionelle Fronleichnams-Prozession der Münchner Katholiken ausgerechnet dort endet, wo kurz darauf die Anti-G7-Demonstration beginnt – ein Zufall. Und zusätzlicher Stress für Sicherheitskräfte und Stadtbewohner. Polizeisprecher Wolfgang Wenger: "Also wir bitten um Verständnis. Bei einer so großen Veranstaltung wie G7 wird es mit Sicherheit zu Verkehrsbehinderungen kommen im gesamten Stadtgebiet. Und wir bemühen uns, die Sperrungen so kurzfristig wie möglich zu halten. Aber Sicherheit ist natürlich das wichtige Thema für uns."
    Die will die Polizei in München mit rund 5.000 Beamten gewährleisten. Die Zahl der Demonstranten beim sogenannten Alternativ-Gipfel schätzt die Polizei auf 15.000 bis 30.000. Mit dabei: der Globalisierungskritiker Jean Ziegler aus der Schweiz. Sein Anliegen: Verteilungs-Gerechtigkeit und Bekämpfung von Hunger-Katastrophen. "Alle fünf Sekunden ist letztes Jahr ein Kind verhungert. Fast eine Milliarde ist verkrüppelt durch permanente Unterernährung. Und das auf einem Planeten, wo die Welt-Landwirtschaft, so wie sie heute ist, problemlos fast das Doppelte der Weltbevölkerung ernähren könnte. Ein Kind das jetzt, während wir reden, an Hunger stirbt, wird ermordet."
    Ernährung und Landwirtschaft als Schwerpunktthema
    Das Thema Ernährung und Nahrungsmittel treibt viele Demonstrations-Teilnehmer um. Die Spenden-Organisationen Oxfam und Missio sind ebenso als Veranstalter dabei wie die Aktionsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Deren Sprecher greift die Gipfel-Teilnehmer auf Schloss Elmau an: "Das, was die G7-Staaten an Aktionen da machen, ist absolut kontraproduktiv. Es hilft vor allem den Konzernen, aber nicht den Kleinbauern oder der hungernden Weltbevölkerung."
    Schon gestern Abend hatten die Veranstalter des Alternativ-Gipfels bei einer Podiums-Diskussion in München scharfe Kritik an der Gruppe der sieben Industriestaaten geübt. Vor rund 600 Teilnehmern schlug die indische Menschenrechts-Aktivistin Yayati Gosh als Lösungs-Ansatz massive Steuer-Erhöhungen für Reiche und Superreiche vor. Es sei doch gar nicht so schwer, sagte Gosh, die Steuern auf Reichtum, Vermögen, Erbschaft und Einkommen zu erhöhen. Im Publikum erntete die Inderin damit große Zustimmung: "Warum ich hier bin? Weil mich die ganzen politischen, weltwirtschaftlichen Themen interessieren, die ja sehr eng verknüpft sind und zu vielen weltweiten Krisen führen, die wir gemeinsam global lösen müssen." – "Ich möchte ein bisschen gesammelt, kompakter über die verschiedenen Aspekte informieren und mich auch einbringen, vielleicht, mit dem, was ich so sehe und denke."
    In München demonstriert das bürgerliche Lager
    Die heutige Demonstration in München ist nur die erste von vielen Anti-G7-Protesten in den kommenden Tagen. Dabei zeigt sich: In München demonstriert vor allem das eher bürgerliche Lager. Darunter kirchliche und Gewerkschafts-Gruppen sowie die Links-Partei. Die Grünen hatten sich zerstritten: Die Parteispitze nimmt an den eher gemäßigten Demos in München teil. Einige Mitglieder der bayerischen Landes-Grünen jedoch, darunter viele „Junge Grüne", wollen vor Ort in Garmisch demonstrieren – bei einer Großkundgebung am Samstag und einem nicht genehmigten Sternmarsch auf das Gipfel-Schloss am Sonntag. Generell sind rund um Elmau eher globalisierungskritische Hardcore-Aktivisten und system-ablehnende Autonome unterwegs. Darunter auch gewaltbereite, glaubt jedenfalls die Polizei. Sie rechnet in Garmisch mit Ausschreitungen. Demo-Mitveranstalterin und Pfarrerin Gisela Voltz dagegen rechtfertigt eine Blockade des Gipfels, selbst wenn die nicht immer friedlich ablaufen sollte.
    "Ich stelle an dieser Stelle immer die Gegenfrage: Müssen wir nicht eigentlich vielmehr Empörung entgegenbringen einem Wirtschaftssystem, das strukturell gewaltsam ist, das tagtäglich 24.000 Menschen wegen Hunger sterben müssen?"
    Der Demonstrationszug in München wird heute durch die gesamte Innenstadt ziehen. Er endet gegen halb sechs Uhr abends. Bisher meldet die Polizei: alles friedlich.