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Gambia
Ein Land im politischen Aufbruch

Bei Frank-Walter Steinmeiers Reise nach Gambia sollte es eigentlich um die Themen Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung gehen. Doch das Thema Migration ist in Afrika allgegenwärtig und holte den Bundespräsidenten auch beim Besuch des Staatspräsidenten wieder ein - der selbst eine Fluchtgeschichte hat.

Von Stephan Detjen | 15.12.2017
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Sängerin Sona Jobarteh.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Sängerin Sona Jobarteh. (Deutschlandradio / Stephan Detjen)
    Sona Jobarteh singt, weil der Bundespräsident aus Deutschland Gambia besucht. Sie ist die bekannteste Musikerin ihres Landes, gefeiert auf Festivals in aller Welt.
    An diesem Abend singt sie in einem Garten am weißen Atlantikstrand am Rande der gambischen Hauptstadt Banjul. Jobarteh ist der akustische Gegenpol zu den Geschichten, die die Besucher aus Deutschland auf dieser Reise in Westafrika bis hierhin begleitet haben: "Sieben Tage sind wir durch die Wüste gelaufen. Als wir in die Sahara gingen, waren wir eine Gruppe von 57. Als wir in Libyen ankamen waren wir noch neun."
    Hat Eric Appiah berichtet. Und sein Freund Munkala Amino erzählt: "Ich habe es immer wieder versucht. Als wir mitten auf dem Meer waren, bekamen wir Probleme und das Boot sank. Viele von uns ertranken. Ich wurde gerettet und zurück nach Tripoli gebracht."
    Ein Staatspräsident, der abgeschoben wurde
    Die Schicksale der Überlebenden, der Gestrandeten und am Ende ihrer Odyssee wieder erfolglos in die Heimat zurückgekehrten waren das Leitmotiv dieser Reise nach Westafrika. Frank-Walter Steinmeier weihte Beratungszentren für Rückkehrer ein, besuchte Ausbildungsbetriebe, versprach Hilfe, um Job-Perspektiven für die Jugend Afrikas zu schaffen.
    Adama Barrow, der neue Staatspräsident Gambias, hat eine eigene Migrationsgeschichte.
    Adama Barrow, der neue Staatspräsident Gambias, hat eine eigene Migrationsgeschichte. (AFP / Marco Longari)
    Hier in Gambia aber hört er noch eine andere Geschichte von Auswanderung und Rückkehr: "Ich kam nach Frankreich, fuhr mit dem Zug nach Lille, Straßburg und kam dann über die Grenze nach Deutschland, nach Baden Baden. Schließlich beantragte ich in Karlsruhe Asyl."
    Adama Barrow, der diese Geschichte erzählt, ist Staatspräsident von Gambia. Das Land, aus dem jetzt der Bundespräsident zu Besuch gekommen ist, hat ihn vor fast 30 Jahren ausgewiesen. "Mein Asylantrag wurde abgelehnt und ich wurde abgeschoben. Das war 1988."
    Ermutigung für die Jugend des Landes
    Gambia, das wie ein Spaltkeil von der Westküste Afrikas entlang des Gambia-Flusses tief in das Territorium Senegals hineinragt, hat seitdem eine Zeit der Isolation und brutalen Herrschaft durchlebt. "Es war wie das Ende der Welt. Aber ich war sehr stark und zuversichtlich, dass ich es schaffen kann", erinnert sich Barrow.
    Er wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann. Vor einem Jahr gelang ihm dann auch die politische Wende in Gambia. Mit Unterstützung eines Mehrparteienbündnisses wurde er zum Präsidenten gewählt und der Diktator Yahya Jammeh nach 22-jähriger Herrschaft ins Exil gezwungen.
    Henry Gomez, der Minister für Jugend und Sport in Gambia.
    Henry Gomez, der Minister für Jugend und Sport in Gambia. (Deutschlandradio / Stephan Detjen)
    Barrow erzählt seinen Weg vom gescheiterten Armutsflüchtling zum Staatspräsidenten als Ermutigung für die Jugend seines Landes. "Wir müssen an unser Land glauben und wenn wir das tun, dann werden wir auch Erfolg haben."
    Jetzt, wo Gambia in einer fast euphorischen Aufbruchsstimmung ist, setzt die Regierung darauf, dass ein Teil der verlorenen Jugend zurückkehrt und das mitbringt, was das Land am dringendsten braucht: Bildung, Geschäftsideen und nicht zuletzt Geld.
    "Alle anderen können das auch schaffen"
    "Ich bin 1986 von Gambia nach Frankreich, von Frankreich nach Deutschland, ich bin auch genau der gleiche, wie die anderen auch: Migration", erzählt ein anderes Mitglied der neuen, demokratischen Regierung: Henry Gomez, seit einem knappen Jahr Minister für Jugend und Sport in Gambia, ist Ende der 80er Jahre nach Deutschland ausgewandert.
    Die Sängerin Sona Jobarteh.
    Die Sängerin Sona Jobarteh. (Deutschlandradio / Stephan Detjen)
    "Ich habe als Arbeiter in einer Reinigungsfirma gearbeitet und dann nach fünf Jahren habe ich gesagt: Nein, ich wollte das probieren, selbständig zu sein."
    In Hamburg gründete Gomez seine eigene Reinigungsfirma. Als die Chance kam, den Diktator Jammeh in seiner Heimat abzulösen, ging Goemz nach Gambia zurück und gründete eine sozialdemokratisch orientierte Partei, die sich dem Bündnis von Adama Barrow anschloss.
    "Ich hab das geschafft, der Präsident hat das geschafft und heute bin ich der Minister für Jugend und Sport. Und alle anderen können das auch schaffen. Die müssen nur den Willen haben."
    Am Ende der Reise trifft Frank-Walter Steinmeier noch einmal die Sängerin Sona Jobarteh. Sie hat in der Hauptstadt Banjul eine Musikschule gegründet. Kinder - viele aus armen Familien und Waisen - werden dort in der klassischen Musik Gambias unterrichtet. Auch Sona Jobarteh ist eine Heimkehrerin. Sie stammt aus einer alten, gambischen Musikerfamilie, die nach England emigrierte, wo Jobarteh aufwuchs. Jetzt ist sie nach Gambia, ein Land im politischen Aufbruch, zurückgekehrt.