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"Gaitas" auf Aruba
Tanzbare Weihnachtslieder

Die niederländische Antilleninsel Aruba bringt man nicht unbedingt sofort mit Weihnachten in Verbindung. Doch hier gibt es eine ganz eigene Adventstradition: Die Gaitas, tanzbare Weihnachtslieder, die gut zu warmen Karibiknächten passen.

Von Franz Michael Rohm | 21.12.2014
    Trommlerinnen Las Únicas
    Die Frauenband Las Únicas aus Arubas Hauptstadt Oranjestad. (Michael Rohm)
    "Es gibt viel Wind auf Aruba, viele Steine, viele Kakteen, und viele freundliche und gut gelaunte Menschen.
    Außerdem hat Aruba noch eine Menge guter Musik. Eine Besonderheit sind unsere Gaitas: spezielle Weihnachtslieder, zu denen man tanzen kann. Die Bands haben guten Rhythmus, und verbreiten Freude und gute Laune bis Weihnachten."
    Aruba ist die westlichste der niederländischen Kleinen Antillen unter dem Wind. Sie ist nur 180 Quadratkilometer groß, und liegt wenige Meilen vor der Küste von Venezuela in der Karibik. Berühmt sind die puderzuckerweißen Traumstränden der Südwest-Küste Arubas. Dort stehen die großen Hotels.
    Amayra Boekhoudt hatte mir von den Gaitas erzählt: Tanzbare, karibische Weihnachtslieder, das klang interessant. Und von der Frauenband Las Únicas. Das klang noch interessanter. An einem Donnerstagnachmittag nahm sie mich mit nach Waterberg, einem Viertel im Osten der Inselhauptstadt Oranjestad.
    In Waterberg gibt es keine asphaltierten Straßen. Links und rechts der Lehmpiste stehen staubige Kakteen. Die Menschen wohnen in einfachen Bungalows, die farbenfroh im Nachmittagslicht leuchten. Als wir aussteigen, weht ein warmer Nord-Ost-Passat mit knapp dreißig Grad. Neben einem knallrosa angestrichenen Haus proben Las Únicas in einer offenen Garage.
    Import aus Venezuela
    Ausgelassen und temperamentvoll geht es bei der Probe von Las Únicas zu. Chefin der reinen Frauenband ist Milly Hernández. Die quirlige 32-Jährige arbeitet als Musiklehrerin in der Hauptstadt . In ihrer Freizeit leitet sie seit einigen Jahren die 19-köpfige Combo. Milly Hernández erklärt, die Gaita stamme gar nicht von Aruba.
    "1930, 1935 wanderten zahlreiche Küstenbewohner von Venezuela nach Aruba aus. Venezuela ist nur etwa 20 Meilen entfernt. Diese Einwanderer brachten die Gaitas mit. In Venezuela gab es drei Arten von Gaitas: Solche, in den es um Liebe ging, dann die, in denen es um Freude und Feste ging. Es gab sogar Protest-Gaitas, mit regierungskritischen Texten. Anfangs wurden die Texte vom Spanischen in unsere Sprache, das Papiamento übersetzt. Später haben wir in Papiamento unsere eigenen Gaitas geschrieben. Bei uns geht es in den Texten meistens nicht um Groll, sondern um Liebe."
    Und warum dürfen bei Las Únicas keine Männer mitspielen?
    "Früher gab es hauptsächlich gemischte Gruppen, Männer und Frauen. Ende der 90er-Jahre formierten sich erste Frauenbands wie Las Originales. In der spielte ich schon als junges Mädchen am E-Bass. 
Danach wechselte ich zu den Chicas Tropicales. Aber das Familienleben auf Aruba ist noch sehr traditionell. Wenn eine Frau heiratet, ist es schwierig, weiter ein so zeitaufwändiges Hobby zu haben. Irgendwann hatten sich deshalb alle Frauenbands aufgelöst. Trotzdem habe ich gedacht: Es gibt doch genügend Musikerrinnen in meiner Schule. Und eine reine Frauenband fehlte einfach."
    Natürlich spielen Las Únicas auch Salsa, Merengue und Calypso. Aber ab Oktober fast nur noch Gaitas.
    "Gaitas haben guten Rhythmus und gute Texte. Deshalb. Es gibt verschiedene Gaitas. Zum einen die sanften, ruhigen, langsamen."
    Und dann gibt es die tanzbaren, in unterschiedlichen Tempi. Bei den Auftritten wechseln wir zwischen langsamen und schnelleren Rhythmen. Zuhörern, die sich nicht gut auskennen, erklären wir auch die Tanzschritte – und auch die wichtigen Instrumente.
    Von Teilen der Rhythmus-Instrumente stammt auch der Name dieser Musikrichtung.
    Milly Hernández: "Das Wort Gaita bedeutet Ziegenhaut. Die Felle der Trommeln und ein altes Bassinstrument sind aus Ziegenhaut. Deshalb der Name Gaita."
    Das Furucu ist ein witziges Instrument, das heute kaum noch benutzt wird. Auf einen mit Ziegenhaut bespannten Eimer wird ein hölzerner Stock gedrückt. Durch kräftiges Reiben an dem Stock entstehen dann die tiefen Töne. Heute ersetzt der E-Bass das Furucu.
    Ein weiteres, seltenes Instrument ist die viersaitige Quarta, eine Art Gitarre.
    Für den in die Hüften gehenden Rhythmus schließlich sorgen die ursprünglich afrikanischen Instrumente Timbal, Conga und Trommeln.
    Dazu kommen noch Piano und Synthesizer, Charrasca, ein geriffeltes Rhythmusinstrument aus Venezuela, sowie die Stimmen von sechs Sängerinnen.
    Im Februar beginnt die neue Saison
    Eine der vier Trommlerinnen von Las Únicas ist die 28-jährige Rulienne Arends.
    "Ich bin seit vier Jahren dabei. Das Trommeln habe ich hier gelernt. Bei uns in der Familie gibt es einige Musiker, aber niemand hat Gaitas gespielt. Mir macht es Riesenspaß auf der Bühne. Dann sind wir alle gleich angezogen, Kleider, Schuhe, auch gleich geschminkt. Das sieht toll aus.
    Verdienen tun wir dabei so gut wie nichts. Die Einnahmen gehen für Kostüme, Fahrten und Verpflegung drauf. Wir spielen, weil es uns viel Spaß macht, aus Liebe zur Musik, und weil es uns wichtig ist."
    Für die 20-jährige Ruth Steward gibt es zwischen Oktober und Weihnachten nur zwei Dinge: das Studium - und die Musik.
    "Ich singe jetzt seit drei Jahren bei Las Unicas. Für mich ist das eine wunderbare Erfahrung, fantastisch. Am meisten gefällt mir der Zusammenhalt. Es ist nicht nur eine Gruppe. Für mich ist es wie eine Familie. Wir sehen uns drei Monate fast täglich. Im Dezember unterstützt mich meine eigene Familie, meine Schwestern und Brüder, damit ich Studium und Auftritte unter einen Hut bekomme. Ich mache nur zwei Dinge. Studieren und mein Hobby, Singen."
    Bis zum 27. Dezember spielen Las Únicas noch jeden Abend. Dann folgen fünf Wochen Pause und ab Februar proben sie wieder einmal die Woche, für die nächste Saison.