Susanne Sachsses "Original Sin"

Eine Sünde, die die Welt verändert

Die Schauspielerin Susanne Sachsse in Pierrot Lunaire, Premiere am 06.03.2011 im Hebbel am Ufer Berlin, HAU 1
Die Schauspielerin und Regisseurin Susanne Sachsse bei einem ihrer Stücke auf der Bühne © imago/DRAMA-Berlin.de
08.03.2018
"Original Sin" ist eine Konzertperformance, die das "sündige" Privatleben von Susanne Sachsses Großmutter zu DDR-Zeiten erzählt, die unter einem Dach mit ihrem Ehemann und ihrem Liebhaber wohnte. Eingebettet ist diese Erzählung ist elektronisch-experimentelle Musik - und diese Musik korrespondiert stark mit der Rolle ihrer Großmutter in der damaligen Gesellschaft.
Luise Brand war eine ganz besondere Frau: Ihr gelang es, ein eigenes, sehr besonderes Haus in einem kleinen Dorf in Thüringen zu bauen – zu der Zeit, als die DDR gerade die Mauer um Berlin hochzog. Und in diesem Haus lebte sie mit Ehemann und Liebhaber zusammen.
Diese wahre Geschichte ihrer eigenen Großmutter hat Schauspielerin Susanne Sachsse mit der Band Xiu Xiu und anderen Musikern in Düsseldorf auf die Bühne gebracht. Der Titel: "Original Sin", also Ursünde.
Die Ursünde ihrer Großmutter sei nicht das amoralische Zusammenleben mit zwei Männern gewesen, sagt Susanne Sachsse im Gespräch mit Max Oppel. "Ich sehe ihre Ursünde eher darin, dass sie sich nicht von Gott getrennt hat", meint sie.
Die Ursünde bestünde aber auch darin, sich von der Parteidisziplin zu trennen. Geliehen habe Sachsse sich diesen Titel von der Autorin Jane Bowles, die in ihrem Buch "Two Serious Ladies" von einer Ursünde schreibt, die eine ihrer Protagonistinnen begangen hat. Diese Sünde habe wie ein Katalysator die Macht, die Umwelt zu verändern: "Eine Sünde zu begehen, um weiter zu laufen", so beschreibt Sachsse das.

Wider die Kernfamilie als geheiligte Grundzelle

In dem Haus, das sie hatte bauen lassen, lebte Sachsses Großmutter mit ihrem Mann, einem niedergelassenen Arzt mit der Praxis direkt im Haus. Ihr Liebhaber war ein junger Arzt, in den sie sich - gleichwohl verheiratet - schließlich verliebte. Und so lebte das Dreiergespann zusammen mit Hunden und Bediensteten schließlich unter einem Dach.
"Für mich als Enkeltochter war das ein unheimliches Privileg", erzählt sie. Sie lernte dadurch, dass die "nukleare Kernfamilie", wie sie es nennt, nicht die einzige Form des Zusammenlebens ist. Die Kernfamilie wurde im Sozialismus als seine geheiligte Grundzelle wahrgenommen, geradezu spießig sei das gewesen, kritisiert Sachsse heute.

Die Mauern des Hauses hatten etwas Befreiendes

Das Haus war ein sehr großes majestätisches Haus gewesen mit drei Garagen und drei Autos darin, erzählt Sachsse.
"Das ist natürlich fragwürdig, denn ein Haus ist Besitz. Das hat mir Probleme gemacht, denn ich liebe diese Haus, aber ich will nie ein Haus besitzen."
Auch hätten die Mauern im Haus ihrer Großmutter eine andere Bedeutung entwickelt - sie waren nichts Begrenzendes, sondern bedeuteten Freiheit, erzählt sie.
"Das ist absurd und bringt mich durcheinander."
Diese Geschichte, vor allem seine politische Dimension, hat sie schließlich in eine Konzertperformance umgesetzt. Die Konzertperformance war dabei gar nicht von Anfang an geplant - sondern erst an einem bestimmten Punkt, an dem sie feststellte, dass eine narrative Erzählweise nicht mehr passte.
Die Musik ist elektronisch-experimentell, eine Musik, die in der DDR "Staatsfeind Nummer Eins" gewesen war - wie ihre Großmutter es ja eigentlich auch war.

Original Sin. A Concert - Susanne Sachsse und Xiu Xiu
Freitag, 9. März 2018, 20:00 Uhr
Forum Freies Theater (FFT), Düsseldorf