Freitag, 19. April 2024

Archiv

Illegales Goldschürfen im Regenwald
Lukrativer als der Kokainhandel

Sie wachsen unaufhörlich, die "Playas" im kolumbianischen Regenwald, die Strände. So bezeichnen die Menschen die Sandlücken im Dschungel, die durch illegale Goldminen entstanden sind. Immer mehr Regenwald fällt diesen Goldminen zum Opfer, die Regierung scheint machtlos, denn im Hintergrund verdienen viele kräftig mit.

Von Julio Segador | 02.04.2016
    Quibdo in der Provinz Choco in Kolombien. Durch illegale Goldminen wird immer mehr Regenwald zerstört.
    Quibdo in der Provinz Choco in Kolombien. Durch illegale Goldminen wird immer mehr Regenwald zerstört. (imago/ZUMA Press)
    Unterwegs mit dem Schnellboot durch den kolumbianischen Dschungel. Mit rasender Geschwindigkeit durchschneidet das schmale Boot die braunen Fluten des Atrato, eines Nebenflusses des Rio Magdalena.
    An den Seiten des Flusses begegnen einem die "Dragas", die Goldschürfboote. Riesige Plattformen, die über breite Rohre Sand und Schlick anpumpen, woraus Gold gewonnen wird. Nachdenklich blickt Pater Uli Kollwitz den mächtigen Schürfbooten hinterher. "In den letzten Jahren sind immer mehr Goldschürfer mit ihren Schwimmbaggern gekommen. Die haben keine Konzessionen. Das ist illegal, aber es wird auch nicht kontrolliert."
    Pater Uli, nennen die Menschen den Geistlichen mit dem dichten Vollbart. Vor über 30 Jahren kam er aus Deutschland nach Quibdó in den kolumbianischen Regenwald, wo er seither als Seelsorger arbeitet. Seit etwa fünf Jahren beobachtet er, wie sich die Dschungellandschaft durch die Goldsucher massiv verändert. Am Ufer scheint an manchen Stellen der Regenwald wie ausgelöscht. Die Bäume wurden gerodet, mussten den Goldminen Platz machen. Playas, Strände, heißen diese illegalen Goldminen im Regenwald, die aus der Luft wie Meteoriteneinschläge aussehen.
    Allein 2014 wurden rund 150 Quadratkilometer zerstört
    "Man sieht es, wenn man über den Urwald fliegt. Da werden immer größere Löcher reingerissen. Diese Bagger hinterlassen Mondlandschaften. Die Humusschicht ist hier im Urwald äußerst dünn und anfällig. Und wenn die mal weg ist, dann kommt die auch nicht wieder. Und das Wasser wird auch verseucht, weil sie Quecksilber einsetzen."
    Allein 2014 sind in Kolumbien dem illegalen Goldabbau rund 150 Quadratkilometer Regenwald zum Opfer gefallen, das entspricht der Hälfte des Stadtgebietes von München. Die Regierung kann dieses Krebsgeschwür kaum bekämpfen. Die Staatsgewalt ist in weiten Teilen des Regenwaldes nicht präsent, Guerilla und paramilitärischen Milizen kontrollieren den Goldabbau, zwingen einfache Bauern zur Arbeit in den Minen oder pressen traditionellen Kleinschürfern hohe Abgaben ab. Hier in der Provinz Chocó sind es die FARC-Rebellen, die das Goldgeschäft für sich entdeckt haben. Es sei für sie inzwischen lukrativer und risikoärmer als der Drogenhandel, berichtet Oberst Jorge Rojas, der einer Spezialeinheit des kolumbianischen Militärs angehört. "Sie haben davon einen größeren Gewinn. Es ist einfacher, zehn Prozent Anteil vom Gold abzupressen, als das Geld mühevoll aus dem Kokainhandel zu kassieren."
    Manche Flüsse bekommen einen völlig neuen Verlauf
    Es ist eine denkbar einfache Technik, mit der mitten im Urwald nach Gold gesucht wird. Die brutal gerodeten Dschungel-Flächen werden tief mit Baggern ausgeweidet, bis die Goldsucher auf die goldführende Gesteinsschicht stoßen. Dann werden die Steinbrocken zerkleinert und gesiebt. Mit viel Glück holen die Frauen und Männer dann einige kleine Klumpen heraus. Viel ist es nicht, was Eduardo an diesem Tag findet. Nein, er hat gerade mal so viel gefunden, um zu überleben, meint er. Dennoch nimmt er diese Knochenarbeit auf sich, auch wenn sie illegal ist.
    Auch Alberto Córdoba ist einer dieser Glücksritter, die im Dschungel nach Gold schürfen. Manchmal findet er einen Goldklumpen, dann kann er einige Wochen aussetzen mit der Arbeit. Was er findet, darf er behalten, erklärt er stolz. Aber sein letzter guter Fund liegt schon über einen Monat zurück.
    Der illegale Goldabbau hat für die Landschaft dramatische Folgen. Durch das Ausbaggern bekommen manche Flüsse einen völlig neuen Verlauf. Erdrutsche nehmen zu, das Wasser ist ständig verschmutzt. Das Auswaschen des Gesteins hat zur Folge, dass hochgiftiges Quecksilber in das Wasser gelangt. In manchen Regionen im Chocó sind die Fische nicht mehr genießbar. In den riesigen Förderlöchern sammelt sich zudem übel riechendes Brackwasser – die ideale Brutstätte für die Malaria-Mücken.
    Weite Flächen des Dschungels sind rechtsfreier Raum
    Es geht zurück mit dem Boot nach Quibdó. Pater Uli hat auf den Goldrausch, der seiner Dschungelregion immer stärker zusetzt, reagiert und für sich Konsequenzen gezogen. Den Goldkelch in der Messe hat er abgeschafft, seinen Goldring abgestreift. "In jeder Tonne Kies und Gestein sind ein paar Gramm Gold. Das ist ungeheuer, was da an Erde bewegt wird, um ein paar Gramm Gold rauszukriegen. Und dann ist ja noch das Verrückteste: Woanders werden wieder Löcher gemacht, wo das Gold eingebuddelt wird. In den Tresoren der Banken. Denn das Gold, das wirklich gebraucht wird für die Schmuckindustrie oder andere Industrien, das ist ja minimal.
    Zwar hat Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos angesichts des Raubbaus an der Natur den illegalen Minen vollmundig den Krieg erklärt. In der Realität ist davon nur wenig zu spüren. Weite Flächen des kolumbianischen Dschungels sind rechtsfreier Raum, weil der Staat dort schlicht nicht präsent ist. Dazu kommt, dass viele Gemeinden den Goldabbau unterstützen, es ist oftmals die einzige lukrative Einnahmequelle.