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Vor Abbas-Besuch in Washington
Keine Hoffnung auf Veränderung

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas reist in die USA, um mit US-Präsident Donald Trump über den Nahost-Konflikt zu sprechen. Doch viele Palästinenser haben die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts schon lange aufgegeben. Veränderungen erwarten sie nur noch von der jungen Generation.

Von Torsten Teichmann | 03.05.2017
    Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einem Treffen in Belgien im Februar 2017
    Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (BELGA)
    In der Innenstadt von Tulkarem eröffnet ein neues Shopping-Center mit viel Musik. Palästinenser mit Trommeln und Dudelsack ziehen in der Paris-Straße ein. Adnan Soboh verfolgt die Musiker mit seinen kleinen dunklen Augen. Er steht am Straßenrand vor seinem Musikgeschäft, in dem er DVDs, CDs und Kassetten verkauft.
    Eine gute Gelegenheit, um nach der Stimmung zu fragen vor dem Besuch des palästinensischen Präsidenten Abbas in Washington:
    "US-Präsident Trump hat kein Interesse an Abbas. Und Abbas weiß das. Trotzdem fliegt er in die USA, um als legitimer Vertreter der Palästinenser zu erscheinen. Früher ging es darum, Länder um Geld zu bitten, damit die Autonomie arbeiten kann. Jetzt reisen Abbas und seine 40 Räuber nur noch, um an der Macht zu bleiben."
    Keine Erwartungen an die Amerikaner
    Der 82-jährige Präsident findet immer weniger Unterstützung. Den Hungerstreik palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen hat Abbas so nicht gewollt. Er versucht, die Hamas in Gaza in einen Machtkampf zu zwingen, der aber auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wird. Und in Washington kann US-Präsident Trump nicht erklären, wie eine Lösung des Nahost-Konflikts aussehen soll. Und trotzdem war für Abbas seit Wochen nichts wichtiger als diese Reise in die USA.
    Musiker spielen zur Eröffnung eines neuen Einkaufszentrums in Tulkarem im Westjordanland.
    Musiker spielen zur Eröffnung eines neuen Einkaufszentrums in Tulkarem im Westjordanland. (Hafez Omar)
    In einer anderen Straße der Innenstadt von Tulkarem, bei Friseur Haytham Jarar sitzt ein Zweijähriger quengelnd auf dem Frisierstuhl. Dessen Mutter zieht schließlich das Handy raus, um den Jungen ruhig zu stellen. Die israelische Militärverwaltung hat den Palästinensern auf Bitten der USA erlaubt, in Zukunft ein Mobilfunknetz der dritten Generation aufzubauen. Viel mehr erhofft sich Haytham von den Amerikanern aber nicht:
    "Seit ich ein kleiner Junge war, laden US-Präsidenten palästinensische Politiker ein und reden über die palästinensische Sache. Aber die palästinensische Sache ist vorbei, das Land ist weg, wir sind in einer schlechten Position - daran habe ich mich gewöhnt."
    Es fehlt eine funktionierende Wirtschaft
    Hoch über der Stadt hat Saber Aref ein Haus. Der frühere Funktionär erreicht die prächtige Villa aber nur, wenn der israelische Checkpoint unterhalb seines Gartens offen bleibt. Dort liegt die jüdische Siedlung Avnei Hefetz, gegründet zu Beginn der 90er-Jahre. Heute leben dort 1.700 Siedler und weitere, neue Häuser entstehen. Daneben arbeitet ein Steinbruch in dem offenbar ausschließlich israelische Lastwagen Baumaterial aufladen.
    Für Tulkarem fehle stattdessen eine funktionierende Wirtschaft, klagt Aref. Er hat lange für die Stadtverwaltung gearbeitet und sagt, auch das neu eröffnete Einkaufszentrum sei kein Ersatz:
    "Was sie gesehen haben, das lebendige Straßenleben ist keine Wirtschaft. Das ist mehr ein touristischer Ansatz, Menschen laufen durch die Straße und besichtigen. Aber das ist nicht, was wir als Wirtschaft beschreiben."
    Die jüdische Siedlung Avnei Hefetz bei Tulkarem im Westjordanland.
    Die jüdische Siedlung Avnei Hefetz bei Tulkarem im Westjordanland. (Hafez Omar)
    Tulkarem ist auf Landwirtschaft angewiesen. Es fehlen Fabriken, sagt der ehemalige Politiker Aref den Besuchern in seinem Haus. Und für Fabriken fehlen Arbeiter mit Bewegungsfreiheit und Möglichkeiten zum Export.
    Die Stadt liegt im von Israel besetzen Westjordanland, im nördlichen Teil direkt an der Waffenstillstandslinie von 1967. Während der zweiten Intifada, dem gewaltsamen Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung, sprengten sich Selbstmordattentäter aus Tulkarem in Israel in die Luft. Auch deshalb blieb der kleine Checkpoint der israelischen Armee unterhalb seines Haus fast zehn Jahre lang verschlossen.
    Autonomiebehörde sorgt für Sicherheit
    An der Lage könne der palästinensische Präsident Abbas nichts mehr ändern, erklärt Aref. Denn international spiele Abbas keine Rolle mehr.
    "Mahmoud Abbas wird für Trump nie die gleiche Bedeutung haben wie der ägyptische Präsident Sissi. Abbas hat keinen einzigen Trumpf in seiner Hand. Die US-Regierung und die israelische Regierung suchen eine Lösung mithilfe der arabischen Staaten, nicht länger mit der palästinensischen Führung. Abbas hat in dieser regionalen Zusammensetzung keine Bedeutung."
    Es ist schwer, so kurzfristig Anhänger des Präsidenten in Tulkarem zu finden. Der Juwelier Ameen Quaryab lobt, die Autonomiebehörde sorge für Sicherheit. Und die israelische Armee komme auch nur noch nachts in die Stadt, um Häuser zu durchsuchen oder von ihr gesuchte Palästinenser zu verhaften. Aber kommt das Gesprächs aufs Geschäft, wird auch sein Ausblick wieder trüb:
    "An einem Tag kauft der Bräutigam das Gold für die Hochzeit und eine Woche später kommt er zurück und will es wieder verkaufen."
    Hoffen auf die Jugend
    Andere Geschäftsleute, wie der CD-Händler Adnan setzen auf die Jugend, auf die kommende Generation, anstatt auf ein Wunder des 82-jährigen Präsidenten zu hoffen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist jung, sagt Adnan.
    "Da gab es den Typen Basil Al-Araj. Ein Intellektueller, der die Jungend vertritt. Wenn der die Chance bekommen hätte, Al-Araj oder andere, dann wären die Ergebnisse so viel besser, als das, was wir jetzt haben."
    Der Apotheker Al-Araj hatte sich im März seiner Festnahme durch die israelische Armee in Ramallah mit Waffengewalt widersetzt und war von Soldaten getötet worden. Aber Palästinenser wie Adnan suchen eine Alternative. Alles scheint ihnen besser als der Stillstand unter der gegenwärtigen politischen Führung.